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Kategorie: Bücher

Verleihung des Deutschen Buchpreises 2012 im Frankfurter Römer an Ursula Krechel

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Mag ja sein, daß auch andere das spannend finden, wer von den sechs Autoren, die in die Endauswahl kamen, nun traditionell am Vorabend der Buchmesse in einer Feierstunde im Kaisersaal des Frankfurter Römer den Buchpreis erhält. Aber wer im Römer dabei ist, der findet das noch spannender, einfach weil es spannend gemacht wird, wenn die einzelnen Kandidaten vorgestellt werden und die Jury wirklich dicht hält und man erst nach der Rede von Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, erfährt wer Sieger ist und neben der Ehre die 25 000 Preisgeld erhält.

 

Inzwischen ist der Deutsche Buchpreis auch deshalb so etabliert, weil die seit dem Jahr 2005 eine schöne und spannende Preisverleihung ist, auf der es manche Überraschungen gibt. Auch diesmal ist das Feld sehr disparat. Da ist nur eine Frau dabei, aber ihr Roman ist der politischste, weil sie das westliche Nachkriegsdeutschland so nach-nazistisch bringt, wie es wirklich wahr, aber der gegen die DDR intern homogene gesellschaftliche Kern der Bundesrepublik es nie wahrhaben wollte. Dann kommen drei Autoren aus nur einem Verlag, dem Suhrkamp Verlag. Ein schon alter Autor hat ein liebenswertes Buch geschrieben, das etwas schräg und skurril gar nicht nach deutschem Roman klingt und noch einmal übertroffen wird von „Sand“, einem wie ein Drehbuch verfaßten Reise-Krimi-Phantastische-Literatur-Buch.

 

Gekommen sind die Verleger, da sieht man Jürgen Bach, Seemann Henschel, Sabine Dörlemann, Dörlemann Verlag, Raimund Fellinger, Suhrkamp Verlag und seine Chefin Ulla Unseld-Berkéwicz, Hauke Hückstädt vom Literaturhaus Frankfurt, Ruth Geiger, Diogenes, die das Haupt der Presse dort ist, Christina Knecht in derselben Funktion im Hanser Verlag, dessen Verleger Michael Krüger sicher gerne wieder einen Buchpreisträger hätte, aber keinen in der Auswahl hat, KD Wolff, Klaus und Nina Wagenbach und Chefin Susanne Schüssler, Klaus-Dieter Lehmann vom Goethe-Institut, die Frankfurter Riege von wichtigen Leuten, und vor allem die sechs Nominierten: Ernst Augustin, Wolfgang Herrndorf, Ursula Krechel, Clemens J. Setz, Stephan Thome und Ulf Erdmann Ziegler.

 

Für Augustin spräche sein Alter und solch ein poetisch-hintersinniges Buch als Alterswerk. Für Herrndorf, der schon den diesjährigen Preis der Leipziger Buchmesse erhalten hatte, sein so ungewöhnliches Sujet, für Ursula Krechel die ernsthafte Auseinandersetzung mit einem bösen Teil der Geschichte der beginnenden Bundesrepublik und gleichzeitig dem Verhängnis, das jemanden trifft, wenn er um sein Leben betrogen worden ist, Clemens J. Setz hat sich vergaloppiert, Stephan Thome sollte mal jüngere Leute in seinen Romanen räsonieren und leben lassen und Ulf Erdmann Ziegler will viel auf einmal.

 

Als mit Ursula Krechel und ihren Roman LANDGERICHT aus dem Verlag Jung und Jung aus Salzburg die Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2012 auf der Bühne steht, kann wirklich keiner etwas dagegen sagen. Es ist zwar etwas auffällig, wie auf die 'Ost-Geschichte' vom letzten Jahr, Eugen Ruges IN ZEITEN DES ABNEHMENDEN LCHTS aus dem Rowohlt Verlag und 360 000 Auflage, nun eine Westgeschichte vom Anfang der Bundesrepublik kommt, aber wichtiger ist, daß Ursula Krechel nichts Redundantes bringt, sondern ihr Thema frisch ist, weil die Nachkriegszeit der BRD bis heute in der Literatur unterbelichtet ist. Und wenn es nur die Information wäre, daß die hehre Gruppe 47 sich dafür aussprach, daß Exilanten nicht mitmachen sollten, da ihr Deutsch sich nicht lebendig gehalten habe, sondern infolge der Emigration, die ja sein mußte und das Leben rettete, antiquiert sei.

 

Ursula Krechel sprach darüber, daß sie denen eine Stimme gegeben habe, die damals untergegangen seien. Das Kunstfertige an ihrem Roman ist die Selbstverständlichkeit, mit der sie die Abläufe schildert, wie beispielsweise bei der Besetzung von beisitzenden Richtern dieser durch die Nazis abgesetzte und wiedergekommene Richter, der auch wieder eingestellt wurde, dennoch bei Verfahren wie „Entschädigung von Nazi-Opfern“ nicht mitmachen durfte, weil er ja Partei sei. Stattdessen aber alle die alten Nazi-Richter auch hier ungehindert weiter Recht sprechen durften, so als ob diese nicht in viel stärkerem Sinn Partei, oft sogar parteipolitisch Partei gewesen waren.

 

Da dies aber fast unterkühlt geschildert wird, ist die Empörung beim Leser fast noch größer, als wenn sie selbst pathetisch vom Unrecht spräche, das hier ja geschieht. Wir aber wollen auch dem Verleger Jochen Jung gratulieren. Denn der kleinere Verlag Jung und Jung aus Salzburg hat nun innerhalb von drei Jahren zweimal Frauen des Verlages zum Deutschen Buchpreis geführt. Das hat ja schon Methode und ist besonderer Erwähnung wert. Die Schweizer Autorin Melinda Nadj Abonji, eine ungarische Serbin, hatte mit TAUBEN FLIEGEN AUF im Jahr 2010 nicht nur den Deutschen Buchpreis errungen, sondern auch im November des Jahres den Schweizer Buchpreis dazuerhalten. Das kann Ursula Krechel als Deutsche nicht. Aber ansonsten kann sie sehr viel.

 

www.deutscher-buchpreis.de