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Kategorie: Alltag
hwk blindeEuropameisterschaft der Blindenfußballer in Berlin

Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) - In Berlin fand soeben die Europäische Meisterschaft 2017 der Blindenfußballer statt. Am Samstag besiegte die russische Nationalmannschaft Spanien mit 5:4 (1:1) im Sechsmeterschießen. Zuvor erreicht England den dritten Platz mit einem 2:0 gegen Frankreich.

hwk Blinde1Was wie eine Satire klingt - wer hat nicht schon mal gebrüllt, „Ist der blind, warum gibt der nicht ab“ oder „Kann der Schiedsrichter nicht sehen!“ - ist in anderen Ländern längst etabliert. In England wird bereits seit 1997 Blindenfußball gespielt, in Deutschland gab es ein erstes Turnier knapp zehn Jahre später. Über 2000, meist sehende Zuschauer waren am Samstag beim Endspiel im kleinen, ausverkauften Stadion, unweit des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung dabei. Deutschland belegte nur den 6. Platz, verpasste dadurch die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2018 und bleibt beim Blindenfußball Entwicklungsland.

hwk WegZurEmDie jeweils vier Feldspieler bekommen die Augen noch einmal verbunden, weil einige eine geringe Restsehkraft besitzen und hell/dunkel erkennen können. Sie rennen über den Platz, der Ball scheint an ihren Füßen zu kleben, lautstark dirigiert werden sie vom sehenden Torwart, ihrem Lotsen hinter dem gegnerischen Tor und dem Trainer vom Seitenrand. Darum muss das Publikum auch schweigen! „Please be quiet “, fordern Ordner immer wieder mit ihren Schildern, wenn der Jubel über ein erzieltes Tor oder abgewehrte Torschüsse aufbrandet.

Blindenfußball ist schon eine eigenartige Choreografie: Der Ball ist weg, doch die Spieler raufen weiter miteinander, drehen Pirouetten oder rammeln in die Bande. Im Idealfall rennen sie weiterhin dem Ball hinterher, der im Inneren Rasseln hat und gut zu hören ist. Schnell fließt Blut, wenn selbst die eigenen Spieler aneinander krachen, die übrigens nicht - wie beispielsweise beim Eishockey - geschützt sind. Abseits und Einwurf gibt es nicht, wohl aber Ecken und Strafstöße. Der Torwart baut dann seine Mauer durch Anfassen und Hin- und Herschieben der Spieler auf. Einer von ihnen nimmt eine löwenartige Jagdhaltung ein, um sofort nach dem Pfiff für einen Konter davonzurasen.

Jedoch bevor der Schiedsrichter pfeift, wird noch einmal das eiserne Tor mit einem Metallstab abgeklopft, damit sich die Spieler (besser) akustisch orientieren können. Es ist erstaunlich, wie sich die blinden Fußballer im Spielraum zurechtfinden und wie tapfer sie in die Zweikämpfe gehen. Auch wenn es manchmal für Sehende wie ungeübtes Kinderspiel aussieht, ist Blindenfußball ein echter Mannschaftssport mit engagierten und kompetenten Kämpfern.


Fotos:
In Reihenfolge
„Be quiet“ © Hanswerner Kruse
Endspiel © Veranstalter
„Die deutsche Nationalmannschaft auf dem Weg zum Turnier“ © Veranstalter


Weitere Fotos vom Endspiel vom Veranstalter unter
https://wolke.euro2017.berlin/index.php/s/7wV5kjClrsdAwAo?path=%2F20170826-1930-Final