Drucken
Kategorie: Bücher
ckeinekompDie neuesten Thriller der Bestsellerautoren, Teil 4

Elisabeth Römer

Hamburg (Weltexpresso) – Das haben wir schon im Vorartikel geklärt, daß das nicht so recht stimmt, wenn wir bei den oberen zwei Thrillern von Lee Child als den neuesten sprechen. Denn es gibt ganz neu seit November 2019 als 21. Band DER ERMITTLER, dessen Besprechung wir folgen lassen, aber IM VISIER von 2018 und KEINE KOMPROMISSE vom Juni des Jahres liegen sozusagen auf der Matte.

Wir wollen beide zusammen behandeln, weil hier etwas auffällig ist, was uns immer wieder mal beschäftigte. Das ist allerdings etwas, was es auch bei anderen Autoren gibt. Die doch recht unterschiedliche Qualität der Bände der Serie. Das liegt zuvörderst an den Geschichten, die sie transportieren, aber setzt sich dann in die Feinheiten des Textes fort. LEE CHILD ist ein Autor für Autoren. So klebt auf dem Titel von IM VISIER ein Aufkleber: „Der bislang beste Jack-Reacher-Roman“ Stephen King.

Aha, das klingt auch danach, als ob King alle Romane gelesen hat. Und das spricht Ken Follett im gleichen Atemzug mit dem Lob aus, wenn er sagt: „Jack Reacher ist der James Bond von heute, ein Thriller-Held, von dem wir nicht genug bekommen können. Ich lese jeden Jack-Reacher-Roman, sobald er erscheint.“ Also das sind ja kaum zu übertreffende Lobsprüche. Was IM VISIER angeht, geben wir Stephen King nur für die Hälfte des Buches recht. Die Konzeption der Geschichte hat wirklich eine Aktualität und eine sich ständig aufbauende Spannung. Es beginnt mit einer Anzeige in einer Militärzeitung: „Jack Reacher Rick Shoemaker anrufen“, die unser Held eher zufällig in der Army Times liest,

Und wenn es zuvor als Allerweltsweisheit gleich im ersten Absatz heißt: „Man kann eine Army verlassen, aber sie verläßt einen nie.“, dann kommt einem gleich die Katholische Kirche in den Sinn, die denen, die die Kirche durch Austritt verlassen, nachruft: Die Bande der Kirche sind unauflöslich. Wer je katholisch war, bleibt es. Jack Reacher war also länger in Kalifornien und sitzt im Bus nach Seattle, als zwei Frauen in Uniform diese Zeitung liegen lassen, die er, der ehemalige Militärpolizist, immer mal wieder als Kommunikationsmittel nutzt. Er ruft auf besagter Geheimnummer diesen Schuhmacher an, dem er eine gute Tat schuldet, weil dieser sich vor vielen Jahren für ihn eingesetzt hatte, obwohl er Mitarbeiter des ihm unangenehmen US-Generals und Geheimdienst-, also CIA-Chef Tom O‘Day ist. Und genau dieser will von ihm etwas, was nicht ohne ist. In Paris war auf den französischen Präsidenten ein Attentat verübt worden, zwar vergeblich, weil ein panzerglasähnliche Vorrichtung den Schuß abwehrte, aber es muß ein Scharfschütze gewesen sein, der aus rund 1300 Metern präzise schoß, von denen es auf der Welt nur ganz wenige gibt, die man durch Aussortieren zählen kann und weltweit auf nur vier Männer kommt. Reacher kommt ins Spiel, weil einer der vier John Kott ist, der beste Scharfschütze der US-Army, den Jack Reacher vor vielen Jahren überführen konnte, weshalb er bis vor einem Jahr im Gefängnis saß.

Doch nicht die Aufklärung dieses Falls, der ja gar nicht zu einem Fall wurde, weil nichts passiert war, ist der Anlaß, sondern das baldige nächste G8-Treffen in London, weshalb der Pariser Schütze gefunden werden muß, um London nicht zu gefährden. Das geht erst mal sehr spannend los und Jack Reacher wird von der CIA mit allem ausgestattet, was er braucht, einschließlich einer taffen, wenn auch angstgestörten, natürlich hübschen jungen CIA-Agentin Casey Nice. Man ist in diesem Thriller sehr schnell drinnen und folgt der spannenden Geschichte nach Paris sehr gerne und auch noch nach London, bis ab ca. der Hälfte so nach und nach eine Überforderung eintritt, weil dann die Beschaffenheit der Waffen, die Schußbahnen und viele Detailfragen uns anfingen zu langweilen.

Was Reacher und Casey in London erwartet und wo ein gewisser Bennet, ein britischer Geheimdienstmann sie unterstützt, ist zwar phantasievoll in Szene gesetzt und läßt uns mit den dreien durch Londoner Stadtteile jagen und auf skurrile Gestalten treffen und man liest auch gespannt weiter, aber im zweiten Teil zieht es sich dann doch, bis zum Schluß nicht nur der ewige Held Reacher die Gefahren bannt, was einigen das Leben kostet, sondern sich dann auch noch herausstellt, daß sein eigentlicher Gegner nicht mal der Scharfschütze Kott ist, sondern einer, der ganz oben in der Hierarchie sitzt!!

Kommen wir noch zu KEINE KOMPROMISSE, der viel typischer für die bisherigen Reachers ist, denn erst, wenn man dann wieder einen traditionellen Roman liest, merkt man im Nachhinein, wie weit die Reise nach Europa IM VISIER LA 19. Roman in neue Dimensionen vorstieß, die sich ja wohl im 21. Roman, der in Hamburg spielt, wiederholen.

Im 20. Reacher sind wir mit ihm von Oklahoma City nach Chicago unterwegs, wo er spontan in einer kleinen Stadt namens Mother‘s Rest im MIttleren Westen aus dem Zug steigt, hauptsächlich, weil er wissen will, wie es zu diesem Namen kam. Dann passieren verrückte Sachen, eine Frau spricht ihn an, die er nicht kennt, die ihn aber zu kennen vorgibt, was nicht stimmt, was aber diejenigen in diesem Ort, die hinter den geschlossenen Fenstern alles verfolgen, was draußen passiert, in Alarmbereitschaft versetzt. Reacher mietet sich im der Station gegenüberliegenden Hotel ein und sieht absonderliche Sachen. Da kommen Leute an, in Weiß gekleidet oder anderweitig herausgeputzt, fahren mit einem Wagen, tauchen aber nie wieder auf. Also folgt Reacher dem nächsten, der ihn in eine Gegend führt, wo nichts los zu sein scheint. Doch, dann findet er eine Farm, die wohl Sterbehilfe anbietet...das war zu viel für die Herrschaften, die ihn beobachtet haben, denn auf der Farm und drumherum geschehen noch viele anderen Dinge, die keiner mitbekommenb soll, weshalb dieser Reacher verschwinden muß, nicht nur aus dem Ort, sondern aus dem Leben!

Doch, da gibt es wieder einige tolle Figuren und gut ausgedachten kleinen Geschichten in der großen, aber manches dreht sich doch im Kreise der sich wiederholenden Kleingeister im Mittleren Westen. Da häufig auf einen besonders spannenden Reacher ein gemäßigter folgt, kann man sich auf den nächsten wieder freuen. Wie lange die Folgen noch gehen? Bisher fällt Lee Child immer noch genug ein.

Foto:
©

Info:
Lee Child, Ein Jack-Reacher-Roman, IM VISIER, blanvalet 2018
Lee Child, Ein Jack-Reacher-Roman, Keine Kompromisse, blanvalet 2019