a raabeAuch der Wilhelm-Raabe-Literaturpreis 2019 hat eine kurze Liste mit sieben nominierten Titeln

Claudia Schulmerich

Braunschweig (Weltexpresso) – Gute Idee, die verschiedenen Literaturpreise, die national eine Rolle spielen und diejenigen, die in Österreich und der Schweiz ausgelobt werden, in einem engen zeitlichen Zusammenhang darzustellen. Dafür sorgen schon die verschiedenen Jurys und ihre Auswahltermine, die nun wiederum mit der größten Buchmesse der Welt, der Frankfurter Buchmesse zu tun haben.

Wilhelm Raabe wird so wenigstens über den Literaturpreis als Name der Literatur in die Öffentlichkeit gebracht. In unserer Jugend war er noch sehr gegenwärtig, wer liest ihn heute?, aber, wenn man sich überlegt, wieviele neue Namen in der deutschsprachigen Literatur in den letzten Jahrzehnten eine Rolle spielen, wieviel allzu hinzukamen, deren Bücher alle gelesen sein wollen, wird das Verständnis stärker, daß der ehemalige literarische Bildungskanon sich verändern muß.

Aber, wie schön daß die Heimatstadt von Wilhelm Raabe - er lebte dort 40 Jahre und starb dort am 15. November 1910 - ihn durch den mit 30 000 Euro dotierten Literaturpreis in Erinnerung hält. Die Auswahl gilt einem in deutscher Sprache verfassten erzählerische Werk. Sind es die Höhe von Preisen, die diese wichtiger oder bedeutungsloser machen? Man möchte das eigentlich nicht, aber gleichzeitig ist in einer kapitalistischen Welt Geld das höchste Gut. So ist es seit Jahren schon eigenartig, daß am Deutschen Buchpreis, den es seit dem Jahr 2005 gibt, der Schweizer Buchpreis mit einem sehr viel höheren Preisgeld vorbeizog.

Das alles wollen wir ein andermal in Zahlen ausdrücken. Jetzt geht es um die diesjährige Auswahl und auch darum, welche Autoren sich mit ihren Büchern bei anderen Literaturpreisen wiederfinden. Die normalen Leser und Leserinnen wundern sich immer wieder, auf welche unterschiedlichen Kandidaten sich die verschiedenen Jurys einigen, wobei noch interessanter wird, wenn einzelne Schriftsteller und Schriftstellerinnen auf mehreren Auswahllisten landen, wovon man eigentlich ausgehen müßte, wenn das einzige Kriterium die Qualität eine fiktiven Textes ist – und nicht beispielsweise Sachbücher oder Gedichte, wobei Österreich ins Spiel kommt. Aber nicht heute.

Für den Wilhelm Raabe-Literaturpreis gilt eine Besonderheit, denn der jährlich von den Kooperationspartnern Deutschlandfunk und der Stadt Braunschweig vergebene Preis, ist das Ergebnis einer bislang einzigartigen Zusammenarbeit zwischen einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt und einer Kommune.

Die Auswahlliste:

Norbert Gstrein: Als ich jung war (Carl Hanser Verlag)
Judith Kuckart: Kein Sturm, nur Wetter (DuMont Buchverlag)
Terézia Mora: Auf dem Seil (Luchterhand Literaturverlag)
Norbert Scheuer: Winterbienen (Verlag C.H.Beck)
Saša Stanišić: Herkunft (Luchterhand Literaturverlag)
Jackie Thomae: Brüder (Hanser Berlin)
David Wagner: Der vergessliche Riese (Rowohlt Verlag)

Es wird üblich, und das ist ja auch kein schlechtes Prinzip, nachzuzählen, wie die Verteilung der Geschlechter aussieht: Hier sind es vier Autoren und drei Autorinnen. Eine Frage ist auch jeweils die nach den Verlagen und man sieht auf einen Blick, daß mit Terézia Mora: AUF DEM SEIL und Saša Stanišić: HERKUNFT der Luchterhand Literaturverlag zweimal vertreten ist, auch der Hanser Verlag ist mit seinen zwei Standorten je einmal vertreten, aber beispielsweise nicht der Fischer Verlag, der doch bei der Zwanzigerliste zum Deutschen Buchpreis mit gleich vier Autoren auffiel, von denen nur noch Miku Sophie Kühmel mit KINTSUGI bei den sechs Finalisten des Deutschen Buchpreises dabei ist. Vergleicht man nun diese beiden Preise bezüglich ihrer Auswahl, dann sind nur drei der sieben Nominierten des Raabe-Preises auch beim Deutschen Buchpreis dabei: Norbert Scheuer mit WINTERBIENEN (Verlag C.H.Beck), Saša Stanišić: HERKUNFT (Luchterhand Literaturverlag) und Jackie Thomae: BRÜDER(Hanser Berlin).

Vergleicht man die Raabe-Auswahl mit dem Schweizer Buchpreis, dessen fünf Nominierte gerade bekannt wurden, ergibt sich keine personelle Übereinstimmung und beim Österreichischen Buchpreis, der eine Zehnerliste mit zusätzlich drei Debütanten aufweist, ergibt sich nur eine Übereinstimmung: Norbert Gstrein: ALS ICH JUNG WAR(Carl Hanser).

Das ist doch interessant und aufschlußreich, wie vielfältig die deutschsprachige Literatur ist, daß so unterschiedliche Auswahllisten zustandekommen – und wir haben nur die wichtigsten genannt. Interessant wäre eine breitere Grundlage durch die Zusammenstellung weiterer deutschsprachiger Literaturpreise. Ein andermal.

Die Jury

Interessant sind auch die Zusammensetzungen der Jurys.

Die Jury des Wilhelm Raabe-Literaturpreises besteht aus neun Personen und setzt sich in diesem Jahr zusammen aus
Gerd Biegel (Präsident der Internationalen Raabe-Gesellschaft e.V.),
Alexander Cammann (Die Zeit),
Thomas Geiger (Literarisches Colloquium Berlin),
Anja Hesse (Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Braunschweig),
Katrin Hillgruber (freie Journalistin),
Marie Schmidt (Süddeutsche Zeitung),
Michael Schmitt (3sat),
Renate Stauf (Germanistisches Institut, TU Braunschweig) und
Hubert Winkels (Deutschlandfunk).

Der Wilhelm Raabe-Literaturpreis wird am 3. November 2019 vergeben.

Foto:
Wilhelm Raabe
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