baustoffverbundVeröffentlichungen des Paritätischen Gesamtverbandes, Berlin, Teil 131

Der Paritätische

Berlin (Weltexpresso) - Vor dem Hintergrund einer möglichen weiteren Einschränkung der Gaslieferungen durch Russland hat die Bundesregierung zwei Verordnungen mit kurz- und mittelfristigen Energieeinsparmaßnahmen im Gebäudebereich auf den Weg gebracht, um die Versorgungssicherheit in Deutschland sicherzustellen. Im Rahmen einer Verbändeanhörung nahm der Paritätische Stellung zu den Entwürfen.

Die Kurzfristenergiesicherungsverordnung (EnSikuV) sowie die Mittelfristenergiesicherungsverordnung (EnSimiV) sollen am kommenden Mittwoch vom Kabinett verabschiedet werden. Im Rahmen einer Verbändeanhörung am 18. August nahm der Paritätische zu den Entwürfen aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Stellung.

Die Verordnungen fokussieren auf kurzfristig und mittelfristig wirksame Einspar-Maßnahmen im Gebäudebereich und sollen für eine Reduzierung des deutschen Gasverbrauchs um rund 2 Prozent sowie zu weiteren Einsparungen beim Stromverbrauch führen.

Die Kurzfristenergiesicherungsverordnung soll am 1. September in Kraft und mit Ablauf des 28. Februar 2023 außer Kraft treten und umfasst folgende Maßnahmen:

Maßnahmen zur Energieeinsparung in Privathaushalten

- Fakultative Temperaturabsenkung durch Mieter: Unwirksamkeit von Mindesttemperaturklauseln in Mietverträgen (§3)
- Verbot der Nutzung von Gas oder Strom zum Beheizen privater Pools (§4)


Maßnahmen zur Energieeinsparung in öffentlichen Gebäuden

- Verbot der Beheizung von Gemeinschaftsflächen (§ 5)
- Höchsttemperatur für öffentliche Arbeitsstätten (§ 6)
- Trinkwassererwärmungsanlagen in öffentlichen Nichtwohngebäuden (§ 7)
- Beleuchtung öffentlicher Gebäude und Denkmäler (§ 8)

Maßnahmen zur Energieeinsparung in Unternehmen

- Einführung einer Pflicht zur Information über Preissteigerungen für Versorger und Vermieter (§9)
- Ladentüren und Eingangssysteme im Einzelhandel (§ 10)
- Nutzungseinschränkung beleuchteter Werbeanlagen (§ 11)
- Mindestwerte der Lufttemperatur für Arbeitsräume in Arbeitsstätten (§ 12)

Die Mittelfristenergiesicherungsverordnung soll am 1. Oktober in Kraft und am 30. September 2024 außer Kraft treten und umfasst folgende Maßnahmen:

Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz von Heizungsanlagen

- Effiziente Einstellung der Heizungsanlage mit Nachweis durch eine Heizungsprüfung und ggfls. erfolgte nicht investive Nachbesserungs-Maßnahmen (§ 2)
- Hydraulischer Abgleich und weitere Maßnahmen zur Heizungsoptimierung in großen Nichtwohngebäuden mit Gaszentralheizungssystemen (§ 3)
- Pumpentausch (§ 4)

Maßnahmen zur Energieeinsparung in der Wirtschaft

Umsetzung wirtschaftlicher Energieeffizienzmaßnahmen in Unternehmen im Rahmen eines Energie- oder Umweltmanagementsystems (§ 5)

Der Paritätische begrüßt die Anstrengungen der Bundesregierung, im Gebäudesektor Maßnahmen umzusetzen, um kurz- und mittelfristig Energie einzusparen.

Insbesondere wird durch das Verbot der Nutzung bestimmter Heizungsarten für private, nicht gewerbliche Pools ein aus sozialer Perspektive sinnvoller Hebel zur Energieeinsparung in Privathaushalten genutzt. Weitere Maßnahmen wie die Nutzungseinschränkung beleuchteter Werbeanlagen begrüßt der Verband nicht nur als sinnvollen Energieeinspar-Beitrag, sondern auch als sichtbare Maßnahme mit Signalwirkung.

Zu befürworten ist zudem die Verpflichtung von Gasversorgern und Besitzer*innen größerer Wohngebäude zur frühzeitigen Auskunft von Kund*innen bzw. Mieter*innen über den erwarteten Energieverbrauch, dessen Kosten im vergangenen Jahr im Vergleich mit voraussichtlichen Energiekosten für die aktuelle Heizperiode sowie Informationen zu Einsparmöglichkeiten.

Der Verband kritsiert, dass das Potential für Energieeinsparungen einkommensarmer Haushalte durch die Förderung eines Umstiegs auf energieeffiziente Geräte nicht genutzt wird. Sowohl aus sozialer, klimapolitischer als auch energiepolitischer Perspektive ist die Übernahme der Kosten für einmalige Leistungen wie moderne, effiziente Kühlschränke im SGB XII und SGB II angezeigt, sowie einkommensabhängige Zuschüsse für den Ersatz alter Geräte durch neue für Wohngeldberechtigte und Geringverdiener*innen zielführend.

Bei den Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz von Heizungsumlagen ist unbedingt darauf zu achten, dass Vermieter*innen die Kosten nicht an Mieter*innen weitergeben können. Weiter sind gemeinnützige soziale Einrichtungen auf die Refinanzierung durch die Kostenträger angewiesen, da sie keine Überschüsse erwirtschaften, aus denen die Maßnahmen finanziert werden könnten.

Bei vielen Energieeinsparmaßnahmen handelt es sich um langfristig sinnvolle Beiträge zur Bewältigung der Klimakrise. Insofern hält es der Paritätische für angezeigt, dass die mit den Verordnungen beschlossenen Maßnahmen nicht ohne Weiteres am 28. Februar 2022 bzw. 1. Oktober 2024 außer Kraft treten, sondern durch eine Evaluation begleitet werden, mit dem Zweck zielführende Maßnahmen über das Ende der Verordnungen hinaus zu verlängern.

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