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Kategorie: Bücher

Frankfurter  Buchmesse 2011, Teil 20: Claudia Schulmerich im Gespräch mit Ines Hansla, Hörbuch Hamburg

 

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Auf der Buchmesse könnte man jeden Tag 500 Interviews machen und käme mit den Ausstellern noch lange nicht durch. Wir haben diesmal so oft gefragt, daß wir mit der Aufarbeitung noch länger beschäftigt sind. Buchmesse ist eben immer.


 

Ich kenne Sie als meine Ansprechfrau vom Hörverlag aus München. Heute sind Sie die Leiterin der Presseabteilung von Hörbuch Hamburg?

 

Stimmt, für mich war es einfach an der Zeit, den Schritt aus der zweiten Reihe in die erste zu wagen. Als dann das Angebot aus Hamburg kam, habe ich nicht lange gezögert und zugegriffen, auch weil ich als Nordlicht, nach über fünf – wirklich schönen – Jahren in München, die norddeutsche Ebene und den rauen Wind der Küste zunehmend vermisst habe. So habe ich nun beides: Eine spannende neue Aufgabe mit mehr Verantwortung, die an meine bisherige anknüpft und das Gefühl, wieder zuhause zu sein. Ein Luxus in der heutigen Berufswelt, den ich sehr zu schätzen weiß.

 

Das ist ein beruflicher Aufstieg. Wieviel Hörbuchverlage gibt es überhaupt bei uns und worin unterscheiden sich diese beiden Hörbuchverlage?

 

In Deutschland gibt es nach Angaben des Börsenvereins des deutschen Buchhandels derzeit ca. 500 Hörbuchlabels, die entweder in einen Buchverlag integriert sind oder als eigenständiges Unternehmen Hörbücher produzieren. Hierunter fallen dann sowohl die großen Hörbuchverlage wie Hörbuch Hamburg, Der Hörverlag, Random House Audio, DAV u.a. aber eben auch 1-Personen-Unternehmen, die im Jahr vielleicht nur eine Handvoll – wenn überhaupt – Produktionen veröffentlichen und nicht wie wir ca. 200 Novitäten pro Jahr, mit einem Team von 15 MitarbeiterInnen. In den Arbeitsabläufen unterscheiden sich beide Häuser, die gleichermaßen für anspruchsvolle literarische Programme stehen, nur wenig.

 

Bleiben wir bei Hörbuch Hamburg. Wann gegründet, wer steht dahinter…

 

Da muß man mit der Unterschiedlichkeit in Punkto „Formate“ anfangen, weil dies an der Person von Margrit Osterwold lag bzw. liegt, die Hörbuch Hamburg im Jahr 1999 gründete und zu einem erfolgreichen Unternehmen aufgebaut hat. Für sie war und ist die klassische Lesung, man könnte fast sagen, die unangefochtene „Königsklasse“ im Hörbuch. Während die Münchner z.B. eine Vielzahl von Radiohörspielen im Programm haben und durch einige akustische Großprojekte in der Vergangenheit auf sich aufmerksam gemacht haben, liegt der Fokus bei Hörbuch Hamburg eindeutig auf den Lesungen.


Das verändert sich derzeit ein wenig, das hängt aber auch damit zusammen, dass Margrit Osterwold 2099 die Geschäftsführung an Johannes Stricker abgegeben hat und nur noch als freie Beraterin für den Verlag tätig ist, v. a. im Bereich der Sprecherauswahl und natürlich als Hörbuch-Regisseurin, und sich die Programm von Hörbuch Hamburg mit seinen Labels OSTERWOLDaudio und Silberfisch für Hörspiele öffnet (zuletzt z.B. Charles Baudelaire  „Die künstlichen Paradiese“ oder die freie Hörspielproduktion zu „Die Nacht aus Blei“ nach Hans Henny Jahnn). Gerade in letzterem, unserem 2007 gegründeten Kinder- und Jugendhörbuchlabel sind Hörspiele überaus nachgefragt.

 

Was waren die erfolgreichsten Titel, welche Auflage?

 

Wir haben zahlreiche Bestseller-Autoren im Programm: An erster Stelle ist da Stephenie Meyer mit der „BISS“-Reihe zu nennen, aber auch Autoren wie Daniel Glattauer, Jo Nesbo und Henning Mankell erreichen Verkaufszahlen im 6-stelligen Bereich.

 

Und Flops?

 

Ich mag das Wort „Flop“ nicht wirklich, zumal die Verkaufszahlen im Hörbuchmarkt –verglichen mit dem Buchmarkt z. T. in ganz anderen, viel niedrigeren Regionen spielen. Da kann ein kleiner, feiner Titel mit 300 verkauften Exemplaren ein großer Erfolg für den Verlag sein, verkäuferisch ist er es dann sicher nur bedingt. Die berühmte Mischkalkulation eben. Aber sicher gibt es in jedem Programm Titel – im letzten waren das z.B. vermeintlich gesetzte Comedy-Titel – die hinter den Verkaufserwartungen zurückbleiben. Aber das gehört dazu.

 

           

Wie macht man – und wer ist ‚man‘? - so ein Hörbuch, wie sieht die Produktion aus.

 

Wie ein Text den Weg ins Hörbuch findet, ist durchaus unterschiedlich. Der Standardweg ist

jedoch mit der Buchentstehung vergleichbar und teilt sich beispielweise für eine Lesung grob verkürzt in drei Abschnitte: Prüfphase – Textbearbeitung – Produktion. Als erstes prüft das Lektorat die Qualität des Textes, ob dieser als Hörbuch überhaupt funktionieren wird. Da fließen Fragen mit hinein, ob wir den Text ggf. kürzen dürfen bzw. wollen, der Autor ggf. selber kürzen möchte oder wir eine (externe) Bearbeitung beauftragen wollen usw.

 

Im nächsten Schritt beschäftigt sich das Lektorat mit der Sprecherfrage: Wie viele Stimmen verlangt der Text, wer passt stimmlich am Besten, wer ist verfügbar, wer übernimmt die Regie und welches Studio wird mit den Aufnahmen beauftragt und wie viel Zeit veranschlagen wir für die Aufnahmen? Und dann geht’s auch schon ins Studio.

 

Nach dem Schnitt, dem Abhören auf mögliche Schnittfehler oder kaum hörbare Hintergrundgeräusche kann dann das Master ins Presswerk und die Vervielfältigung beginnt. Im Hintergrund haben sich derweil unsere Herstellung und Grafik über Art der Verpackung – je nach CD-Anzahl – Bookletgestaltung und Cover Gedanken gemacht, und diese Daten gelangen dann ebenfalls ins Presswerk. Etwa einen Monat später liegen dann die fertigen Hörbücher in den Läden.

 

 

 

Und was passiert, wenn die Entscheidung für ein Buch gefallen ist oder ist manchmal auch zuerst der Sprecher da?

 

Wir gehen immer erst vom Text aus. Ist dieser vertonbar? Funktioniert er in der Akustik? Erst wenn das positiv beantwortet wird, geht es an die Besetzungsfrage. Natürlich kommen auch Schauspieler mit Vorschlägen, Texten und Inszenierungsideen  auf uns zu. Aber auch diese prüfen wir dann auf Vertonbarkeit und nicht zuletzt auf Wirtschaftlichkeit, schließlich wollen wir ja Hörbuchkäufer finden und nicht fürs Archiv produzieren.

 

 

Bekommen Sie außer den Verkaufszahlen und Rezensionen von Lesern direkte Resonanz. Schlagen die beispielsweise Titel oder Interpreten vor. Oder sagen: Bitte diesen Sprecher nie wieder!!?

 

Wir beobachten Kundenrezensionen und Reaktionen z.B. auf unserer facebook-Seite, auf Onlineportalen, allen voran amazon.de, aber auch bei Downloadportalen wie claudio.de und audible.de sehr genau und lassen diese durchaus in die Diskussion für oder gegen einen Sprecher, eine Sprecherin einfließen. Wir haben zwar einen relativ festen Pool an SchauspielerInnen, mit denen wir zusammenarbeiten, auf deren Stimme und Hörbucherfahrung wir gerne zurückkommen, sind aber selbstverständlich auch immer an neuen Stimmen mit entsprechender Ausbildung interessiert.

 

Was ist Ihr absolutes Lieblingshörbuch und warum?

 

Einen All-Time-Favorite kann ich gar benennen. Könnte ich im Buch, bei Kinofilmen. Musikbands allerdings auch nicht. Jede Lebensphase hat für mich z.B. einen Soundtrack, Musikstil. So auch im Hörbuch: Es gibt vielmehr Stimmen, die ich zu meinen Lieblingsstimmen zähle, die dann auch die Textvorlagen so umsetzen, dass ich ihnen einfach gern zuhören, fast egal, was sie lesen. Dazu zählen unbedingt: Burghart Klaußner („Der große Gatsby“ von F.S. Fitzgerald), Sylvester Groth („Der Turm“ von Uwe Tellkamp) oder auch Ulrich Noethen („Jeder stirbt für sich allein“ von Hans Fallada). Immer wieder hören, kann ich aber auch die alten Straßenfeger-Krimihörspiele.

www.hoerbuch-hamburg.de