gesundheit fur BillstedtHornVeröffentlichungen des Paritätischen Gesamtverbandes, Berlin, Teil 225

Der Paritätische

Berlin (Weltexpresso) - Am 18.11.2022 hat der Vorstand des Paritätischen Gesamtverbandes Eckpunkte zum von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Lauterbach vorgelegten Konzept der Gesundheitskioske beschlossen und darin deutliche Kritikpunkte und offene Umsetzungsfragen formuliert.

Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, in der kommenden Legislatur niedrigschwellige Beratungsangebote für die Behandlung und Prävention in besonders benachteiligten Kommunen und Stadtteilen zu errichten. Konkret befinden sich hierfür nun sogenannte "Gesundheitskioske" im Gespräch, 1000 dieser Kioske sollen im gesamten Bundesgebiet entstehen. Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat hierfür erste Eckpunkte für ein mögliches Rollout vorgestellt. Ausgangspunkt der Überlegungen ist der bundesweit erste Gesundheitskiosk im Hamburger Stadtteil Billstedt-Horn, der von 2017-2020 durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefördert wurde. Der G-BA sprach sich im Februar 2022 für eine Überführung der im Hamburger Innovationsprojekt erprobten Versorgungsformen in die Regelversorgung aus – ein Auftrag, dem sich die Bundesregierung nun widmen möchte.

Gesundheitskioske sollen in sozial benachteiligten Kommunen und Stadtteilen als erste Anlaufstelle der Sozial- und Gesundheitsberatung dienen. Als solche sollen sie an die hohen Bedarfe an den Schnittstellen zur ambulanten ärztlichen Primärversorgung sowie den klinischen Notaufnahmen anknüpfen. Die Vernetzung mit kommunalen Akteur*innen im Sozial- und Gesundheitswesen soll eine sozialraumorientierte, integrierte und sektorenübergreifende Versorgung fördern. Gesundheitskioske sollen niedrigschwellig ausgerichtet sein und dadurch von Nutzenden aus eigener Initiative ohne größere Hürden aufgesucht werden können. Ebenso können Nutzende von sozialen Einrichtungen an einen Kiosk vermittelt bzw. durch behandelnde Ärzt*innen dorthin überwiesen werden (i. S. d. „Social Prescribing“) und umgekehrt. Den Gesundheitskiosken soll damit eine wichtige Lotsenfunktion im Sozialraum zukommen.

Gesundheit entsteht dort, wo Menschen spielen, lernen, arbeiten und lieben (WHO Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung, 1986). Das Ziel, die sozial bedingte Ungleichheit von Gesundheitschancen durch den Aufbau integrierter, niedrigschwelliger und wohnortnaher Beratungs- und Versorgungsstrukturen abzubauen, begrüßt der Paritätische daher im Grundsatz. Gemeinwohlorientierte Strukturen und Angebote gehören zur wohlfahrtspflegerischen Identität, Selbstverpflichtung und Aufgabe des Paritätischen. Der Paritätische setzt beim Ausbau und der Weiterentwicklung sozialer Dienste grundsätzlich auf konzeptionelle Lebensweltorientierung und Angebotsvielfalt. Die Entwicklungen von Angeboten zusammen mit den relevanten Akteur*innen vor Ort – inklusive der Selbsthilfe – gewährt, dass Konzepte tatsächlich an den jeweiligen Bedarfen ausgerichtet sind und vermag Synergien im Zusammenwirken der Akteur*innen zu schaffen. Auch die vom Bund angestoßenen Gesundheitskioske sollten daher so viel konzeptionelle Freiheit wie möglich erlauben und die Einbeziehung vorhandener Angebote und Initiativen obligatorisch machen. Sofern das Initiativrecht der Kommunen zur Errichtung von Gesundheitskiosken oder vergleichbaren Angeboten auch auf zivilgesellschaftliche Akteur*innen übertragbar sein soll, ist freigemeinnützigen Trägern im Sinne des Subsidiaritätsprinzips Vorrang einzuräumen. Rein gewinnorientierte Angebote sind gänzlich von der Förderung auszuschließen.

Um gesundheitliche Chancengleichheit umfassend zu ermöglichen, bedarf es neben einer notwendigen gemeinwohl-, diversitäts- und psychosozial orientierten Primärversorgung jedoch insbesondere auch der kritischen Evaluation politischer Entscheidungen sowie deren Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung entsprechend eines bio-psycho-sozialen Gesundheitsverständnisses (Health in All Policies-Ansatz). So bleiben die verantwortlichen Akteur*innen nach wie vor in der Pflicht, für die ambulante wie auch die stationäre medizinische Regelversorgung Rahmenbedingungen zu schaffen, die insbesondere sozial benachteiligten Menschen mit komplexen gesundheitlichen und psychosozialen Unterstützungsbedarfen sowie strukturellen Zugangsbarrieren gerecht werden. Dies ist mit dem Aufbau von Gesundheitskiosken allein nicht getan.

Die vollständigen Paritätischen Eckpunkte zum Konzept der Gesundheitskioske sind der Fachinformation als Anlage beigefügt.

Dokumente zum Download

2022-12-01_Eckpunkte_Gesundheitskioske_Parität_final.pdf (117 KB)
https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/2022-12-01_Eckpunkte_Gesundheitskioske_Parit%C3%A4t_final.pdf

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