F Buecherpate Rachid Rawas 1 copyright ASE Frankfurt am MainSeit zehn Jahren gibt es in Frankfurt am Main öffentliche Bücherschränke mit rund 140 Paten, Teil 1/2

Christian Chur

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Behutsam nimmt Rachid Rawas die Neuankömmlinge in Augenschein. Es sind nicht wenige, die Regalböden des Bücherschranks in der Platenstraße sind proppenvoll. Rawas sortiert die neu hinterlegten Bücher um, stellt sie so, dass Interessierte sich besser zurechtfinden. Manches Buch gehört bei aller Liebe aber nicht mehr in den Schrank, sagt er, sondern ins Altpapier. Vorsichtig legt er jene Exemplare zur Seite, die ihr Bücherleben hinter sich haben.

Büchern ein schönes Zuhause geben, sie mit Respekt und Würde behandeln: Das ist eine Haltung, die Rawas täglich lebt. Der 59-Jährige Jugendpädagoge und Ortsbeirat im Bezirk 9 ist einer von rund 140 Paten, die in Frankfurt am Main öffentliche Bücherschränke betreuen. Zehn Jahre ist es her, dass der erste Schrank eröffnet wurde. Mittlerweile gehören die hochgewachsenen, robusten Stahlkörper mit gläsernen Schwenktüren zum Stadtbild – immer wieder kommen neue hinzu. 70 sind es an der Zahl, weitere neun sind in Planung. In den meisten Fällen bezahlt der zuständige Ortsbeirat den Bücherschrank aus seinem Budget – eine Investition von je knapp 7000 Euro.

Das Amt für Straßenbau und Erschließung (ASE) kümmert sich darum, die Schränke aufzustellen und repariert diese bei Bedarf. Einen Flyer samt Übersichtskarte hat das ASE erstellt, damit Interessierte einen besseren Überblick bekommen, wo überall Bücherschränke stehen. Bei dem derzeitigen Zuwachstempo dürfte es allerdings nur eine Frage der Zeit sein, bis selbst die überarbeitete Neuauflage (erschienen im September 2019) wieder veraltet ist.

Rawas betreut gemeinsam mit weiteren Paten vier Bücherschränke, den am Ginnheimer Kirchplatz sogar allein. Darüber hinaus organisiert er Lesungen und weitere Veranstaltungen. Mehrmals in der Woche dreht Rawas mit seinem Fahrrad eine Runde und schaut nach dem Rechten. Immer wieder fischt er Kurioses aus dem Schränken – zum Beispiel eine unbeschriftete 3,5-Zoll Diskette. Jüngere Nutzer des Bücherschranks werden wohl kaum noch wissen, was das überhaupt ist. Bücher für Kinder seien ohnehin der Renner, sagt er: „Gerade Bücher für Kinder, aber auch Bildbände, sind meistens innerhalb von kürzester Zeit weg.“ Aber das sei ja auch in Ordnung so.

Das Sortiment in den Schränken ist ziemlich bunt gemischt: Neben klassischer Schulliteratur wie Dürrenmatts „Die Physiker“ oder Populärtiteln wie Noah Gordons „Der Medicus“ sind auch Bücher dabei, die eher Seltenheitswert haben. „Die Bücherschränke sind ein Spiegel der Menschen. Du erfährst so, welche Leute hier wohnen“, erläutert Rawas. Zum Beispiel seien am Dornbusch vermehrt slawischsprachige Bücher in den Schränken zu finden. Auch ältere Schriften in Sütterlin, zum Teil mit persönlichen Notizen am Rand, haben einen Platz im Schrank. Menschen kommen vorbei, halten kurz an, stöbern, tauschen sich kurz mit Gleichgesinnten aus, die am Bücherschrank stehen: Rawas schätzt das Kommunikative. Kleine Gespräche entstehen, so flüchtig sie auch sein mögen.

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© ASE Frankfurt am Main
Bücherpate Rachid Rawas am Bücherschrank in der Platenstraße