DAS JÜDISCHE LOGBUCH Ende Oktober
Yves Kugelmann
Amsterdam (Weltexpresso) - Die Frontseiten der internationalen Zeitungen und Magazine auch an diesem Pressestand fokussieren weiterhin auf den eskalierten Nahostkonflikt – mit unterschiedlichen Gewichtungen. Die Hamas-Massaker haben die Welt weit über die jüdische Gemeinschaft aufgewühlt. Medien, Experten, Funktionäre und so fort arbeiten sich am Thema und ebenso an Jüdinnen und Juden ab. Oder besser gesagt: Die Judenmorde in Israel justieren für viele das Verhältnis zum Jüdischen neu und zugleich wird das jüdische Opfer-Stigma neu zementiert.
Das reicht von Empathie bis Übergriff. Solidarität und Hilfe – aber zugleich wird mit stigmatisierten Judenbildern Politik gemacht, eigene Versäumnisse der Vergangenheit werden kompensiert und Themen projiziert. Das kreierte und teils von Funktionären noch genährte öffentliche Bild der Juden als Opfer, Täter zeigt einen veränderten Diskurs, der auf Stereotype zurückgreift. In der Verurteilung der Hamas müssen Juden als Legitimation herhalten, in der Relativierung der Kausalitäten ebenso. In Wort und Bild wird zu oft ein jüdisches Stigma fernab der jüdischen Lebenswirklichkeit gesetzt und teils fragwürdig orchestriert. Das hat viele Gründe, die mit der Barbarei des 7. Oktober nichts zu tun, aber neue Vorzeichen in der alt-neuen Ausgrenzung im Umgang mit Juden zu tun haben. Verstärkte Stigmata, die sich tief eingraben und hängen bleiben werden, die Anomalität im Verhältnis der Menschen untereinander zementieren und neu überwunden werden müssen. Am Tag danach.
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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 27. Oktober 2023
Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.