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Kategorie: Bücher

KrimiZEIT-Bestenliste in ZEIT und NordwestRadio für März 2013, Teil 2



Elisabeth Römer



Hamburg (Weltexpresso) – Es gibt Bücher, denen möchte man eine Liebeserklärung machen. Krimis sind vielleicht seltener darunter, aber der Platzhalter auf Nummer 1, Reginald Hill mit Rache verjährt nicht aus dem Suhrkamp Verlag ist so ein Buch, weil es unabhängig vom Einzelfall eine Grundsatzproblematik von Menschen hinreißend wiedergibt.

 

Dabei geht es um Verbrechen und Strafe sowie Rache, die man selbst beim Lesen mitempfindet, denn ihm wird übel mitgespielt, diesem Wolf Hadda, den man richtig liebgewinnt, denn man selbst geht dem Erzähler nicht auf den Leim, ja ja, am Anfang schon, wenn hier vom Kinderschänder und Hedgefondsmanager gesprochen wird und die Frage erörtert werden muß, welches Sein eigentlich schlimmer ist. Reginald Hill ist 2012 verstorben und so ist dieses letzte Werk einzuordnen wie die Letzten Bilder, die derzeit in einer Ausstellung in der Frankfurter Schirn zu sehen sind: fragile Geschöpfe, an denen man sich erfreuen darf, auf die aber nichts nachkommt.

 

Auf  Platz 2 völlig neu Dunkle Gewässer von Joe R. Lansdale aus dem Tropen Verlag, zeigt diesen vielseitigen und produktiven Erzähler der USA, einen Autor des Genre-Crossing par excellence zwischen Horror, Krimi, Western und den Jugendversionen dieser Genres. In Dunkle Gewässer erzählt er von der Flucht dreier Jugendlicher und einer Frau, die vor ihrem Ehemann abhaut, den Sabine River hinunter. May Linn ist ermordet worden. Die Helden wollen ihre Asche nach Hollywood und die Beute eines Raubüberfalls, die sie in ihrem Nachlaß gefunden haben, an sich bringen. Wie oft bei Lansdale zwingen bösartige Verfolger, Hunger und die Gefahren der Natur die vier Flüchtlinge, ihre Standpunkte zu überprüfen und dabei zu reifen oder unterzugehen. Die moderne Huck-Finn- Erzählung spielt in Ost-Texas zur Zeit der großen Depression und das nächste Mal mehr dazu.

 

Auch auf Platz 3 ist ein neuer: Raylan von Elmore Leonard aus dem Suhrkamp Verlag. US-Marshal Raylan Givens ist der Held der TV-Serie Justified, die aus einer Shortstory von Elmore Leonard entwickelt wurde. Leonard ist der Grandmaster der US-amerikanischen Kriminalschriftsteller. In diesem Roman, der lose drei Episoden aus Raylans dank sicherem Schußfinger und schnellem Reaktionsvermögen recht entspannt verlaufenen Abenteuern in den Bergbaugebieten Kentuckys verknüpft, demonstriert Leonard seine in 70 Schreibjahren erworbene Leichtigkeit, Schlagfertigkeit und Pointenkunst. „Das witzigste Buch auf der Märzliste“, meint sein Protagonist Tobias Gohlis.

 

Auf Platz 4 rückt von Platz 8 Am Abend des Mordes von Håkan Nesser, erschienen bei btb, vor. Wir erleben und erlesen viel Wehmut, Trauer und Menschlichkeit. Barbarotti ist der Kommissar, den wir schon länger begleiten. Aber in Kymlinge, diesem schwedischen Unort, wo die Polizeibeamten häufig wechseln, ist Gunnar Barbarotti eines Morgens Witwer, weil des Nachts seine Frau verstarb. Mit 47 Jahren und vielen Kindern aus den jeweiligen Ehen. Wir nehmen an seiner Trauer und an seinen Versuchen, mit ihr Kontakt aus dem Jenseits zu knüpfen, teil. Aber wir nehmen auch daran teil, daß er erst herausbekommen muß, ob der Fall, mit dem er betraut wird, aus therapeutischen Gründen auf ihn gekommen ist, oder ob da wirklich etwas zu ermitteln ist, zumal er den Kontakt mit Ellen, der wirklichen und potentiellen Mörderin nicht herstellen kann.

 

Ellen ist die Frau, die vor Jahren ihren ersten Mann mit einem Hammer erschlug und ihn zerstückelte und die Teile im Wald verstreute, dann aber schnell zugab, daß sie die Mörderin sei und ihre Strafe verbüßte, während das gemeinsame Kind bei anderen aufwächst. Oh ja, man lernt diesen Erschlagenen hassen, denn, was sich dort auf dem kleinen Hof ereignete, ist in höchstem Maße widerlich. Die Frau verbüßt ihre Strafe, geht in den Ort zurück und lebt später mit einem Mann zusammen, der eines Tages verschwindet. Nur sein Moped wird im Moor aufgefunden. Wo ist er ? Und wie ist er? Etwa tot? Wenn ja, wer ist der Mörder oder die Mörderin, denn alles spricht für Ellen, denn die hatte ja schon einmal ihren Mann umgebracht...

 

Fortsetzung folgt

KrimiZeit – die Bestenliste von ZEIT und NordwestRadio 3/2013

Lfd.

Nr.

Rang

Vor-monat

Titel

1

1

(1)

Reginald Hill: Rache verjährt nicht

Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann

Suhrkamp, 686 S., 19,95 €

London/Cumbria. Kinderschänder oder Hedgefonds-Manager – welche Anklage wiegt schwerer? Wolf Hadda, nach Fluchtversuch zum Monster verkrüppelt, geht für beides in den Knast. Nach sechs Jahren wieder frei, sinnt er auf Rache. Posthumes Wunderwerk englischer Erzählkunst. Hill ist 2012 verstorben.

2

2

(-)

Joe R. Lansdale: Dunkle Gewässer

Aus dem Englischen von Hannes Riffel

Tropen, 320 S., 19,95 €

Ost-Texas, während der Großen Depression. Nachdem May Linns Leiche im Sabine River gefunden wurde, verbrennen ihre Freunde sie und transportieren die Asche den Fluss hinab. Fernziel: Hollywood. Die wilde Flucht der Jugendlichen erinnert an die von Huck Finn und Tom Sawyer, verläuft aber grotesker und brutaler als bei Mark Twain. Lansdale eben.

3

3

(-)

Elmore Leonard: Raylan

Aus dem Englischen von Kirsten Risselmann

Suhrkamp, 308 S., 19,95 €

Kentucky. Ob Nierenhandel, Umweltverbrechen oder Schusswechsel mit einer einarmigen Transe - US-Marshal Raylan Givens bleibt stets gelassen. Mit Gleichmut und schnellem Finger sorgt er für das, was er persönlich für Gerechtigkeit hält. Wie schon in der TV-Serie Justified, jedoch im Buch viel viel abgefahrener.

4

4

(8)

Håkan Nesser: Am Abend des Mordes

Aus dem Schwedischen von Paul Berf

btb, 480 S., 19,99 €

Kymlinge. Gunnar Barbarottis Frau ist gestorben. Der trauernde Inspektor arbeitet sich ins Leben zurück. Er untersucht, ob Ellen, die vor Jahren ihren ersten Mann erschlug und zerstückelte, auch den zweiten beseitigt hat. Im letzten Barbarotti-Roman geht es um das weite Feld zwischen Tod und Leben, um Gott und ums Bessermachen.

5

5

(-)

Madison Smartt Bell: Die Farbe der Nacht

Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann

Liebeskind, 238 S., 18,90 €

Los Angeles, Las Vegas, New York. Manson-Mythos meets Elften September. Die sexy blutigen Zeiten liegen 30 Jahre zurück. Mae, einzig Überlebende der Family, gibt Karten in Vegas.. Als die Türme fallen, fällt die Todesgöttin zurück in antike Blutträume und Rachemuster. US-Gewalt-Metaphysik.

6

6

(-)

Steve Hamilton: Der Mann aus dem Safe

Aus dem Englischen von Karin Diemerling

Droemer, 460 S., 16,99 €

Ohio. Mike ist seit seinem achten Jahr stumm. Warum, verrät er zuletzt. Aus dem Knast erzählt er, wie er Safeknacker wurde, wie er als Empfindsamer unter Rohlinge kam, als Künstler unter die Gangster fiel. Schnörkellos, mit hoher Spannung erzählt. Das Schönste: die Liebesgeschichte unter Comiczeichnern.

7

7

(4)

Åsa Larsson: Denn die Gier wird euch verderben

Aus dem Schwedischen von Gabriele Haefs

C. Bertelsmann, 384 S., 19,99 €

Kiruna. Frans Usitaalos Hand wird im Magen eines Bären gefunden, seine Tochter ist mit zigmessertichen ermordet worden und sein Enkel wird beinahe erstickt. Rebecka Martinsson und Anna-Maria Mella ermitteln Familien- und Regionalgeschichte: Die Minenstadt Kiruna als Moloch, der Geld spuckt, wenn man ihm Kinder opfert.

8

8

(10)

Nicci French: Eisiger Dienstag

Aus dem Englischen von Birgit Moosmüller

C. Bertelsmann, 528 S. 14,99 €

London. Psychotherapeutin Frieda Klein jagt mit seelsorgerisch-detektivischem Übereifer winzigsten Vermutungen hinterher und entdeckt echte Beweise. Der Mann, der, halb verwest und doch umsorgt, ihre Suchlust weckt, war von Friedas Art: einfühlsamer Zuhörer und Ziel von Mordgelüsten. Frieda Klein ist klasse.

9

9

(-)

Paolo Roversi: Milano Criminale

Aus dem Italienischen von Esther Hansen

Ullstein, 464 S., 19,99 €

Mailand 1958 – 1971. Vandelli (10) und Santi (14) sind zufällig Zeugen des sensationellen Überfalls an der Via Osoppo. Der eine wird daraufhin Räuber, der andere Polizist. Nach dem Vorbild von Romanzo Criminale: die Geschichte Mailands als Kampf zwischen Staat und Verbrechern.

10

10

(3)

 

Mike Nicol: Killer Country

Aus dem Englischen von Mechthild Barth

btb, 512 S., 14,99 €

Kapstadt. Band 2 der „Rache-Trilogie“. Mace und Pylon, ehemals Waffenhändler des ANC, jetzt Nobel-Security, wollen in Frieden ihr Erspartes investieren. Doch Ex-Politiker Ocho und Anwältin February spielen nicht ehrlich. An dickes Geld kommt man nur durch Mord. 20 Jahre Demokratie haben daran nichts geändert.

Die monatlich erscheinende Krimi-Bestenliste existiert seit März 2005, als sie erstmals auf der Leipziger Buchmesse, damals noch als KrimiWelt-Bestenliste vorgestellt wurde. Von März 2011 an wird sie regelmäßig an jedem ersten Donnerstag des Monats in der Wochenzeitung DIE ZEIT als KrimiZEIT-Bestenliste veröffentlicht.



Vorgestellt wird die KrimiZeit-JahresBestenliste

- im NordwestRadio am Donnerstag, den 7.3. 2013 mit Tobias Gohlis gegen 8.50 Uhr im Nordwestradio Journal und in den Sendungen der Literaturzeit, nachzuhören unter http://www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/index.html

Monatlich wählen achtzehn auf Kriminalliteratur spezialisierte Literaturkritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus der Masse der Neuerscheinungen die zehn Titel aus, denen sie viele Leser wünschen. Das Beste vom Besten: Immerhin erscheinen übers Jahr verteilt über 1200 Kriminalromane auf Deutsch. An jedem ersten Donnerstag im Monat geben Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Sie halten nach dem literarisch interessanten, thematisch ausgefallenen, besonderen Kriminalroman Ausschau. Die besten Zehn werden mit Bibliographie und Kurzbeschreibung hier veröffentlicht.



 Die Jury setzt sich zusammen aus: 

Tobias Gohlis, Hamburg, Kolumnist DIE ZEIT, Moderator und Jury-Sprecher der KrimiWelt

Volker Albers, Hamburg, Hamburger Abendblatt, Herausgeber „Schwarze Hefte“
Andreas Ammer, „Druckfrisch“, Dlf, BR

Gunter Blank, Sonntagszeitung

Thekla Dannenberg, Perlentaucher
Fritz Göttler, München, Süddeutsche Zeitung
Michaela Grom, Heidelberg, SWR
Lore Kleinert, Bremen, Radio Bremen
Thomas Klingenmaier, Stuttgart, Stuttgarter Zeitung
Kolja Mensing, Berlin, Tagesspiegel
Ulrich Noller, Köln, Deutsche Welle, WDR
Jan Christian Schmidt, Berlin, Kaliber 38
Margarete v. Schwarzkopf, Köln, NDR
Ingeborg Sperl, Wien, Der Standard
Sylvia Staude, Frankfurt/M., Frankfurter Rundschau

Jochen Vogt, Elder Critic, NRZ, WAZ
Hendrik Werner, Bremen, Weser-Kurier
Thomas Wörtche, Berlin, Kolumnist, Plärrer , culturmag, DradioKultur

 

 

In der Regel kommentieren wir die von der Jury neu plazierten Krimis. Alle weiteren plazierten Krimis der Vormonate entnehmen Sie bitte unseren Krimi-Besprechungen in den vormonatlichen Artikeln, die Sie unter Kultur. Bücher oder unter dem Autorennamen im Archiv finden. Viermal inzwischen darf ein Buch einen Platz bekommen, dann scheidet es aus und hat nur noch die Chance, in der Jahresbestenliste wieder aufzutauchen, die Ende Dezember herauskommt. und die wir für 2012 ebenfalls kommentierten. 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/1208-der-beste-krimi-2012-bleibt-von-fred-vargas-die-nacht-des-zorns-aus-dem-aufbau-verlag



http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/1208-der-beste-krimi-2012-bleibt-von-fred-vargas-die-nacht-des-zorns-aus-dem-aufbau-verlag



Info:

Film zu Grenzfall

http://www.revision-film.eu