Drucken
Kategorie: Alltag
Phrasen fur DeutschlandPhrasen für den neoliberalen Alltag

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Phrasen halten Einzug in unser Leben. Und es wird ihnen leichtgemacht.

Denn bei denen, die es generell nicht so genau nehmen oder es nicht so genau wissen wollen, hat sich eine allgemeine Oberflächlichkeit breit gemacht, die das ungehemmte Wachstum von Engstirnigkeit, schlichtem Denken und die Etablierung einer intellektuellen Plebsokratie begünstigt.

Die Redaktion der Frankfurter Literaturinitiative PRO LESEN e.V. sammelt regelmäßig phrasenartige Wörter und Redensarten, die ihr im Alltag auffielen. Hier eine Auswahl:

Abfahren

Gemeint ist nicht das Abfahren am Ort X, um am Ort Y anzukommen. Sondern eine Empathie für Menschen und Dinge, die auf überwiegend persönlichen Wertmaßstäben beruht. Er/sie fährt drauf ab. Das soll, das muss ausreichen. Der Rest ist Schweigen.

Absolut

Hier geht es erkennbar nicht um das Absolute, mit dem sich beispielsweise Philosophen und Theologen seit Jahrhunderten herumschlagen. Vielmehr handelt es sich um eine Vokabel aus dem Wörterbuch der Spracharmut. Sie ersetzt Steigerungsformen oder Synonyme, die dem Anwender (männlich und weiblich) nicht mehr geläufig sind oder es vielleicht nie waren. Und deswegen hört man allerorten: absolut Spitze, absolut sauer, absolut Scheiße. Das klingt bereits nach dem Absolutismus der intellektuellen Verarmung.

Abverkauf

Dieser Begriff soll ein Ziel des Verkaufs, der ursprünglich Veräußerung von Waren bedeutet, gegenüber dem Käufer verschleiern. Man trennt sich von Artikel, die unter den normalen Bedingungen von Angebot und Nachfrage keiner erwerben will. Und macht aus der Not , nämlich saures Bier anbieten zu müssen, eine Tugend.

Ätzend

Kann „abscheulich“, aber auch „geil“ bedeuten. Und folglich die Eigenschaften von zwei Unvereinbarkeiten beschreiben, die häufig im Zusammenhang erwähnt werden. Beispielsweise „Ätzend - AfD und Demokratie“, oder „Ätzend - Armut und Überfluss“; sicherlich auch „Ätzend – SPD und GroKo“. So steht der Begriff mitten in der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Und soll vielleicht die Mittelmäßigkeit der Mitte andeuten.

Alterspyramide

Diesem Bauwerk, einem Wolkenkratzer gleich, müsste zwangsläufig ein Nachbarhaus gegenüberstehen, nämlich die Geburtenpyramide. Die besitzt derzeit jedoch eher die Maße eines fünfstöckigen, nicht sonderlich breiten Mietshauses. Die Bewohner der Alterspyramide könnten diesem Missverhältnis abhelfen und ihr Hochhaus zwar nicht verkleinern, aber doch geringer besiedeln. Beispielsweise, in dem sich alljährlich die Verlierer einer Auslosung aus den obersten Stockwerken auf die Straße stürzten. Ob dadurch allerdings die Geburtenpyramide zu einem Bau im Sinn ihres Namens hochwüchse, darf bezweifelt werden. Denn die Angst vor der Zukunft, also dem irgendwann einmal unabwendbaren Fenstersturz, der die Parität von Rentenzahlern und Rentenempfängern sicherte, könnte die Ungeboren daran hindern, geboren zu werden.

Altlasten

Noch ist damit nicht die Rentnergeneration gemeint, sondern der giftige Unrat, den wir quasi als Kollateralschäden produzieren, um das Wirtschaftswachstum auf immer neue Höhen zu treiben. Zeitbomben wäre der treffendere Begriff, aber der könnte allgemeines Entsetzen auslösen - selbst unter den Verfechtern des Kapitalismus.

Anforderungsprofil

Auf dieses Unwort stößt man häufig bei der Lektüre von Stellenangeboten (gelegentlich auch Job-Angebote genannt). Inhaltlich gemeint ist eine menschliche Spezies, die dank Mutation jung (maximal 35), gesund, leichtgläubig, fachlich hochqualifiziert, im langen Berufsleben gereift und erfahren und hinsichtlich des Salärs extrem bescheiden ist.

Andenken

Wenn schon nicht gedacht werden kann und soll, dann sollte man auch das Andenken lassen. Denn im Gegensatz zum Anfahren (mit dem Auto starten, gar jemanden überfahren) führt das Andenken noch nicht einmal zu einem negativen Erfolg.

Anlesen

Hier verhält es sich ähnlich wie mit dem Andenken: Man liest etwas an, ohne dabei die Kulturtechnik des verstehenden Lesens anzuwenden. Kurzum: Anlesen bedeutet Nichtlesen.

Anspruchsdenken

Offensichtlich der Versuch, legitime Ansprüche allein deswegen zu diskreditieren, weil sie erhoben werden.

Arbeitsessen

Die Rechtfertigung eines Gelages, zu dem es außer übermäßiger Genusssucht, deren Kosten von Dritten zu tragen sind, keinen weiteren Anlass gibt. Dieser Hang ist dort besonders verbreitet, wo die Notwendigkeit zur Arbeitsdisziplin unter Anwendung aller Talent- und Vernunftressourcen als dringend geboten erscheint.

Ausdiskutieren

Die Verwandten des Ausdiskutierens heißen Andiskutieren und Wegdiskutieren. Sie verweisen darauf, dass gar nicht diskutiert wird, also weder aus noch an noch weg. Ich denke dabei an Talkshows.

Auseinanderdividieren

Hier handelt es sich um ein besonders gelungenes Beispiel neudeutscher Phraseologie. Logischerweise müsste es noch absubtrahieren und zusammenaddieren geben. Auch aus- und abmultiplizieren wären denkbar. Aber das wird bestimmt noch jemandem einfallen.


Baby an Bord

Bis heute habe ich nicht verstanden, was dieser kaum zu übersehende Hinweis am Heck von PKWs bedeutet. Ist damit zu rechnen, dass ein Kleinkind unvermutet aus dem Fahrzeug geworfen wird? Der Warnhinweis wird regelmäßig noch durch die Namensangaben der kindlichen Insassen verstärkt, beispielsweise durch Chantalle oder Kevin. Speziell in diesen Fällen sollte man bei nächster Gelegenheit überholen und die Flucht ergreifen.

Boomen

Alles boomt. Vor allem die Doomheit.

Brainstorming

Eine freundliche Umschreibung für den Sachverhalt, auch die dümmsten Gedanken ungefiltert mündlich und schriftlich artikulieren zu dürfen. Mutmaßlich dürfte es sich um eine Maßnahme der Geschäftsleitung handeln, um der Gruppe der demnächst Freigestellten ein letztes Mal das Gefühl des Dazugehörens zu vermitteln.

Brummi

Das Wort gehört in die Kategorie dumm plus dreist. Es bezeichnet ein gemeingefährliches Gefährt, das raumfordernd und giftverströmend die Straßen verstopft und wegen Übermüdung ihrer Lenker Unfälle verursacht, um Einkaufszentren auf der so genannten grünen Wiese, bei denen trotz vorhandener Fläche an Lagerplatz gespart wurde, im Stundentakt zu beliefern. Letztere tragen wiederum erheblich zur Verelendung der Innenstädte und zur explosionsartigen Vermehrung von 450 Euro –Jobs sowie zu künftiger Altersarmut bei.


Denkpause

Wer eine solche beim Denken benötigt, sollte erst gar nicht damit anfangen.

Doppelverdiener

Ein Schmähwort gegen die Emanzipation der Frau, das in der Giftküche eines gewissen Joseph Goebbels entstanden ist und die Absicht verfolgte, die deutsche Frau ihrer wahren Bestimmung zuzuführen, nämlich unbezahlte Hausfrau und gleichzeitig mehrfache Mutter zu sein.

Dunkelziffer

Kommt aus dem Bereich der Statistik und drückt aus, dass diese Ziffer noch unglaubwürdiger ist als die anderen Ergebnisse.

Dynamisch

Dynamos war im Griechischen die Allmacht und Kraft Gottes. Heutzutage wird damit der Wunsch wirtschaftlich Mächtiger umschrieben, die abhängig Beschäftigten sollten ihre Arbeitnehmerrechte tunlichst vergessen und sich ungehemmt dem Betrieb widmen, also zu dynamischen Mitarbeitern werden.


Einbinden

Wer sich einbinden lässt, lässt sich auch gern einseifen, sprich entmündigen, also seiner Persönlichkeit berauben. Einbinden klingt aber viel schöner.

Einkaufsparadies

Das ist ein wahres Paradies für Warenanbieter. Die Kundschaft reist in Klein- und Großgruppen an, bedient sich dankbar des zur Verfügung gestellten Kaufinstrumentariums (Einkaufswagen), lässt sich während der Wanderschaft durch die Regalwelt insbesondere vom Nichtnotwendigen inspirieren und ersteht zum guten Schluss erheblich mehr, als sie sich einzukaufen vorgenommen hatte. Wahrlich paradiesische Zustände. Außer, dass man nichts geschenkt bekommt, unter Umständen sogar einen Vergnügungsaufschlag zahlen muss. Was im Paradies anders gewesen sein soll.

Ein Stück weit

Ein Stück weit nähern wir uns selbst oder dem anderen oder einer Sache oder einer Idee. Früher galt einmal die Regel „Ganz oder gar nicht“, was nicht grundsätzlich mit aufdringlich gleichzusetzen war. Heute ist man etwas distanzierter, vor allem aber unverbindlicher und unaufrichtiger.

Entscheidungsbedarf

Eine Entscheidung zu fällen erweist sich in der Lebenswirklichkeit als notwendig, gar als unumgänglich. Doch dazu ist nicht jede/r bereit, sodass zunehmend lediglich der Bedarf an Entscheidungen festgestellt wird. Das ist dann die beste Voraussetzung, besser keine Entscheidung zu treffen, sondern die Sache auszusitzen.

Erwartungshorizont

Dieser ist bei genauer Betrachtung eine Frage der Perspektive. Je kleiner diese ist, umso geringer die Erwartungen, je größer, umso größer die Erwartungen. Also darf man folgern, dass es sich um keine feste Maßeinheit handelt - eine Phrase eben.


Festschreiben

Es bedeutet lediglich, etwas schriftlich festzulegen, klingt aber nach mehr, klingt nach Wichtigem. Aber es ist eine geborgte Autorität, vielleicht gar eine Falschmünzerei.

Freiräume

Offensichtlich wünscht man sich Räume, wo die üblichen Regeln und Gesetze außer Kraft gesetzt sind. Sollten sich solche Bereiche realisieren lassen, entstünde das Problem der Abgrenzung: Wo endet mein Freiraum, wo beginnt deiner? Freiräume würden folglich prall gefüllt sein mit hochkomplexen Fragen, worüber während des Wünschens nicht nachgedacht wird. Offenbar entsteht das Verlangen nach ihnen im denkfreien Wunsch-Raum.

Freisetzung

Ein Begriff, der die um sich greifende Vernichtung von Arbeitsplätzen schönreden und schönschreiben soll. Und der den Freigesetzen das schöne Gefühl vermittelt, zwar arbeitslos, aber dennoch (vogel-) frei zu sein.

Freizeitwert

Wenn die Arbeits- oder Dienstzeit wenig Wert besitzt, muss die freie Zeit zwangsläufig umso wertvoller werden. Es könnte sich also beim Freizeitwert um eine soziale, von der Allgemeinheit finanzierte Maßnahme für im Arbeitsleben Entwertete handeln.


Ganzheitlich

Wir können es in den schlechtesten Büchern lesen: Wir Menschen sind ganzheitliche Wesen, bestehen aus einem ganzen Leib und einer ganzen Seele und wenn das eine oder das andere beschädigt wird, dann sind wir ganz, in ganzer Gänze, betroffen. Darum sehnen wir uns nach ganzheitlichen Erfahrungen, beispielsweise nach einem esoterischen Trommelkurs auf den Malediven mit Yoga-Einlagen, ergänzt um einen Grundkurs in Astrologie und einer Privatlektion bei einer Traumdeuterin. Ganzheitlich Leben - eben.


Handlungskompetenz

Die liegt vermutlich zwischen Richtlinienkompetenz, Handlungsbedarf, Handlungsspielraum und Handlungsfähigkeit. Also in dem Niemandsland zwischen Macht und Ohnmacht. Was demjenigen, der von seiner Handlungskompetenz Gebrauch macht, spätestens dann schmerzlich bewusst wird.

Herausforderung

Alle fordern uns heraus, man könnte den Tag mit ununterbrochenem Duellieren füllen. Und was folgt auf die Herausforderung? Ein Gentlemans Agreement? Ein Vertrag, der viele Vorteile einbringt? Vielleicht der Tod des Herausforderers? Oder das eigene endgültige Scheitern? Die Phantasie reicht nicht aus, um die Vielgestaltigkeit der Herausforderungen übersehen zu können. Das sollte ein Grund sein, bereits beim Hören des Wortes misstrauisch zu sein und sich nicht herausfordern zu lassen.

Herz für Kinder

Ein moderner Ablasszettel, besonders häufig zu finden an Fahrzeugen, deren Insassen den Eindruck erwecken, dass sie wahre Experten sind für Pranger, Prügel, rechte Ordnung. Ähnlich wie die Zeitung mit den großen Buchstaben, die diesen Persilschein unter die Leute bringt.


Irgendwie

Die Beschreibung des Nicht-Fassbaren, des ewig Unkonkreten, möglicherweise auch ein artikuliertes Symptom für das fortdauernde Schrumpfen geistiger Leistungen oder einfach ein exzellenter Vertreter des zeitlos Dümmlichen.


Katastrophale Verwüstungen

Beschreibt offensichtlich die Steigerung solcher Verwüstungen, die gar nicht mehr wahrgenommen werden, die eben nur normale Verwüstungen sind. Weil innerhalb dieser Verwüstungen sich das normale Leben abspielt.

Keinst

Das schlichte Wort suggeriert Steigerungen, wo diese gar nicht mehr möglich sind. Zum Beispiel: in keinster Weise. Also: Es in keinstem Fall gebrauchen!

Knackig

Das Eigenschaftswort eröffnet ein Paradies an Assoziationen: knackige Frauenärsche, knackige Männerärsche, knackige Salate, eben alles, was beknackt ist.

Konstruktiv und kritisch

Das eine hebt das andere auf, zumindest relativiert es dieses. Wer in seine Kritik bereits das Konstruktive einbaut, nimmt ihr die heilsame Wirkung. Oder verschafft sich ein Alibi für die eigene Feigheit.

Kurzfristige Lösungen

Da ist es gut, dass man bald wieder nach neuen Lösungen suchen muss, denn die einen waren eben nur kurzfristig angelegt. Also von vornherein und bewusst falsch.


Leistungsträger

Dieser Begriff dient erkennbar der Verschleierung von Sachverhalten. Denn indirekt unterscheidet er zwischen denen, die lediglich arbeiten (und vermutlich dafür gering entlohnt werden) und jenen, die leisten anstatt zu arbeiten und dafür ein besonders hohes Entgelt erhalten. Über die eigentliche Qualität der Arbeit bzw. Leistung schweigt sich das Wort aus. Die Vermutung liegt nahe, dass Leistung darin bestehen könnte, sich die Arbeitsergebnisse der anderen billig anzueignen. Die Parteien der Leistungsträger sind dafür hinlänglich bekannt.

Lernprozess

Das Wort suggeriert, dass es neben dem altbekannten Lernen noch einen besonderen Lernprozess gibt. Vielleicht weil Leute, die bei ihrem jeweiligen Lernen nie zu einem (wenn auch vorläufigen) Ergebnis kommen, den fehlenden Lernerfolg mit einer glaubhaften Entschuldigung verbrämen möchten.

Letztendlich

Das Wort meint „schlussendlich“ bzw. „schließlich“. Man liest und hört es vorrangig in Rede- und Schriftbeiträgen, wenn eine logische Folgerung aus dem vorab Gesagten oder Geschriebenen angekündigt wird. Vielfach bleibt es jedoch bei der Ankündigung. Dann scheint der Vortragende oder Schreiber seine Argumentation selbst nicht verstanden zu haben und hütet sich vor einem logischen Schluss, belässt es lediglich beim Appell „letztendlich“.


Mitbürger

Der Verdacht liegt nahe, dass der Mitbürger dem Bürger untergeordnet ist, also die aus der Herrschaftsperspektive harmlosere, weil machtlose Variante des Citoyens darstellt. Gern verwendet wird dieses Unwort mit dem Zusatz „ausländischer“. Letzteres ist dann der Mitbürger des Mitbürgers und steht auf der sozialen Hühnerleiter ganz unten, mehr auf dem Abgrund stehend als darüber.


Naturbelassen

Viele der besten, will sagen bestwirksamen, Gifte sind naturbelassen. Ich denke an bestimmte Pilze, aber auch an Schlangengifte. Und nicht zuletzt an so segensreiche Gewächse wie Bittermandeln und Mohn. Biologisch, dynamisch und vielfach absolut tödlich.

Null-Lösung

Die sprachlich schönere Variante von „Keine Lösung“.

Null-Wachstum

Auch hier gibt es nichts zu vermelden, zumindest kein Wachstum.


Paketlösung

Hier ist größte Vorsicht geboten. Denn es handelt sich um eine zeitgemäße Kombination von Zuckerbrot und Peitsche, wobei die Peitsche den größeren Teil des Gebindes ausmacht.

Personelle Ressourcen

Das bedeutet auf Deutsch: Menschenquellen. Oder etwas weniger elegant: Arbeitssklaven, menschliche Verfügungsmasse. In jedem Fall bedeutet es nichts Gutes.


Restrisiko

Verniedlichender Ausdruck vorwiegend für technische Innovationen, die entweder bereits außer Kontrolle geraten sind oder mit hoher Wahrscheinlichkeit geraten könnten. So wie in Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima. Der Begriff lässt sich aber auch auf politische Konstellationen übertragen. Das Restrisiko einer Großen Koalition liegt in der faktischen Ausschaltung der parlamentarischen Opposition und der Mobilisierung sowohl des außerparlamentarischen Pöbels als auch dessen parlamentarischer Vertretung.


Sachzwänge

Bezeichnet eine Mutation, die (noch) nicht existiert; denn Sachen können nicht zwingen. Deswegen als Schutzbehauptung gebräuchlich, um die eigene Verantwortung für katastrophale und folgenreiche Entscheidungen auf solche zu schieben, die nicht haftbar gemacht werden können, eben auf Sachen.

Schadstoffe

Der frühere Ausdruck lautete schlicht und einfach: Gift. Damals starb man daran, die einen etwas früher, die anderen etwas später, aber überlebt hat es keiner. Heute beeinflussen Schadstoffe die Mortalitätsrate. Vor allem aber wirken sie sich positiv auf den Profit ihrer Produzenten aus. Was sie für wenige zu Glücksstoffen macht.

Selbstheilungskräfte

Sind Bestandteile des menschlichen und tierischen Organismus und regulieren in beschränktem Umfang dessen Überlebensfähigkeit. Bei den Selbstheilungskräften des Marktes hingegen setzt man geradezu auf das Sterben der Schwachen und das Überleben der Starken. Und falls bei Letzteren diese Medizin nicht mehr hilft, ist der Steuerzahler gefragt. Denn der Starke besitzt ein Überlebensrecht und die Allgemeinheit eine soziale Verpflichtung gegenüber dem Reichtum.

Sinn machen

Der Sinn macht nachweislich nichts. Bestimmte gedankliche Entwürfe können einen Sinn ergeben. Vorausgesetzt, man setzt seine sieben (oder mehr?) Sinne dabei ein.

Sozial schwach

Hier handelt es sich um einen Euphemismus, denn gemeint ist „arm“. Allerdings brächte eine korrekte Beschreibung die Regierungen in Verlegenheit. Bereits das von Gewerkschaften und Sozialverbänden benutzte Schlagwort „Altersarmut“ erweist sich als rotes Tuch. Die Chancen, alt zu werden, steigen nachweislich. Die Aussicht, im Alter arm zu sein, leider noch mehr.


Tiefgreifende Reformen

Sind offenbar das Gegenteil von oberflächlichen Reformen. Aber allein der Gebrauch des Begriffs macht deutlich, wie viele oberflächliche, unzureichende und unzumutbare Reformen durchgesetzt wurden und werden.


Überwiegende Mehrzahl

Anscheinend gibt es auch das Gegenteil: nämlich die verschwindende Mehrzahl. Letztere löst die Vermutung aus, dass es mit der überwiegenden Mehrzahl nicht zum Besten bestellt sein kann. Möglicherweise ist sie geschönt, gar manipuliert. Vorsicht ist geboten, wenn der Begriff fällt.

Unkosten

Unkosten sind sprachlich und tatsächlich keine Kosten; sie werden aber vor allem deswegen gern und völlig unberechtigt in Rechnung gestellt.


Zeitnah

Anscheinend das Gegenteil von zeitfern. Oder es könnte zeitlos bedeuten im Sinn von „keine Zeit haben“. Im Behörden- und Geschäftsverkehr bedeutet es häufig: wird nicht erledigt.

Ein Zeichen setzen

Nichts muss unternommen werden, nichts muss geschehen, denn es reicht aus, Zeichen zu setzen.


Foto:
Collage „Phrasen für Deutschland“
© Medien-Redaktionsgemeinschaft