kri kaltes lichtDIE KRIMIBESTENLISTE IM AUGUST, Teil 2

Elisabeth Römer

Hamburg (Weltexpresso) – Leider hatte ich nicht aufgepaßt. Hatte nicht mitbekommen, daß es einen neuen Garry Disher gibt, denn den hätte ich nicht nur sofort gelesen – sozusagen aus persönlichen Gründen -, sondern hätte auch sofort gewußt, daß er auf der neuen Krimibestenliste ganz oben stehen wird. Sogar auf Platz 1.

Alles was wir von ihm, dem Autor wissen, ist sein Geburtsdatum 1949 und -ort: Australien. Das weiß man sowieso, wenn man seine Romane liest., denn sie sind australieneigentümlich.  Er war zudem immer schon bekannt als Jugendbuchautor und KALTES LICHT, das er mit Mitte Sechzig schrieb, weist ihn nun als begnadeten Altersbuchautor aus. Denn allem nach, was wir von diesem Buch gehört haben, ist es ein Loblied auf das Alter und Altern. Denn Alan Auhl, der Held des Romans, ist ja seit fünf Jahren pensioniert. Er hat alles was er braucht. Er hat genügend Geld, ein komfortables Haus, es ist alles gesettelt – aber langweilig ist sein Leben geworden. Er will zurück in den aktiven Polizeidienst, wo er allerdings mit Gelegenheitsaufgaben abgespeist wird und zudem die Lästereien der Jungen über so einen alten Sack über sich ergehen lassen muß. Und dann....das kommt, wenn wir nächstes Mal KALTES LICHT gelesen haben.

Auf Platz 2 bleibt Friedrich Ani mit ALL DIE UNBEWOHNTEN ZIMMER aus dem Suhrkamp Verlag, wo der stadtbekannte – und krimilesernbekannte – Tabor Süden wieder einmal den Kampf aufnimmt mit den Rassisten, mit denen, die alles schlecht reden, sich ‚rein‘ halten wollen, obwohl gerade sie zum Himmel stinken. Wir hatten schon und werden wieder: über Ani schreiben, wenn er hoffentlich das nächste Mal wieder dabei ist. Es wäre sein drittes Mal.

Neu, ach wie schön und nicht selbstverständlich auf der Krimibestenliste, noch ein deutscher Autor. Auf Platz 3 folgt neu Max Annas mit MORDUNTERSUCHUNSKOMMISSION aus dem Rowohlt Verlag. Auch hier hätten wir das wissen können, hätten wir den Verlagsprospekt zuvor gründlich gelesen, denn seine Krimis sind Sonderklasse. ‚Auf den dritten über Südafrika wartet die Lesergemeinde noch. Und jetzt traut er sich erneut über die DDR zu schreiben. Diesmal ein Kriminalfall von 1983. Wenn man über die Filme über die Kriminalkommissariate in Ostberlin weiß, wie professionell im Osten ermittelt wurde, liest man diesen Roman erst recht unter Spannung. Hier geht es um die Literarisierung einer wahren Geschichte. 1986 wurde der Mosambikaner Antonio Manuel Diogo an einer DDR-Bahnstrecke tot aufgefunden, der hier zum fiktiven Mord an Teo Macamo wird. Stellvertretend für die Nichtaufklärung im wirklichen Leben, wird im Roman der Schuldige ermittelt.

Auch auf dem 4. Platz ist ein Neuling. Schon der Name Nicholas Searle kommt einem bekannt vor. Es ein Pseudonym, denn hinter ihm verbirgt sich eine Person, die im Geheimdienstmilieu zu Hause ist. Und genau darum geht es in DER SPRENGSATZ, erschienen bei Kindler. Natürlich muß man beim Begriff Geheimdienst automatisch an John le Carré denken, dessen altersweisen Helden - George Smileys ehemaliger Assistent Peter Guillam - in DAS VERMÄCHTNIS DER SPIONE von Hörbuch Hamburg wir uns gerade akustisch reinziehen. Der Mann kann wirklich schreiben! Nie hat es in Deutschland ein vergleichbares Interesse an dem eigenen Spionagesystem gegeben, wie wir Leser das englische goutieren. Auch hier mehr das nächste Mal. Ganz bestimmt. Der Typ, also Nicholas Searle interessiert uns.

Auf dem 5. Rang nunmehr also Liza Cody mit BALLADE EINER VERGESSENEN TOTEN, das dritte Mal auf der Liste, über die wir im ersten Teil erneut eine Eloge schrieben. Ein Buch, das unter die Haut geht, auch deshalb, weil man als Leser bei Ermordeten immer noch einmal mehr Mitgefühl und darum Interesse spürt, wenn es um Kinder oder besonders Unschuldige geht. Ist Ihnen das bei sich schon einmal aufgefallen?

FORTSETZUNG FOLGT


KRIMIBESTENLISTE AUGUST

1(–) Garry Disher Kaltes Licht

Aus dem Englischen von Peter Torberg. Unionsverlag, 314 Seiten, 22 Euro
Melbourne. Nach fünf Jahren Langeweile als Pensionär ist Alan Auhl zurück im Polizeidienst. Mit der Lässigkeit der Erfahrung lotet er die Grenzen des Gesetzes aus, packt zu, wo Solidarität fehlt. Heiteres Lob eines coolen Alten, der menschliche Bosheit stellt, wie immer sie getarnt sei. Brillant.


2(2) Friedrich Ani All die unbewohnten Zimmer

Suhrkamp, 495 Seiten, 22 Euro
München. Die Augenzeugen stumm, die Täter glauben sich im Recht, die besorgten Rassisten bereiten den nächsten Schritt vor. Zwei tote Polizisten, verdächtigte Flüchtlingskinder, da braucht es alle Ermittler: Tabor Süden, Polonius Fischer, neu Fariza Nasri. Der Irrsinn nimmt zu, Ani hält dagegen.


3(–) Max Annas Morduntersuchungskommission

Rowohlt, 352 Seiten, 20 Euro
DDR, 1983. Ermittlungen im geschlossenen System. An der Bahnstrecke zwischen Jena und Saalfeld liegt der Leichnam eines afrikanischen Vertragsarbeiters, zerfetzt, geköpft. Otto Castorp, MUK Gera, lässt nicht los, trotz politischen Ermittlungsverbots. Und entdeckt, was es in der DDR nicht geben kann: Nazis.

4(–) Nicholas Searle Der Sprengsatz

Aus dem Englischen von Jan Schönherr.
Kindler, 304 Seiten, 20 Euro
Nordengland. Einmal hat Jake Winter einem V-Mann getraut: 63 Tote hat der in die Luft gesprengt. Beim zweiten Mal soll es anders laufen. Doch während Jake Muster islamistischer Verschwörung analysiert, übersieht er, dass ihm selbst die Rolle des Sündenbocks zugedacht ist.

5(3) Liza Cody Ballade einer vergessenen Toten

Aus dem Englischen von Martin Grundmann. Ariadne im Argument-Verlag, 416 Seiten, 22 Euro.
London, Las Vegas, achtziger Jahre, heute. Elly, absolutes Gehör, Komponistin für die halbe Popwelt, mit fünfzehn Jahren bestialisch ermordet. Amy rekonstruiert ihre Geschichte: kindliches Genie in wahnwitziger Musikindustrie. Egoistische Schwestern, bizarre Mütter, scheinmächtige Kerle. Faszinierend.

6(7) Georges Simenon Maigret im Haus der Unruhe

Aus dem Französischen von Thomas Bodmer. Kampa, 220 Seiten, 16,90 Euro
Paris. Kommissar Maigrets allererster Fall, noch von einem „Georges Sim“ verfasst, erstmals auf Deutsch. Nächtens gesteht eine junge Frau einen Mord, als Maigret sich umdreht, ist sie verschwunden. Mit großer Geduld belagert Maigret eine Familie in ihrem Wahn, bis die Wahrheit aufbricht.

7(–) Adrian McKinty Cold Water

Aus dem Englischen von Peter Torberg. Suhrkamp Nova, 378 Seiten, 15,95 Euro
Carrickfergus, Stranraer 1990. Frau und Kind sind schon in Schottland, Duffy arbeitet an seinem letzten Fall. Er will das Verschwinden eines 15-jährigen Travellermädchens aufklären – verdächtig sind Männer der Oberschicht. Doch so sozialpathetisch geht es nicht aus. Komplex, schlau: die Duffy-Serie.

8(–) Tawni O’Dell Wenn Engel brennen

Aus dem Englischen von Daisy Dunkel. Ariadne im Argument-Verlag, 350 Seiten, 21 Euro
Pennsylvania. Leicht mit Problemen umgehen kann Chief Carnahan. Seien es verschreckte Mütter, renitente Redneckfamilien oder Mädchen, die in brennenden Minen stecken. Hat sie doch selbst ihr Gewaltpotential nicht immer kontrolliert. Feministisch, realistisch: Matriarchat kann Elend verschärfen.

9(5) Mike Nicol Sleeper

Aus dem Englischen von Mechthild Barth. btb, 512 Seiten, 10 Euro
Kapstadt. HEU, waffenfähiges Uran, ist es, was Isis, die Iraner, die Amerikaner, die Chinesen, die Russen wollen. Und die Südafrikaner verkaufen es gerne, illegal. Glimmender Hintergrund, vor dem all die schlafenden Geheimdiensthunde erwachen und Fish Pescado und Vicky Kahn um ihr Leben kämpfen.

10(–) George Pelecanos Prisoners

Aus dem Englischen von Karen Witthuhn. Ars Vivendi, 230 Seiten, 18 Euro
Washington, D.C. Michael Hudson, Leseratte dank Knastbibliothek, glaubt an ein besseres Leben. Privatdetektiv Ornazian lotst ihn raus. Dafür soll Michael die Fluchtwagen steuern, wenn er und sein Kumpel Ward Kriminelle ausnehmen. Mann auf der Kante unter Dealern, Neonazis und Überlebenskämpfern.Und auch den 6. Platz hat mit MAIGRET IM HAUS DER UNRUHE von Georges Simenon, erschienen bei Kampa, ein Krimi vom Vormonat überndauert und einer, der der bewährten klassischen Helden entstammt. Welche Freude wir daran hatten und wie elegant sich hier das Buch (Kampa) mit dem Hörbuch (Audio Verlag) verbindet, hatten wir im letzten Monat beschrieben.