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Kategorie: Bücher
c im visierDie neuesten Thriller der Bestsellerautoren, Teil 3

Elisabeth Römer

Hamburg (Weltexpresso) – Wenn man ernst nimmt, daß in den letzten Kriminalromanen von Lee Child sein Held aus über 20 Romanen, der ehemalige US-Militärpolizist Jack Reacher sich in der Aufklärung seiner Fälle Richtung Deutschland bewegt, dann kommt der Leser und die Leserin natürlich auf die Idee, daß JACK REACHER in Deutschland besondern beliebt ist, besonders gelesen wird.

Das werden wir bei seinem Verlag blanvalet nachfragen und zusammen mit der Besprechung des allerletzten Jack-Reacher-Romans DIE ERMITTLUNG, die in Hamburg spielt, weitergeben. Einem Autor kann man nicht vorwerfen, daß er in exakt gleichen Abständen ein weiteres Buch des Helden einer Reihe, einer Serie, einer Folge an die Öffentlichkeit bringt. Das erledigen sozusagen die Verlage, die dafür sorgen, daß – erst recht bei den Übersetzungen – regelmäßig ein neuer Roman, hier Jack Reacher folgt.

Der Leser, die Leserin, die sich darum kümmern will, stößt auf allerlei Probleme. Die ergeben sich aus der unteren Auflistung der ganzen Reihe, die sowohl die englischen Originalausgaben wie auch die deutschen Übersetzungen umfassen, wo man gut sehen kann, daß unterschiedliche Abstände zwischen den Ausgaben in London bei Bantam Press und hierzulande bestehen. Ganz besonders deutlich wird dies in diesem Jahr, wo erst im Juni 2019 KEINE KOMPROMISSE erschien, was als MAKE ME (20 Reacher) 2015 in London erschienen war – und gerade jetzt als 21. Roman am 11. November DER ERMITTLER erschien, der 2016 als NIGHT SCHOOL herauskam.

Jack Reacher wurde in Deutschland mit GRÖSSENWAHN, also Reacher 1, 1998 im Heyne Verlag erschienen, bekannt. Damals verlegte Lee Child noch in den USA im Verlag Putnam, New York City. Auch in Deutschland wechselte dann der Verlag, 2002 zu Goldmann und 2009 zu blanvalet. Alle drei Verlage gehören aber zu Random House, so daß die Wechsel wohl etwas mit der ‚Bereinigung‘ der Autoren innerhalb der vielen Verlage von Random House zu tun hat, die zwar eigenständig arbeiten, aber dennoch bei einem Verlagswechsel weniger Umstände haben, als wenn beispielsweise ein Suhrkamp-Autor zu Rowohlt wechselte. Im Übrigen wird das mit den Kriminalromanen bei Random House noch viel unübersichtlicher, wenn man sich die unter dem Dach versammelten Verlage daraufhin anschaut, welche Krimis veröffentlichen: zumindest auch Blessing, vor allem aber btb, C. Bertelsmann, Penguin, Limes und Page & Turner.

Das soll nur ein Hinweis darauf sein, daß nicht nur für den Leser, sondern auch für die Rezensenten komplex ist. Zurück zu Lee Child, über den wir das Bekannte weitergeben. Er ist eigentlich Engländer, am 29. Oktober 1954 in Coventry als James Dover Grant geboren, wuchs in Birmingham auf und studierte Jura. 1998 zog er von England in die USA , wo er auch heute in Manhattan lebt. Eigenartig daran ist, daß sein erster Jack Reacher Roman, der oben erwähnte GRÖSSENWAHN im Original als Killing Floor schon 1997 bei Putnam, New York City erschienen war.

Man müßte den ersten Roman daraufhin noch einmal lesen, wie US-erfahren der Autor damals war, denn die gesamte Reihe der Reachers zeigt eine solche Nähe und Erfahrung mit den USA, insbesondere dem amerikanische Militär und dem Leben auf dem Lande, quer durch alle Staaten, daß dies auf eine längere Beschäftigung mit Amerika schließen läßt. Darum paßt es auch besser, dem Klappenumschlag zu glauben, daß er bereits 1995 in die USA ging, weil er nach 20 Jahren TV-Arbeit im England der rücksichtslosen Einsparungen der 90er Jahre arbeitslos wurde und in Amerika bessere Chancen sah. Was Wirklichkeit wurde.

In seiner Fernseharbeit hat er Serien produziert, die erfolgreich liefen, wobei er einerseits in den fortlaufenden Fernsehsendungen das Prinzip der Serie genauso verfolgte, wie später bei Jack Reacher, und immer der Meinung war, daß man Erfolg nicht durch mäßige Literatur erreichen müsse, sondern Schreiberfolge und literarischen Anspruch sich nicht ausschließen müssen.

Über einzelne Jack Reacher Romane haben wir immer wieder geschrieben und uns sehr ausführlich mit dem Menschen, dem Mann Jack Reacher beschäftigt, der ganz bestimmte, sehr auffällige Eigenarten hat, , wobei bei den neusten auffällt, daß nicht alle seiner bisherigen Auffälligkeiten noch Bestand haben. Denn wir lernten ihn als kritischen Verbraucher und desillusionierten Mann kennen, der über all das, was den modernen Menschen der kapitalistischen Welt ausmacht, Wohlstand anzuhäufen und sich der modernen Kommunikationsmittel zu bedienen, nur den Kopf schüttelt und ein einfaches Leben bevorzugt. Und zwar derart rabiat, wie es nur in den sozialromantischen Ursprüngen der Lebensreform vor 1900 der Fall war.

Er verzichtet auf eine ständige Partnerin, auch seine Familie löst sich auf, er verzichtet auf eine Wohnung, ist ständig durch alle US-Bundesstaaten unterwegs, allerdings ohne Koffer, mit sehr wenig Geld, das aber immer noch reicht, um sich, wenn er seine Kleidung für zu lange getragen hält, neue kaufen kann und die alte in den Mülleimer stopft. So kauft er auch immer wieder eine neue Zahnbürste. Was mit dem Rasierer ist, bleibt meist verschwiegen, und von einem Bart weiß man nichts.

Wie es sein Leben so mit sich bringt, stößt er ständig auf Zustände, die seinen Gerechtigkeitssinn herausfordern und ihn zum Handeln zwingen oder er läßt sich von denen, denen Unrecht widerfuhr, beauftragen, für sie tätig zu werden. Das reicht für das Geld zwischendurch und wenn er doch einmal völlig pleite ist, dann kann er sich von seinem Konto auf seltsame Art etwas überweisen lassen. Denn er verfügt weder über eine Bankkarte, noch eine Identitätskarte, einen Ausweis oder Paß und schon gar nicht über ein Handy oder gar einen Rechner. Eine geheime Telefonnummer kennt er auswendig, über die er mit jedem Angehörigen staatlicher Stellen, bzw. des Militärs verbunden werden kann.

Andererseits ist er körperlich in hervorragender Verfassung, weil er nicht bequem lebt, sondern sich fit hält und auf vielen Gebieten des Körpers wie Boxen und Schlägereien, der Waffen, wie Bedienung von Messern und Schußwaffen – wir sind in den USA!! - , des Geistes durch Kombinieren und Strategie- und Taktiküberlegungen auf dem neuesten Stand hält. Er antwortet auf Gewalt mit Gegengewalt und setzt sich am Schluß regelmäßig durch, was ja sein muß, sonst gäbe es keine Jack-Reacher-Reihe, bzw. wäre sein Schluß.

Bleibt noch die Frage nach den Frauen. Ja, er liebt Frauen, aber dies steht nicht im Mittelpunkt seines Lebens. Es gibt Romane, die ganz ohne Liebschaft auskommen, aber in allen Romanen spielen Frauen eine wichtige Rolle. Und sie spielen oft sehr gute Rollen.

Schaut man vom Jahr 2019 auf den Anfang der Reacherreihe 1997 zurück, erkennt man schärfer, wie weitsichtig Lee Child schon damals seinen Helden Jack Reacher konzipiert hatte. Denn damals gab es zwar auch schon mobile Telefone und Internet, was also Reacher mit Absicht verschmäht, aber der Terror, der heute mit den allgegenwärtigen Smart- und IPhones betrieben wird, hat sich erst in den Jahren dazwischen entwickelt, so daß man von heute her die Zivilisationsmüdigkeit Jack Reachers noch viel besser nachvollziehen kann. Das stimmt zwar, aber Reacher konnte auf Dauer vom Autor nicht mehr handlungsfähig gehalten werden ohne den Gebrauch moderner Kommunikationsmittel. So hat er zwar nach wie vor keine eigenen, hat aber längst gelernt, damit umzugehen, wenn bei den notwendigen Ermittlungen ihm mobile Telefone aller möglichen Güte übergeben werden und für die Internetrecherche stellt sich immer eine fixe Frau zur Verfügung.

Das nur mal grob dahingesagt, wir wollen die Entwicklung der Figur aber demnächst stärker berücksichtigen, wenn wir den neuesten Roman DER ERMITTLER besprechen, denn im Folgenden kommen erst die Folgen IM VISIER und KEINE KOMPROMISSE dran.

Zwei Dinge noch: zum einen hat Lee Child eine Menge von Krimi-Auszeichnungen erhalten. Zum anderen sind bisher zwei seiner Romane verfilmt worden. Beide Male hat Tom Cruise diesen Jack Reacher verkörpert. Bevor man den ersten Film sah, konnte man sich diese Besetzung nicht vorstellen, aber man muß konstatieren, daß Cruise den Helden sehr schnörkellos im Sinne der literarischen Vorlage bit.

Was wir nicht beurteilen können, ist der Hinweis, daß seine Kriminalromane bei den Rechten in den USA besonders beliebt sind, können uns aber vorstellen, daß man aus unterschiedlichen Gründen Jack Reacher mag. Sicher ist seine Fähigkeit, beim Schießen exakt zu treffen und zu töten und bei harten, ja brutalen körperlichen Auseinandersetzungen die Oberhand zu behalten, etwas, was die Waffenenthusiasten der Ultrakonservativen goutieren. Anderen ist er wichtig, weil er das Recht der Schwächeren, der ungerecht Behandelten vertritt oder überhaupt soziale Benachteiligungen angreift.



Romane nach Wikipedia

1997 Killing Floor. Putnam, New York City 1997, ISBN 0-399-14253-3.
Größenwahn, 1. Reacher-Buch, dt. von Marie Rahn, Heyne, München 1998, ISBN 3-453-87957-0.
1998 Die Trying
Ausgeliefert, 2. Reacher-Buch, dt. von Heinz Zwack, Heyne, München 2000, ISBN 3-453-17867-X.
1999 Tripwire
Sein wahres Gesicht, 3. Reacher-Buch, dt. von Wulf Bergner, Goldmann, München 2002, ISBN 3-442-35692-X.
2000 The Visitor – US-Titel: Running Blind
Zeit der Rache, 4. Reacher-Buch, dt. von Georg Schmidt, Goldmann, München 2002, ISBN 3-442-35715-2.
2001 Echo Burning
In letzter Sekunde, 5. Reacher-Buch, dt. von Wulf Bergner, Goldmann, München 2003, ISBN 3-442-35577-X.
2002 Without Fail
Tödliche Absicht, 6. Reacher-Buch, dt. von Wulf Bergner, Goldmann, München 2003, ISBN 3-7645-0164-2.
2003 Persuader
Der Janusmann, 7. Reacher-Buch, dt. von Wulf Bergner, Goldmann, München 2005, ISBN 3-7645-0181-2.
2004 The Enemy
Die Abschussliste, 8. Reacher-Buch, dt. von Wulf Bergner, Goldmann, München 2006, ISBN 3-7645-0182-0.
2005 One Shot
Sniper, 9. Reacher-Buch, dt. von Wulf Bergner, Goldmann, München 2008, ISBN 3-7645-0237-1.
2006 The Hard Way
Way Out, 10. Reacher-Buch, dt. von Wulf Bergner, Blanvalet, München 2009. ISBN 978-3-7645-0238-6.
2007 Bad Luck and Trouble
Trouble, 11. Reacher-Buch, dt. von Wulf Bergner, Blanvalet, München 2010. ISBN 978-3-7645-0355-0
2008 Nothing to Lose
Outlaw, 12. Reacher-Buch, dt. von Wulf Bergner, Blanvalet, München 2011. ISBN 978-3-7645-0420-5
2009 Gone Tomorrow
Underground, 13. Reacher-Buch, dt. von Wulf Bergner, Blanvalet, München 2012. ISBN 978-3-7645-0368-0
2010 61 Hours
61 Stunden, 14. Reacher-Buch (1. Buch der Susan-Turner-Tetralogie), dt. von Wulf Bergner, Blanvalet, München 2013, ISBN 978-3-7645-0418-2.
2010 Worth Dying For
Wespennest, 15. Reacher-Buch (2. Buch der Susan-Turner-Tetralogie), dt. von Wulf Bergner, Blanvalet, München 2014, ISBN 978-3-7645-0419-9.
2011 Second Son, Kurzgeschichte (Story-Chronologie: Jack Reacher als Jugendlicher – veröffentlicht als E-Book und als Teil einer Paperback-Ausgabe von "The Affair")
2011 The Affair 16. Reacher-Buch (Story-Chronologie: Jack Reachers letzter Fall in der Armee [zeitlich zwischen The Enemy und Killing Floor])
Der letzte Befehl, dt. von Wulf Bergner, Blanvalet, München 2017, ISBN 978-3-7645-0506-6.
2012 Deep Down, veröffentlicht als E-Book und als Teil einer Paperback-Ausgabe von "The Affair".
2012 A Wanted Man
Der Anhalter, 17. Reacher-Buch (3. Buch der Susan-Turner-Tetralogie – zeitlich nach Worth Dying For), dt. von Wulf Bergner, Blanvalet, München 2015, ISBN 978-0-593-06573-0.
2013 High Heat, Kurzgeschichte (Story-Chronologie: Jack Reacher als Jugendlicher [zeitlich zwischen Second Son und Deep Down] – veröffentlicht als E-Book und als Teil der Paperback-Ausgabe von "A Wanted Man")
2013 Never go back
Die Gejagten, 18. Reacher-Buch (4. Buch der Susan-Turner-Tetralogie – zeitlich nach A Wanted Man), dt. von Wulf Bergner, Blanvalet, München 2016, ISBN 978-3-7645-0542-4.
2014 Personal, 19. Reacher-Buch Im Visier, dt. von Wulf Bergner, Blanvalet, München 2018, ISBN 978-3-7645-0636-0.
2015 Small Wars, Kurzgeschichte
2015 Make Me, 20. Reacher-Buch Keine Kompromisse, dt. von Wulf Bergner, Blanvalet, München 2019, ISBN 978-3-7645-0637-7.
2016 Night School, 21. Reacher-Buch
Der Ermittler, dt. von Wulf Bergner, Blanvalet, München 2019, ISBN 978-3764507169.
2017 No Middle Name. Delacorte Press, New York 2017, ISBN 978-0-399-59358-1. (Diese Anthologie kompiliert die bis dato erschienenen Reacher-Kurzgeschichten und beinhaltet eine zusätzliche, Too Much Time, die in die The Midnight Line führt.)
Der Einzelgänger: 12 Jack-Reacher-Storys, dt. von Wulf Bergner, Blanvalet, München 2018, ISBN 978-3-7645-0652-0.
2017 The Midnight Line, 22. Reacher-Buch
2018 Past Tense, 23. Reacher-Buch
2019 Blue Moon, 24. Reacher-Buch
Sachbücher

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Info:
Lee Child, Ein Jack-Reacher-Roman, IM VISIER, blanvalet 2018
Lee Child, Ein Jack-Reacher-Roman, Keine Kompromisse, blanvalet 2019