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Kategorie: Bücher

34063218 preistraeger preis leipziger buchmesse 2024 2lMSqDiemle9Die Preisträger:innender Leipziger Buchmesse  2024 : BELLETRISTIK, SACHBUCH/ESSAYISTIK, ÜBERSETZUNG

Redaktion

Leipzig (Weltexpresso) - BELLETRISTIK: Barbi Marković, geboren 1980 in Belgrad, studierte Germanistik und arbeitete zunächst als Lektorin. 2009 erhielt Marković viel Beachtung für »Ausgehen« (Suhrkamp), eine Übertragung der Thomas-Bernhard-Erzählung »Gehen« in die Belgrader Clubszene. 2011/2012 war sie Stadtschreiberin von Graz. 2016 erschien der Roman »Superheldinnen« beim Residenz Verlag, für den sie den Literaturpreis Alpha, den Förderpreis des Adelbert-von-Chamisso-Preises sowie 2019 den Priessnitz-Preis erhielt. 2017 las Barbi Marković beim Bachmann-Preis. Es folgten zahlreiche Kurzgeschichten, Theaterstücke und Hörspiele. 2023 erhielt Barbi Marković den Kunstpreis Berlin für Literatur.


Über das Buch: Barbi Marković: Minihorror (Residenz Verlag)
Mit dem Paar Mini und Miki tauchen wir ein in den alltäglichen Horror des städtischen Lebens. Die beiden sind nicht von hier, bemühen sich dazuzugehören und alles richtig zu machen. Trotzdem – oder gerade deswegen – werden sie verfolgt von Gefahren und Monstern, von Katastrophen und allerlei Schwierigkeiten… Tragikomisch und abgründig sind die Geschichten, die die beiden erleben. Barbi Markovićs Prosa besticht durch ihren ironischen Unterton, der nicht nur hinter die Fassaden blicken lässt, sondern auch die Zerbrechlichkeit ihrer Figuren entlarvt. Das sorgt für reichlich wahnwitzige Überraschungsmomente, in denen die sogenannte Wirklichkeit häufig ins surreal Phantastische kippt.

Zur Begründung der Jury
Rasant, seriell und pop-affin – so ist Barbi Markovićs neues Buch, das man wie im Rausch ohne Unterbrechung an einem Stück lesen will. Denn der Genuss ihrer witzigen und scheinbar so einfachen Sätze, die die absurde Fallhöhe zwischen Alltag und existenzieller Weltlage ausmessen, soll bitte nicht enden. Barbi Markovic erzählt hinreißend komisch und bitterernst von unserer Gegenwart: hinten die Kriegsverbrechen, vorne der Klimawandel, dazwischen die Banalität unseres tagtäglichen Lebens. In „Minihorror“ enttarnt Barbi Marković das Unheimliche jeder noch so harmlosen Situation, den Horror im Alltag, den Grusel vor der eigenen Familie. Dabei wird der Mensch im Spätkapitalismus notgedrungen zur Witzfigur.

SACHBUCH/ESSAYISTIK

Tom Holert, geboren 1962 in Hamburg, hat Kunstgeschichte studiert, für Zeitschriften gearbeitet (Texte zur Kunst, Spex), an Hochschulen gelehrt (u. a. Akademie der bildenden Künste Wien; Freie Universität Berlin; HFBK Hamburg) und Ausstellungen organisiert (u. a. im HKW Berlin). Holert ist Gründungsmitglied des Harun-Farocki-Instituts in Berlin und hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, darunter »Entsichert. Krieg als Massenkultur im 21. Jahrhundert« (2002), »Fliehkraft: Gesellschaft in Bewegung – von Migranten und Touristen« (2006, beide bei Kiepenheuer & Witsch) und »Politics of Learning, Politics of Space. Architecture and the Education Shock of the 1960s and 1970s« (De Gruyter, 2021).
 
Über das Buch Tom Holert: „ca. 1972“ Gewalt – Umwelt – Identität – Methode (Spector Books)
Im Zentrum des Text-/Bild-Essays steht das Jahr 1972, das nach der revolutionären Euphorie von 1968 einen Wendepunkt markierte: Das Vertrauen in die Nachkriegsordnung und die Fortschrittsmechanik der Moderne wich einer Atmosphäre von Ernüchterung, Verbitterung und Angst. Der Berliner Kunsthistoriker Tom Holert diagnostiziert die vielschichtigen und gegensätzlichen Aufschübe, Aufbrüche und Ausschweifungen dieser Zeit, die nicht linear in einer ereignishistorischen Erzählung dargestellt werden können, sondern als räumlich-zeitliche Konstellation, als Gefüge kultureller, intellektueller und ästhetischer Zusammenkünfte und Zusammenbrüche. Ein Ausgangspunkt ist die visuelle Kultur der Zeit: Fotografien, Filme, Bücher, Zeitschriften, Werke bildender Kunst bezeugen das Denken und Handeln radikaler Zeitgenoss:innen.

Zur Begründung der Jury
Tom Holert widmet sich dem Zeit-Raum „ca. 1972“ und seinen politischen und ästhetischen Avantgarden. Sein überbordender Text-Bild-Essay stellt Gewalt, Ökologie und Identität in einen aufregenden methodischen Zusammenhang. Holert gelingt dabei, was man sich von vielen schreibenden Vertreter:innen auf beiden Seiten aller Literaturpreise wünschen würde. Indem er seine Position als Autor benennt, reflektiert und sie sichtbar macht, ohne sich selbst in diese kulturellen Objekte und ihre Geschichte einzuschreiben, leistet er seinen klugen Teil der Arbeit auf dem Weg zu einem 2024 leider immer noch utopischen Ziel: einer sozialen, globalen, ökologisch und geschlechtlich gerechteren Welt.

ÜBERSETZUNG
Ki-Hyang Lee, geboren 1967 in Seoul, studierte Germanistik, Pädagogik und Japanologie in Seoul, Würzburg und München. Sie lebt in München, arbeitet dort als Dozentin an der Universität und ist Übersetzerin und Verlegerin des Märchenwald Verlags. Zu ihren zahlreichen Übersetzungen zählen Han Kangs »Die Vegetarierin« (Aufbau, 2017), Cho Nam-Joos »Kim Jiyoung, geboren 1982« (Kiepenheuer & Wietsch, 2021) oder Kim Hye-Jins »Die Tochter« (Hanser, 2022), dazu übersetzte sie Autor:innen wie Hwang Sun-Won, Jooyoung Kim, I-Seol Kim, Haemin Sunim, Sung-U Lee, Do Hyun Ahn, Song Sok-ze, Jong-Rae Jo u. a.

Über das Buch Bora Chung: Der Fluch des Hasen (CulturBooks). Aus dem Koreanischen von Ki-Hyang Lee

„Der Fluch des Hasen“ spielt mit einer Vielzahl literarischer Formen und Stimmen. Vom magischen Realismus über Horror bis hin zur Spekulativen Fiktion arbeitet die südkoreanische Autorin Bora Chung fernab jeder Schublade. Ki-Hyang Lee hat die zehn geistreichen Kurzgeschichten ins Deutsche übersetzt und dabei sowohl für den hintersinnigen Humor als auch für die Schilderungen des realen Schreckens eine passende Übertragung gefunden. Wie der Hase schlagen auch die Erzählungen Haken; voller blitzgescheiter Wendungen scheinen dabei unter jeder noch so alltäglichen Situation die Grausamkeiten unserer modernen Zeit hervor.

Zur Begründung der Jury

Das Unheimliche und Monströse laufen bei der gesellschaftskritisch versierten Koreanerin Bora Chung zu großer Form auf. Ki-Hyang Lee ist es zu verdanken, dass ihre Geschichten auch auf Deutsch abgründig funkeln. In der pointierten und leicht neben die Norm gesetzten Sprache, die Ki-Hyang Lee den Texten von Bora Chung verleiht, haben sie eine zitternde Offenheit für das Neue und Unerwartete. Das Niedliche und das Widerliche kommen uns daraus entgegen. Wir erleben die Liebe, wie sie sich in einer nahen Zukunft womöglich anfühlen wird. Übersetzen bedeutet dabei auch, von beweglichen Standpunkten aus zu denken: Was ist nah und was fern, was selbstverständlich und was fremd. In diesem Buch werden Fremdsprachen gesprochen, und die Übersetzung spielt mit deren Rolle. Dass wir den Reichtum der südkoreanischen Gegenwartsliteratur erleben können, ist ein großer Verdienst von Ki-Hyang Lees unermüdlicher Arbeit.

Fotos:
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