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Kategorie: Alltag
ndrkinderDie 7. Europäische Woche des Sports findet vom 23. bis 30. September statt: Mitmachen! Teil 1

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main – Die „Europäische Woche des Sport“ bewegt Frankfurt am Main und die Stadt Frankfurt will alle diejenigen bewegen, die entweder sich von selbst nicht bewegen oder diejenigen, die besonders geeignet sind, andere zur Bewegung ‚zu verführen‘ oder sie direkt in Sportübungen zu führen. Was in Frankfurt alles los ist, werden die nächsten Artikel aufzeigen. Hier wollen wir darlegen, weshalb einige Redaktionskollegen an der Pressekonferenz des SPORTKREISES FRANKFURT teilgenommen haben, also begründen, warum wir diese Woche des europäischen Sports als Auftakt für noch mehr Bewegen so wichtig nehmen!

Zuerst einmal muß man ausdrücklich betonen, wie inhaltsreich und ausgesprochen mit Niveau diese Pressekonferenz in der 4. Etage von My Zeil ablief, direkt vor dem Kinopalast ASTOR, der endlich wieder Filme zeigen kann. In der 4. Etage ist auch der Freßtempel dieses gewaltigen Einkaufszentrum mitten in der Stadt. Ja, stimmt, Trinktempel auch. Und Essen und Trinken bringen Kalorien mit sich, zu viel Kalorien für die meisten. Also, überlegten wir, während wir den Ausführungen der Fachkundigen lauschten, eigentlich müßte gleich hier in der 4. Etage eine öffentliche Sportanlage sein, ein Fitneßbereich, wo man vorher oder nachher sich heftig bewegen kann oder muß. Aber das wäre viel zu teuer, eine Einrichtung für jedermann, ohne Eintritt, bei einem so teuren Palast mitten auf der Zeil. Stimmt, es gibt dort sogar ein Fitneßcenter, aber ein privates, also eines für Mitglieder, die zahlen eh.


aerzteblatt.de kinderExtreme Zunahmen von ADIPOSITAS BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN

Warum ich unbedingt auch selber bei dieser Pressekonferenz dabei sein wollte, hatte mit einer wissenschaftlichen Veröffentlichung zu tun, die ich gerade gelesen hatte und dernach das Gewicht von Kindern und Jugendlichen in der Coronazeit überproportional zugenommen hatten. Doppelt: sie hatten an Kilos zugenommen und sie hatten noch stärker zugenommen, als es die Erwachsenen auch getan haben.

Das hat bei mir einen Schock verursacht. Sowieso bemitleide ich heutige Kinder, wie sie in ihrer Kindheit auf Innenräume und durch die Eltern möglich gemachte Spiel- und Begegnungsstätten angewiesen sind. Ich gehöre noch der Generation an, die auf der Straße groß wurde. Wie das heute klingt! Nein, nicht obdachlos, sondern umgedreht. Wir hatten ein wunderbares Zuhause und wir mußten auch immer erst die Hausaufgaben machen, aber dann durften wir raus. Raus auf die Straße, das war einfach grenzenlose Freiheit. Dabei waren wir ja gleichzeitig alle brav. Da mußte sich niemand auf Elternseite Sorgen machen. Ich erinnere mich noch an die Polizistentochter von schräg gegenüber und den Sohn vom Kinderarzt, dann die Kleinere, deren Mutter alleinerziehend war, ein Wort, das wir nicht kannten, die hatte eben keinen Vater, nur eine Mutter, und so kam eine ganze Gruppe von Kindern der Gegend zusammen, die mir heute erst klar machen, wie ‚gemischt‘ wir waren, also nicht nur Jungen und Mädchen, sondern auch Kinder aller sozialen Schichten, die zusammen spielten. Aus was bestanden die Spiele? Aus sehr viel Laufen. Das weiß ich noch genau. Es war in der Gegend des Holzhausenparks, den wir zum Verstecken und zum Wettlauf, zu Ballspielen, auch Feerball, und zu so vielen Bewegungsmöglichkeiten nutzten.

Außerdem hatten wir angeblich Sportunterricht in der Grundschule, der Holzhausenschule. Doch der fiel genau wie die Musikstunden dauernd aus. Aber in der Pause rannten wir, tobten über den Schulhof. Und dann gab es einmal in der Woche SCHWIMMEN oder alle 14 Tage, auf jeden Fall war uns das ein Fest. Außerdem sind wir als Familie an den Wochenende wandern gewesen, im Wispertal, im Odenwald und Spessart. Also war ständig Bewegung angesagt, von dem Laufen in der Stadt ganz abgesehen. Damals liefen wir über einen Kilometer ins Gymnasium, liefen in die Stadt, ganz selten fuhren wir. Es war rundherum ein anderes Leben, was einen in Bewegung hielt. Meiner Erinnerung nach gab es auch keine richtig dicken Kinder, nur manche mit Babyspeck.

Heute haben wir eine andere Zeit. Kinder wachsen anders auf. Ihre persönliche Situation ist im Gegensatz zu früheren Jahren, wo sie also auf der Straße mit anderen Kindern zu tun hatten, heute allein abhängig von ihrer sozialen Lage. Das bedeutet für Ärmere in den Zeiten von Corona, daß sie in den meist sehr kleinen Wohnungen eingeschlossen waren, kaum Kinderkontakte , überhaupt keine Bewegung hatten – in solcher Situation ist immer ein Ausweg, eine Belohnung: Essen. Das wissen auch Erwachsene.


zdf.kinderES KOMMT NOCH SCHLIMMER: Kinderärzte und psychosoziale Einrichtungen warnen vor den Folgen von Corona für die Psyche von Kindern

Am selben Abend sah ich eine Sendung, die von den seelischen Problemen handelte, die Kinder innerhalb der Coronazeiten entwickeln, die so vielfältig sind, daß ich sie hier nicht aufzählen kann. Kinder entwickeln vor allem Ängste, was völlig einsichtig ist, denn wir leben alle seit der Pandemie in Angst, weniger und mehr. Angst vor Ansteckung, Angst vor Isolation, Angst vor der Angst. Wir waren eine Angstgesellschaft und ‚waren‘ kann ich nur deshalb sagen, weil die bevorstehende Bundestagswahl am nächsten Sonntag neue, in der Gesellschaft massiv diskutierte Themen auf den Tisch brachte: soziale Gerechtigkeit in erster Linie, Klimaschutz in zweiter....und erst dann kommt Corona, was über eineinhalb Jahre Hauptthema war – und natürlich haben auch soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz mit Angst zu tun, aber auf einer anderen Ebene.

Nun haben Erwachsene stärker als Kinder die Möglichkeit, sich ihrer Ängste bewußt zu werden und sie auf Ursachen zurückzuführen. ‚Stärker‘ heißt hierbei, daß es natürlich auch Erwachsene gibt, die entweder ihren Ängsten ausgeliefert sind, sie rationalisieren oder negieren, Verschwörungstheorien anhängen, um diese fälschlich als Beruhigungsargument für sich zu nutzen. Kinder aber sind ihren Ängsten ohne jeglichen Schutz ausgeliefert – und sie wissen noch nicht einmal, daß das, was sie empfinden, Angst ist. Und es ist nicht nur Angst. Es ist auch Mißtrauen, es ist Gewalterfahrung – elterliche Gewalt, auch Mißbrauch haben in den Zeiten von Corona zugenommen - , es ist Einsamkeit, es ist Hilflosigkeit, es ist Autoaggression, die alle zusammen zu ganz verschiedenen Reaktionen bei Kindern führen, die sich selbst nicht zu helfen wissen.

Es gab immer wieder Zeiten, in denen Kinder ihre Kindheit nicht ‚normal‘ verbringen konnten. Die Kriegs- und Nachkriegszeiten gehören dazu. Auch diese Zeiten waren traumatisch, konnten aber durch sehr viele Umstände zum großen Teil verarbeitet werden. Und Kinder lebten selbst in diesen Zeiten frei. Da muß man sich nur die Filme anschauen, in denen Kinder, hier vor allem Jungen, auf den Trümmergrundstücken spielten. Das soll keine nachträgliche Romantisierung oder Vernachlässigung der damaligen Probleme sein, aber die Kinder waren wenigsten zusammen, wie ich schrieb, zudem die Kinder verschiedener sozialer Schichten und sie waren an der Luft, in Bewegung.

Ich habe bisher die Sportvereine und Sportmöglichkeiten draußen gelassen, weil diese eh täglich und herausgehoben innerhalb der WOCHE DES EUROPÄISCHEN SPORTS zum Zuge kommen. Sie sind für Bewegung, für Körperertüchtigung und körperliche Leistungen und auch für ein soziales Klima des Miteinander zuständig, nicht aber für Therapien, die ADIPOSITAS und KRANKE PSYCHE benötigen. Dafür gibt es bisher noch keine öffentliche Einrichtung, die alles zusammenfaßt. Hier kommt die Stadt Frankfurt ins Spiel, die diese Querschnittsaufgabe an sich ziehen sollte. Einmal, weil sonst keiner zuständig ist, zum Zweiten, weil es um ihre Bewohner geht, für die die Stadt zuständig ist.


Dazu wäre als erstes eine Bestandsaufnahme nötig, für die die Stadt Frankfurt
Lehrer und Lehrerinnen in den Schulen
Kinderärzte
Psychosoziale Einrichtungen
und sonstige Fachleute
zusammenzuholen müßte. Maßnahmen, die sehr stark den Sportunterricht und die Sportvereine betreffen, könnten dort entwickelt werden und die Durchführungsmodalitäten mitbestimmen.


Das Wichtigste

Das Wichtigste aber bleibt, die entsprechende Klientel, die hilfebedürftigen Kinder, die und deren Eltern nicht immer wissen, daß sie Hilfe brauchen, zu erfassen und sie zum Mitmachen in einem städtischen Programm zu motivieren.

Denn leider sind die staunenswerten reichen Angebote, insbesondere das Familiensportfest am 25. September, meist nur denen bekannt, bzw. fühlen sich nur die angesprochen, die eh eine Affinität zu Sportvereinen oder sonstigen sportlichen Aktivitäten haben. Das Entscheidende aber ist, mit denjenigen, die sich bisher nicht angesprochen fühlen, bzw. Vereinsarbeit und Sport fernstehen, ins Gespräch zu kommen und die Eltern bedürftiger Kinder, bei Jugendlichen auch sie selber, für ein Mitmachen ins noch zu planenden Therapieangeboten zu begeistern.

Fortsetzung folgt

Fotos:
©ndr.de
©aerzteblatt.de
©zdf.de


Info:
Europäische Woche des Sports vom 23. bis 30. September
www.sportkreis-frankfurt.de
w
ww.beactive-frankfurt.de
www.frankfurter-familiensportfest.de