berl19 kanadaBERLINALE 2019: Der Wettbewerb, Teil 11

Claus Wecker

Berlin (Weltexpresso) – Ein kleiner Ort in Quebec. 215 Bewohner sind noch geblieben, seitdem das nahegelegene Bergwerk zugemacht hat. Die Siedlung ist dem Untergang geweiht, aber die Bürgermeisterin will es nicht wahrhaben. Sie verbreitet Optimismus, auch als es den Einwohnern immer unheimlicher wird. Denn nachdem der junge Simon mit seinem Auto von der Straße abgekommen ist und den Tod gefunden hat, breitet sich eine beklemmende Atmosphäre im Ort aus.

Simon ist begraben, doch er ist nicht zur Ruhe gekommen. Immer wieder scheint er aufzutauchen und mit ihm andere Tote. Im Hintergrund sind ihre Silhouetten zu sehen. Stumm beobachten sie die Lebenden, und von den Lebenden werden sie mit einer Mischung aus Erstaunen und Furcht wahrgenommen. Passive Zombies, die den kanadischen Winter noch en wenig ungemütlicher machen. Eine Expertin reist an und kann den Fall auch nicht lösen.

Es ist ein merkwürdiges Werk, das Denis Cotê da im Wettbewerb der Berlinale vorlegt. Ein Horrorfilm, dem es an Spannung fehlt. Nach einer halben Stunde fragt man sich, wohin die Reise gehen soll. DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN steht natürlich Pate, aber der Nervenkitzel ist dem Film entzogen wie das Blut den Leichen. Es geht mehr um die Lebenden in Cotês Film, darum, was von ihrem Leben übrig bleibt.

Wenn man will, kann man von einem existentialistischen Horrorfilm sprechen. Man kann RÉPERTOIRE DES VILLES DISPARUES aber auch einfach einen ungewöhnlichen Genrefilm nennen, der sich dem Horror-Genre verweigert und mit einem kleineren Bildformat als dem üblich gewordenen CinemaScope zufrieden gibt.

Auf die Frage, wie dieser ungewöhnliche 16mm-Film, an dessen Herstellung kein deutscher Fernsehsender beteiligt war, in den Wettbewerb eingeladen wurde, kam heraus, dass Denis Cotê ein alter Bekannter im Forum und Wettbewerb und auch schon ein Alfred-Bauer-Preisträger ist.  Mit der Terminierung der Pressevorstellung am Montagmorgen um 8.30 Uhr hat ihn die Festivalleitung dann aber doch an den Rand geschoben.

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