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Kategorie: Alltag
21Aus dem Corona-Newsletter des hr

Sven-Oliver Schibat

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Verzeihen Sie mir den harten Einstieg in diese Ausgabe, aber ich habe heute so viel für Sie auf dem Zettel, dass ich direkt in die Themen der Woche einsteige. Es geht los mit den aktuellen Zahlen:

Inzidenz in Hessen über 50

Gestern erst kündigte die Stadt Frankfurt an, dass man ab Samstag die Maßnahmen wieder verschärfen wolle, weil ein Überschreiten der 50er-Grenze der Inzidenz absehbar sei - und heute verzeichnet man dort bereits eine Inzidenz von 70. Und auch landesweit hat die Inzidenz einen ordentlichen Sprung hingelegt: Von 44,1 am Donnerstag auf 50,8 am heutigen Freitag. Wie die Inzidenzen in den einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten nach oben gehen, lässt sich sehr gut auf unserer Corona-Karte beobachten. Eine Ausnahme bildet weiterhin der Werra-Meißner-Kreis: Die Nuller-Inzidenz kann man dort inzwischen zwar nicht mehr halten, aber mit 9,9 liegt der Kreis trotzdem mit Abstand auf dem letzten Platz in Hessen. Die höchste Inzidenz liegt aktuell im Kreis Fulda vor: 83,4.

Aber muss uns die Inzidenz überhaupt noch kümmern? Wir haben doch jetzt Impfstoffe! Ja, hat das Corona-Kabinett des Landes diese Woche beschlossen. "Die Inzidenz ist und bleibt ein Indikator für das Infektionsgeschehen vor Ort", sagte der stellvertretende Ministerpräsident, Tarek Al-Wazir (Grüne) bei einer Pressekonferenz in Wiesbaden. Dementsprechend richtet sich auch das Eskalationskonzept weiterhin an den Inzidenzen aus.


Die 3-G-Regel wird wichtiger

Die wichtigen Grenzen liegen bei 35, 50 und 100. Dabei spielt die 3-G-Regel (geimpft, genesen oder negativ getestet) eine große Rolle: Ab 35 muss man bei vielen Einrichtungen des öffentlichen Lebens (Kultur- und Sportstätten, körpernahe Dienstleistungen,...) nachweisen, dass man geimpft, negativ getestet oder genesen ist. Ab 50 gilt die Maskenpflicht zum Beispiel bei Gedränge in Außenbereichen und ab 100 werden FFP2-Masken im Nahverkehr verpflichtend und es gilt auch im Außenbereich der Gastronomie Maskenpflicht. Im Detail können Sie die Beschlüsse hier nachlesen. Die Verordnung gilt seit gestern.

Der Virologe Martin Stürmer lobte diese Entscheidung: "Ich bin ganz froh, dass Hessen (...) an der inzidenzgesteuerten Regelung festhält. (...) Sie müssen bedenken: Bei der 3-G-Regel droht eine Verlagerung des Infektionsgeschehens ins Private, zumal einige Menschen den Aufwand und die ab Oktober fällig werdenden Kosten für die Tests eher meiden." Das sehr interessante Interview können Sie hier nachlesen.


Drei wichtige Punkte aus den Beschlüssen des Corona-Kabinetts möchte ich hier noch aufgreifen:

1.) Das Eskalationskonzept sieht keinen Lockdown mehr vor. Bei Inzidenzen deutlich über 100 müsse man allerdings vor Ort neu entscheiden. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat sich - natürlich unabhängig von der hessischen Entscheidung - ebenfalls zu weiteren Lockdowns geäußert: "Aus meiner Sicht darf es keinen neuen Lockdown geben. Der wäre angesichts der Impfquote schwer begründbar", sagte er der "Rheinischen Post". "Wer sich schützen will, kann sich impfen lassen. Wer auf diesen Schutz verzichtet, kann nicht erwarten, dass die gesamte Gesellschaft noch einmal solch einschneidende Maßnahmen mitträgt."

2.) Die Clubs und Discos dürfen wieder öffnen. Allerdings unter so strengen Bedingungen, dass es gerade für kleine Clubs uninteressant sein dürfte, ihre Türen wieder zu öffnen. Dieser Punkt stieß daher auch auf große Kritik seitens der Club-Betreiber. Übrigens wurde diese Woche das Ergebnis eines Tests veröffentlich, bei dem in Berlin Clubs unter kontrollierten Bedingungen öffnen durften. Kurz zusammengefasst: Aus dem Test wurde kein Superspreader-Event.

3.) Gute Nachricht für alle Eltern und ihre schulpflichtigen Kinder, die keine Lust mehr auf Homeschooling haben: Es soll keinen Wechselunterricht und keinen Distanzunterricht mehr geben. Da inzwischen der Impfstoff auch für Kinder ab 12 Jahren freigegeben ist, sei dies nicht mehr nötig. In Gießen hat in dieser Woche ein mobiles Impfteam an der Alexander-von-Humboldt-Schule geimpft. Diese Aktion wurde vom Kreis und der Stadt initiiert, das Land Hessen plant keine Impfaktionen an den Schulen. Kinderärzte sehen Impfungen an Schulen kritisch, da sie befürchten, dass die Kinder aufgrund von Gruppenzwang womöglich keine freien und unabhängigen Entscheidungen treffen könnten. Der Bundeselternrat befürchtet hingegen, dass es zu Mobbing kommen könne, wenn Geimpfte nach einem Corona-Fall in der Klasse nicht in Quarantäne müssten.

Mehr zu diesen Themen und weitere Meldungen finden Sie jederzeit aktuell in unserem Coronavirus-Ticker.


Warum gibt es bei Kindern seltener schwere Fälle?

Schaut man auf die aktuellen Corona-Zahlen in den verschiedenen Altersgruppen, dann sieht man, dass sich das Infektionsgeschehen aktuell hauptsächlich bei jüngeren Menschen abspielt. Vor allen Dingen die Altersgruppe 15 bis 24 Jahre sticht da hervor: Bei den 15 bis 19-Jährigen liegt die Inzidenz bei 86,87. Bei den 20 bis 24-Jährigen sogar bei 94,05. Doch auch bei null bis vier Jahren liegt die Inzidenz bei 30,97. Warum aber gibt es gerade bei diesen ganz jungen Menschen nur selten schwere Fälle und zumindest in Hessen noch keinen einzigen Todesfall (das gilt in Hessen übrigens von null bis 14 Jahre)?

Die Antwort könnten Forschende aus Berlin und Heidelberg gefunden haben: Sie untersuchten dafür Zellen der Nasenschleimhaut und analysierten dann unter anderem die Aktivität bestimmter Gene in den einzelnen Zellen. Dabei zeigte sich, dass ein System des Körpers, mit dem er Viren schnell bekämpfen kann, bei den Kindern in den Zellen der oberen Atemwege und in bestimmten Zellen des Immunsystems aktiver war als bei den Erwachsenen. Ausführlich kann man das hier nachlesen. Die gute Nachricht für Erwachsene ist dabei: Diese Erkenntnisse könnten bei der Entwicklung von Medikamenten gegen das Virus helfen.


Warum landen Geimpfte trotzdem mit Covid-19 im Krankenhaus?

Kommen wir jetzt noch zum Thema Impfdurchbrüche: Als Impfdurchbruch bezeichnet man es, wenn jemand trotz Impfung sich mit dem Corona-Virus infiziert und womöglich sogar im Krankenhaus landet. Im schlimmsten Fall sogar mit einem schweren Verlauf.

Dass dies möglich ist, wissen wir und das wurde auch immer so kommuniziert: Die Impfungen schützen nicht zu 100 Prozent vor einer Infektion, sind aber sehr wirksam beim Schutz vor schweren Verläufen. "Sehr wirksam" heißt aber nicht "zu 100 Prozent" und so findet man auch auf den Intensivstationen Geimpfte - jedoch sehr viel mehr Ungeimpfte. Bundesweit ist etwa jeder zehnte Corona-Patient in einer Klinik vollständig geimpft.

Impfdurchbrüche passieren meistens dann, wenn jemand generell ein schwaches Immunsystem hat. Also bei Menschen mit Vorerkrankungen oder älteren Menschen. Mehr dazu finden Sie in diesem Artikel vom Deutschlandfunk. Und beim ZDF finden Sie ein "Fragen und Antworten"-Dokument zum Thema Impfdurchbrüche.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte in einem Interview mit der Funke Mediengruppe: "Durchbruchinfektionen ereignen sich bei Personen, deren Corona-Impfung länger als sechs Monate zurückliegt." Er zeigte sich auch besorgt über mögliche Folgen solcher Impfdurchbrüche: "Laut einer neuen Studie kommt es bei 19 Prozent der Menschen mit Impfdurchbrüchen zu einem Long-Covid-Problem."

Deswegen ist momentan eine dritte Impfung nach sechs Monaten im Gespräch. Und während Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine Auffrischung für alle Bürgerinnen und Bürger erwägt, hält der Virologe Christian Drosten eine flächendeckende dritte Impfung für unnötig. Eine Ausnahme bildeten bestimmte Risikopatienten sowie ältere Menschen. Die WHO hingegen ist - aktuell - generell gegen eine dritte Impfung. Erst sollten die am meistgefährdeten Menschen weltweit zwei Dosen erhalten, bevor die vollständig geimpften Menschen eine Auffrischungsimpfung bekommen - und davon sind wir noch weit entfernt.

Ich hatte ja schon am Anfang erwähnt, dass ich heute eine Menge für Sie parat habe. Aber aus Platzgründen nur noch kurz diese drei Themen:
Kuriose Geschichte: In Schwaben wurde eine Neunjährige in einem Impfzentrum geimpft. Gegen den Arzt wurde ermittelt, das Verfahren jetzt aber eingestellt. Schuld war wohl ein Scherz des Vaters. Wie gesagt: Sehr kurios.Die hessischen Impfzentren werden Ende September geschlossen. Das stößt bei vielen, vor allen Dingen mit Blick auf die anstehenden dritten Impfungen, auf Unverständnis. Schaut man sich aber die Kosten für so ein Impfzentrum an, dann kann man diesen Schritt doch irgendwie nachvollziehen...Während bei uns die Sieben-Tage-Inzidenz über 50 ist und das Leben trotzdem mehr oder weniger einfach so weiter geht, fackelt man in Neuseeland nicht lange: Nach einem (!) Covid-Fall wurde dort diese Woche ein landesweiter Lockdown verhängt.