youtube.kundigungVeröffentlichungen des Paritätischen Gesamtverbandes, Berlin, Teil 170

Der Paritätische

Berlin(Weltexpresso) - In einem offenen Brief an Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann fordern verschiedene Organisationen die Umsetzung eines effektiven Kündigungsschutzes, um den Verlust von Wohnraum zu sichern. Konkret geht es um die Möglichkeit der Heilung ordentlicher Kündigungen, wenn alle Mietschulden beglichen sind. Der Paritätische Gesamtverband ist Mitzeichner des Briefs.

Offener Brief: Wohnungen sichern durch effektiven Kündigungsschutz

Sehr geehrter Herr Minister Dr. Buschmann,

bei den aktuellen Überlegungen zur Verbraucherentlastung müssen die Mieter*innen besonders in den Blick genommen werden. Bereits jetzt zeichnen sich hohe Sprünge bei den Warmwasser‐ und Heizkosten ab, die die Zahlungskraft dieser Menschen in wenigen Monaten zusätzlich stark beeinträchtigen werden. In diesem Zusammenhang ist die sogenannte Zahlungsverzugskündigung eines der brisantesten wohnungspolitischen Problemfelder.

Mietschulden gezahlt – Wohnung trotzdem verloren. Das darf nicht sein!

Wenn Mietzahlungen von Mieter*innen (teilweise) ausbleiben, wird von Vermieterseite regelmäßig sowohl eine fristlose als auch hilfsweise eine fristgerechte Kündigung ausgesprochen.

Die bestehende gesetzliche Regelung gibt den Mieter*innen die Möglichkeit, innerhalb einer Schonfrist von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage den gesamten Mietrückstand auszugleichen und die fristlose Kündigung des Mietvertrages so unwirksam zu machen. Damit sollen die Mieter*innen trotz kurzzeitiger Zahlungsschwierigkeiten ihre Wohnung sichern können und gleichzeitig die Interessen der Vermieter*innen gewahrt werden.

Diese „Heilung“ wirkt sich nach aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch nur auf die fristlose Kündigung aus. Eine zugleich hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung, die auf dem gleichen Zahlungsrückstand beruht, bleibt hingegen wirksam.

Besonders in angespannten Wohnungsmärkten wird häufig wegen höherer Wiedervermietungsmieten von Vermieter*innen jede Möglichkeit genutzt, den Mietvertrag zu kündigen. Hierdurch geraten Personen, die in Zahlungsschwierigkeiten sind, unter den enormen Druck drohender Wohnungslosigkeit.

Ein Mietrückstand kann aber auch die Folge berechtigter Streitigkeiten um Mietminderungen, Mieterhöhungen nach Modernisierung oder Nachzahlungen von Betriebskosten sein. Die Kündigungsdrohung verschiebt solche Konflikte einseitig zu Lasten der betroffenen Mieter*innen. Darüber hinaus hebelt diese Rechtslage die sozialrechtlichen Schutzvorschriften zur Verhinderung von Obdachlosigkeit aus. Denn Mieter*innen können von den Sozialleistungsbehörden die Übernahme ihrer Mietschulden nur verlangen, wenn dadurch Wohnungslosigkeit vermieden wird. Da die Nachzahlung eine fristgerechte Zahlungsverzugskündigung aber nicht heilen kann, verweigern die Sozialleistungsbehörden regelmäßig die Übernahme von Mietschulden.

Ein effektiver Kündigungsschutz ist dringend nötig

Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dieses Problem zu lösen. Durch Inflation und Energiekostenexplosion steigen die finanziellen Herausforderungen für Mieter*innen erheblich. Es wird vermehrt zu Mietrückständen kommen und betroffene Mieter*innen werden die dann drohenden Zahlungsverzugskündigungen nicht heilen können. Wenn dann aufgrund möglicherweise nur kurzfristiger finanzieller Engpässe das Mietverhältnis dauerhaft verloren ist, droht vielen Menschen die Wohnungslosigkeit. Das hätte ernste soziale Probleme für die ganze Gesellschaft zur Folge.

Handeln Sie schnell! Stellen Sie gesetzlich klar, dass sich die „Heilungswirkung“ bei Begleichung aller Mietschulden auch auf die ordentliche Kündigung erstreckt. Der vergangene Wahlkampf hat bewiesen, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen und das Mietrechtzu den wichtigsten politischen Themen gehören. Die bereits vorliegenden Bundesratsinitiativen aus Hamburg, Brandenburg und Berlin könnten hierfür aufgegriffen werden.

Mit erwartungsvollen Grüßen

Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen Berlin
Berliner Mieterverein
Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe
Der Paritätische Gesamtverband
Deutscher Gewerkschaftsbund
Deutscher Mieterbund
Deutscher Mieterbund NRW
Evangelischer Bundesfachverband Existenzsicherung und Teilhabe
Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe
Katholische Bundes-Arbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe
im Deutschen Caritasverband
Mieter helfen Mietern – Hamburger Mieterverein
Mieter helfen Mietern – Münchner Mieterverein
Mieter helfen Mietern – Nürnberger MieterInnengemeinschaft
Mieter/-innen-Schutzverein Münster und Umgebung
Mieterbund Darmstadt Region Südhessen
Mieterladen Hannover
Mieterverein Bochum, Hattingen und Umgegend
Mieterverein Dortmund und Umgebung
Netzwerk Mieten & Wohnen
Neue Richtervereinigung
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
Straßenmagazin bodo in Dortmund und Bochum

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Offener Brief: Wohnungen sichern durch effektiven Kündigungsschutz (472 KB)
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