c babydickJan Zerbst/Peter Zernechel als Herausgeber bei Rowohlt

Roswitha Cousin

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Bekommst Du ein Baby, oder bist Du nur dick?, ist eine der hinreißenden, weil von echtem Frageinteresse gestellte Kinderfragen, die betroffenen Eltern, das Blut ins Gesicht schießen läßt?

Warum? Weil sie sich schämen, daß ihr Kind die Wahrheit sagt und die Person - es muß eine Frau sein, sonst wird‘s auch noch komisch – diese Wahrheit nicht hören will. Es gibt ja den Allerweltssatz: KINDERMUND TUT WAHRHEIT KUND. Und dies ist die eine Motivation, aus der heraus die beiden Herausgeber Zerbst und Zernechel dies Büchlein zusammengestellt haben, das man gut und gerne auf jede Party mitnehmen kann oder auch auf eine Wanderung mit mehreren.

Entstanden ist es aus der Idee des Radiosenders ffn, der seine Hörer nach den peinlichsten Erlebnissen mit ihren Kindern befragt hat und so viele Antworten erhalten hat, daß mehrere Bücher hätten geschrieben werden können. Die beiden Herausgeber hatten nun die Qual der Wahl, die witzigsten, sie schreiben „die lustigsten Anekdoten“ herauszusuchen. Und dabei sind nun auch viele von der peinlichen Sorte, daß man am liebsten sagen möchte: „Nein, das ist nicht mein Kind. Auf gar keinen Fall.“

Und nur für letzteren Fall gilt der Untertitel „Kinder blamieren ihre Eltern.“ Es gibt ein Vorwort, in dem wir erfahren, daß das komische Kernalter zwischen drei und fünf Jahren liegt, wo die Kinder „laut und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen“ erzählen, was ihnen gerade durch den Kopf geht, wenn etwas ihr Interesse erregt.

Nun ist das Zweierlei: eine Situation zu erleben, wo gerade die Wahrheit oder die Unverschämtheit passiert – und darüber in einem Buch in gedruckter Form zu lesen. Deshalb hatte sich unsere Lust, uns in die Texte hineinzustürzen, nach kurzer Zeit einen Dämpfer bekommen. Das ist eben nicht lustig, wenn man hintereinander lustige Texte nur liest. Der Kontext machen sie erst lustig. Also, wenn man die Leute kennt und sich in die Situation hineinversetzen kann.

Das versuchen die Herausgeber, in dem sie den eigentlichen Witz in den Kontext einbetten, also eine kleine Geschichte daraus machen, die mal sehr, mal weniger witzig ist. Wenn man die erste Anekdoten liest, die von Jens handelt: „Als meine Schwester meinen Neffen vom Kindergarten abholte, bekam sie ein Gespräch zwischen einigen Kindern und einer Erzieherin mit. Diese vertrat eine kranke Kollegin, die etwas kräftiger gebaut und mit üppiger Oberweite gesegnet ist. Und so wurde die junge, schlanke Kindergärtnerin von einigen Kindern gefragt: ‚Hast Du denn auch Brüste?‘, was sie bejahte. Daraufhin die Kinder: ‚Kannst du die morgen mal mitbringen?‘“

Doch, das finden wir auch urkomisch, wobei der Witz eigentlich ein Erwachsenenwitz ist und man sich sagt, die Kleinen fangen mit Sexismus eigentlich früh an. Ist aber falsch gedacht und eher ein naturwissenschaftliches Interesse, das hier spricht. Auch in den folgenden Geschichten finden wir die Kindergedanken absolut nachvollziehbar. Als ein kleines Mädchen, das gerade die Beerdigung des einen Großvaters erlebt hatte, zum anderen Großvater sagt: „Opa, du bist ganz schön dick. So paßt du ja gar nicht in den Sarg rein.“ Oder wenn, kleine Mädchen zu den die Burka tragenden Gestalten ausrufen: „Schaut mal, Gespenster!“ Oder wenn der Vierjährige beim Anblick einer Frau in einem langen Pelzmantel fragt: „Mama, ist die Frau ein Gorilla?“

Man kann so eine Weile eine Geschichte nach der anderen lesen. Aber dann ist Schluß. Daß man sich viel mehr hintereinander reinzieht, als man wollte, liegt an der geschickten Gestalterarbeit. Höchsten zwei kleine Sachen pro Seite, mit unterschiedliche dicken Überschriften, mal fettgedruckt, mal normal, es ist sicher ein falscher Eindruck, daß uns auch die Schriftbilder der Anekdoten mit ‚normaler Schrift‘ unterschiedlich vorkamen. Auf jeden Fall ist seitens des Verlags einiges getan worden, um die Monotonie, die sich zwangsläufig beim Lesen von einer Situation nach der anderen einstellt, hinauszuzögern.

Aber der Moment kommt. Dann sollte man das Buch hinlegen und ein andermal wieder aufschlagen. Und natürlich sind nicht alle der gebotenen Texte zum Brüllen komisch. Bei manchen hat man sogar zu knabbern, warum die da stehen. Aber das ist die erste Erkenntnis, daß Humor und Witz sehr unterschiedlich empfunden werden. Die andere Erkenntnis gaben wir schon weiter: sehr gut geeignet, Gespräche in Gang zu setzen, beispielsweise uns in die Situation des Radiosenders zu versetzen. Wenn die wüßten, was die Mütter und Väter unserer Freunde da alles von sich gaben: daraus wäre glatt die Fortsetzung geworden.

Foto: Titelabbildung © Verlag

Info: Jan Zerbst/Peter Zernechel, Hg., Bekommst du ein Baby oder bist du nur fett?. Kinder blamieren ihre Eltern, rororo 63258, 2017