c farrow weinsteinDer Weinstein-Skandal, Trump und die Folgen“ von Ronan Farrow, Rowohlt Verlag, Teil 1/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Bei den Männern, die Frauen schlagen, konnte ich nicht mitsprechen und war auf die Lektüre von Antje Joels Buch angewiesen, aber bei Männern, die Frauen anmachen, sie unter psychischem und körperlichem Druck gefügig machen wollen, da kann ich wohl mitreden und bin nach dieser Lektüre erst recht froh, daß ich den schlimmsten Formen von sexueller Gewalt, Nötigungen und Vergewaltigungen entkommen bin. Vielleicht auch, weil ich nicht im Schaugewerbe tätig war und bin. Obwohl das Wichtigste ist, zu betonen, daß dort nur die Spitze des Eisbergs zu sehen ist.

Frau kann gar nicht anders, als dieses Buch als Frau zu lesen, geht es doch ständig um das, was unsereinem in kleinerem Maßstab täglich begegnete: das ständige Ansprechen von Männern auf einen selber als Frau. Das meinen manche sogar nett, wenn sie dauernd über das Aussehen reden, die Kleidung kommentieren u.a. Und das fällt einem schon gar nicht mehr auf, weil es Alltag ist. Das, worum es Ronan Farrow geht, ach was, was er als unermüdlicher, unbestechlicher, physisch und psychisch nicht ausschaltbarer investigativer Journalist herausgefunden, trotz Drohungen, die auch Leib und Leben betrafen, nicht eingeknickt ist und die verifizierten Ergebnisse veröffentlicht hat, nämlich den permanent übergriffigen, aber auch immer wieder vergewaltigenden Harvey Weinstein in einem Artikel der Zeitschrift New Yorker zu entlarven, was Ausgangspunkt für die staatliche Anklage war, dernach dieser einst mächtigste Medienmodul der westlichen Welt im Gefängnis sitzt. Und Farrow den Pulitzerpreis 2018  einbrachte.

Das ist das eine. Das andere sind die von Weinstein gegründeten Firmen voller Anwälte, die nur dem einen Zweck dienten, seine Untaten nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen, indem seine Opfer erpreßt wurden oder anders genötigt wurden, still zu halten, nichts von Weinsteins Taten weiterzusagen, und wenn es gar nicht anders ging, sie durch Geheimhaltungsabkommen, durch Schweigeverträge in Millionenhöhe, verstummen zu lassen. Das hat uns übrigens richtig beschäftigt, ob das überhaupt geht, einen Vertrag, der Schweigen für eine Vergewaltigung durch einen hohen Geldbetrag sicherstellen will, abzuschließen, der dann auch sicherstellen kann, daß das Schweigen eingehalten wird. Daß das die zahlende Seite durchsetzen will, ist klar, und insoweit auch ständige Drohungen „verständlich“, das Schweigegebot auch einzuhalten. Aber wäre das einklagbar, wenn dann doch gesprochen wird? Es gibt doch so etwas wie unsittliche Verträge und genau um solche handelt es sich. Eine Vergewaltigung bleibt ein zu verfolgendes Verbrechen, wenn es in einem gewissen Zeitrahmen bekannt wird, ganz unabhängig, ob gezahlt und Schweigen versprochen war.

Aber die meisten sexuellen Übergriffe von allen möglichen Chefs in Funk, Fernsehen, Film, sind anderer und eher unappetitlicher Art. Auch die schildert Ronan in Gelassenheit, aber auch als wie demütigend die Frauen die Ansinnen dieser Chefs in tiefer Verzweiflung empfanden, die alle mit deren Sexualorgan zu tun hatten, das sie ansehen sollten, oder berühren oder noch mehr. Und zwar, unabhängig davon, ob die Frauen dem nachkamen, aus Angst, daß die zugesagte Rolle oder die Anstellung wieder gecancelt wird, oder ob sie entschieden NEIN sagten und gingen, was nur ging, wenn die Chefs nicht abgeschlossen hatten, was auch vorkam. Aber unabhängig davon, was wirklich passierte, hat allein der Vorgang sie beleidigt und verstört und Gefühle von Beschmutzung lange lange zurückgelassen.

Man muß gar nicht lange Worte machen, denn Bilder sagen einfach mehr als diese. Gehen Sie ab kommenden Donnerstag in einer der Vorstellungen des Film BOMBSHELL, wo Charlize Theron, Nicole Kidman und Margot Robbie vormachen, wie man gemeinsam gegen den Mann, der die männerdominierten Machtstrukturen gnadenlos ausnutzte, vorgeht. Es handelt sich um den echten Vorfall im reaktionären Fernsehsender Fax News, wo der alleinherrschende CEO Roger Ailes alle attraktiven Frauen, wirklich alle, zu Handlungen zwingen wollte und allzuoft zwingen konnte. Die anderen konnten gehen, was das Aushängeschild des Senders Gretchen Carlson auch tat, aber einen Strafantrag gegenüber Ailes stellte, woraufhin ihr vom Sender schnell ein außergerichtlicher Vergleich angeboten wurde und sie für das herabwürdigende sexistische Verhalten von Roger Ailes im September 2016 20 Millionen amerikanische Dollars erhielt.

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Info:
Ronan Farrow, DURCHBRUCH. Der Weinstein-Skandal, Trump und die Folgen
Rowohlt 2019