c musso frauSerie: Alte und neue Krimis als Buch oder Hörbuch 2019, Teil 3: Hörbuch Hamburg

Hanno Lustig

Köln (Weltexpresso) – Ach herrje, auch Guillaume Mussos DIE JUNGE FRAU UND DIE NACHT ist ja erst im Juni herausgekommen. Wir dachten zuerst an sein vorheriges Hörbuch, mit den beiden Angejahrten in Paris, die sich erst um das gemietete Haus des verstorbenen Malers als Mieter streiten und dann...doch, das war spannend.

Wie dort der Spagat Paris – New York, sind auch hier die beiden Erdteile Amerika und Europa die Schauplätze. Kein Wunder. Musso ist Franzose und lebt in Antibes, dort, wohin sein Held, der in den USA erfolgreich gewordene Schriftsteller Thomas Degalais aus der neuen Heimat in die alte zurückkehrt, weil eine Jubiläumsfeier seiner Schule, ein Internat, ansteht. 25 Jahre ist es her, seit damals seine große Liebe Vinca verschwand. Eigentlich hat er keine große Lust, über den Teich rüberzumachen, aber sein Schulfreund Maxime Biancardini will ihn dabei haben beim Ehemaligentreffen im Lycée Saint-Exupéry, das nun 50 Jahre alt wird.

Warum Maxime diesen Thomas unbedingt dabei haben will, hat mit den Umbauplänen des Internats zu tun, dessen Sporthalle abgerissen werden soll. Und wenn das geschieht, wird ein düsteres, ein sehr düsteres Geheimnis um die beiden damals jungen Kerle ans Licht gezehrt, was das Ende ihres Lebens in Freiheit bedeuten könnte, bedeuten müßte. Ja, es hat mit Vinca Rockwell und auch Alexis Clément zu tun.

Und nun sind die Hörer bald genauso verwirrt wie Thomas, der sich nicht mehr zurechtfindet. Für ihn sind es zu viele Ängste, zu viele Spuren, für die Hörerin sehr viele Brüche in Zeit und Ort, weshalb es nicht einfach ist, der Handlung zu folgen. Das führte dazu, daß immer wieder zurückgeschaltet wurde, weil man merkte, man hatte den Faden verloren. Grundsätzlich finde ich das nicht schlecht, denn es hält die Aufmerksamkeit wach, aber bei Büchern braucht man nur rasch zurückzublättern und hat den Kontext wieder, bei Hörbüchern muß man ganze Kapitel wiederholen, denn das rasche Durchlaufen läßt Schnellhören nicht zu, während in Büchern Blättern den Handlungsverlauf rekonstruiert. Das ist aber eher eine grundsätzliche Frage, in welchem Medium man besser folgenkann, so kompliziert war es bei Musso dann auch nicht.

Aber die vielen Handlungsstränge, die immer woanders enden, als gedacht, viele Tote zurücklassen, es ist ein bißchen konstruiert, wenn wir das im Nachhinein noch einmal durchdenken. Aber beim Hören hat es funktioniert, wir hatten bei zum Schluß gebannt zugehört – und dann war doch alles ganz anders. Aber nicht so, daß man sich geprellt gefühlt hätte. Nein, die Lösung läßt sich vertreten. Ein gewiefter Autor.

Sein Vorleser Riachard Barenberg hatte auch die vorherigen Mussoromane gelesen, so daß sich mit seiner Stimme sofort das Milieu einstellt. Auch für ihn gilt, daß es gut ist, wenn einem die Stimme nicht zu sehr auffällt.

Ganz anders bei RAUM von Emma Donoghue, das wir nur hören wollten, weil Matthias Brandt es liest. Ein faszinierender Schauspieler, der zudem eine sehr große Bandbreite an Rollen glaubwürdig verkörpern kann. Schade und auch nicht zu verstehen, daß wir ihn eigentlich nur im Fernsehen sehen und nicht in Filmen, wo doch die meisten deutschen Schauspieler in beiden Medien zu Hause sind. Die große Leinwand ist dann die Belohnung für die vielen Fernsehspiele.

Auch RAUM liest er derart, daß wir mit ihm in Jacks RAUM, seiner ganzen Welt, klaustrophobisch gefangen sind. Nur er und wir fühlen Klaustrophobie, denn für Jack ist es ja sein normales Zuhause. Er kennt es nicht anders. Wir sind dabei, wenn er fünf Jahre alt wird und seine liebevolle Mutter ihm den Geburtstag bereitet. Er erzählt uns das alles selber, hat aber merkwürdige Sprachstörungen, eher seltsame Phänomene, weil er keine Artikel benutzt, also RAUM und nicht DER RAUM, zum Beispiel und er spricht alles in der Gegenwart. Aber gleichzeitig kennt er die Weltliteratur für Kinder und kann vieles auswendig aufsagen.

Machen wir es kurz, derzeit hört man weniger davon, aber vor Jahren kamen gleichzeitig mehrere furchtbare Verbrechen an Kindern und jungen Frauen ans Licht, die von Fremden oder vom eigenen Vater in Verliesen eingebunkert worden waren und nur durch Zufall sich befreien konnten. Und um dieses Befreien geht es in RAUM. Es ist beklemmend, aber durch das gute Ende einfach beim Hören befreiend, wenn die Mutter ihrem nichtsahnenden Sohn verklickern muß, daß es ein Draußen wirklich gibt und RAUM nicht alles ist, was er ja fünf Jahre lang glaubte. Das war auch gut so, so ist er ein stabiler Junge geworden. Aber jetzt übt die Mutter mit ihm die Befreiung. Köstlich, daß er das Fernsehen für erdachtes Leben hielt und nur RAUM für Wirklichkeit. Jetzt ist seine Phantasie gefragt, wenn die Mutter ihm jeden Schritt erklärt, wie er sich verhalten soll, wenn sie ihn als angeblich an Lungenentzündung Verstorbenen in einen Teppich einrollt, der auf einen Kleinlaster gelegt wird, wo ihn Old Nick, der Entführer und Vergewaltiger, also Vater von Jack, auf einem Gelände entsorgen soll.

Er kann sich befreien und jetzt ist aber nicht Ende, sondern beginnt etwas Neues von vorne. Sehr aufbauend und nicht todtraurig, sondern lebensfroh. Kein Wunder, es ist ja auch gut ausgegangen. Kennen wir eigentlich die Fälle, wo ein Leben lang solche schwachen kontrollsüchtigen Männer Frauen versteckt hielten? Daran dachten wir am Schluß.

Foto.
Cover

Info:

Guillaume Musso
Die junge Frau und die Nacht: Roman
von , Eliane Hagedorn, et al.
2MP3-CDs, Laufzeit ca. 527 Min
ISBN: 978-3-86952-420-7
Juni 2019
Osterwold audio


Emma Donoghue
Raum: Roman
gelesen von Matthias Brandt
gekürzte Lesung
5 CDs, Laufzeit 385 Minutenmit Track
ISNB:978-3-8695 2-090-2
November 2012 sowie eine neue Filmausgabe
Osterwold audio