KRI KOREASerie: DIE KRIMIBESTENLISTE im April 2020 , Teil 1

Elisabeth Römer

Hamburg (Weltexpresso) – Das ist wirklich eine Überraschung, denn mit dem Koreaner Young-Ha Kim hatte keiner gerechnet, weil man den dortigen Erfolgsautor hier viel zu wenig kennt. So ist dies überraschende Buch schon 2013 erschienen, wurde aber erst jetzt übersetzt. Viel Erfolg dem Verlag Cass!

Das fällt ja sofort ins Auge, daß auf der Bestenliste gleich zweimal Serienmörder im Titel auftauchen. Denn auf Platz 8 schiebt sich – ebenfalls neu – Oyinkan Braithwaite mit MEINE SCHWESTER, DIE SERIENMÖRDERIN, erschienen bei Blumenbar. Auch dieses Buch wird noch besprochen. Jetzt kommt erst einmal eine Übersicht, was sich vom letzten Mal zur Aprilliste hin verändert hat, verschoben oder ausgemustert oder eben, wie diese beiden Serienmördertitel, neu auf die Krimibestenliste gekommen ist.

Fangen wir mit diesen an. Erneut sind, wie im März, gleich fünf neue Titel dabei. Also kann man davon ausgehen, daß alle zehn Krimis, die im Februar noch dabei waren, ausgemustert sind. Das stimmt nicht, weil manche nur einmal auf der Liste Platz finden. Davon berichten wir auch noch. Die neuen Krimis verteilen sich auf verschiedene Sprachgebiete. Gut so! Da wir seit langem angemahnt hatten, nicht zu achtzig Prozent englischsprachige Titel auszuwählen, sondern die Breite der Sprachräume zu nutzen, macht uns die diesmalige Auswahl hinsichtlich dieses Aspekts nachgerade glücklich:

Die neuen Kriminalromane
1 koreanischer
1 amerikanischer
1 französischer
1 nigerianischer und
1 deutscher Titel,

mit zusammen 1658 Seiten und zwei weiblichen und drei Autoren, wie Tobias Gohlis ausgerechnet hat.

Auf die Nummer 1, den koranischen Serienmörder gehen wir noch gesondert ein. Jan Costin Wagner, mit SOMMER BEI NACHT bei Galiani auf Platz 2 gerutscht, wurde schon gewürdigt, was wir vertiefen wollen, Lisa Sandlin ist mit FAMILY BUSINESS bei Suhrkamp neu und gleich auf Platz 3 gesetzt! Die amerikanische College-Professorin hat erneut ihre feministische Interpretation des sonstigen schwarzen, so typischen amerikanischen hard-boiled-Krimis wirken lassen!! Stark. Ihre Ermittlerin ist zum einen eine direkt aus dem Gefängnis entlassene Notwehr-Mörderin, die in einem unterbelichteten Detektivbüro anheuert, eigentlich als kaffeekochende Aushilfstippse, schnell aber die Führung übernimmt, denn ihr Chef ist ein Trottel, der ihr liebenswürdig die Steigbügel hält. Mehr demnächst.

Attica Locke, HEAVEN, MY HOME gehört zu den anrührenden Kriminalromanen, die uns besonders gefielen, weshalb wir froh sind, daß diese Geschichte weiterhin einen guten 4. Platz hält. Wer das Amerika Trumps, nein, nicht verstehen, aber doch erkennen möchte, ist hier richtig, denn wir haben es mit einer üblen Bande zu tun, deren Merkmal, wie bei Brechts Analyse „Unsichtbar macht sich die Dummheit, indem sie sehr große Ausmaße annimmt.“, darin besteht, daß sie sich durch ihr Übermaß unsichtbar macheb. Widerliche Kerle und ein neunjähriger Junge, der gesucht wird. Wir hatten ausführlich darüber geschrieben und empfehlen es om seiner Empathie für die Underdogs.

Von Jérôme Leroys DER SCHUTZENGEL, veröffentlich in der Edition Nautilus und direkt auf Platz 5 vorgestoßen, wissen wir noch wenig. Wenn der Roman so politisch wie sein Vorgänger DER BLOCK von 2017 ist, kann man sich auf ein Durchdringen des französischen Alltags und der verzweigten Strukturen des Rechtsextremismus einstellen. Wird sicher erhellend.

Auf Platz 6, vom dritten Rang des Vormonats heruntergerutscht, klingt Davide Longo mit DIE JUNGEN BESTIEN im Rowohlt Verlag total interessant, und hat im gesellschaftlichen Klima von Haß und Gewalt zum vorherigen Roman eine Gemeinsamkeit. Aber hier nimmt die Vereisung der Gefühle schon im Jahr 1974 seinen Anfang, was mit zehn aufgefundenen Skeletten dann zum großen Gau wird. Leider kommen wir nicht weiter und wissen nicht, wie wir diesen Kriminalroman lesen können. Der Verlag Rowohlt teilte mit, daß sie derzeit keine Bücher verschicken, nur pdfs, danke schön, aber nach der Tagesarbeit am Computer will man nicht noch am Bildschirn Kriminalromane lesen, die Empfehlung, die pdf als ganzes Buch auszudrucken, finden wir merkwürdig, wo es doch die gedruckten Exemplare gibt, auch E-books sind verfügbar, aber das Redaktionsgerät ist verschwunden, die Geschäfte zu, den digitalen Handel bestreiken wir. Also zappenduster mit Lesen und einer Rezension. Schau'n wir mal.

Xavier-MarieBonnot DER ERSTE MENSCH aus dem Unionsverlag dagegen ist aus der Schweiz angekommen. Sind wir froh. Diesen Roman hätten wir sofort auf Platz 1 gesetzt, so ungewöhnlich und auch lehrreich ist er. Er hält sich auf dem siebten Rang und wird die nächste Besprechung der diesmonatlichen Liste sein. Ein toller Roman und ein spannender Krimi auch!

Neu ist die oben erwähnte MEINE SCHWESTER, DIE SERIENMÖRDERIN von Oyinkan Braithwaite , herausgekommen bei Blumenbar. Darüber wissen wir noch gar nichts, machen uns aber schlau, so schnell wie es geht. Bei neuen Krimis und der gegenwärtigen schwierigen Situation an die Bücher heranzukommen, hoffen wir das Beste. Der Roman aus Lagos mit der Krankenschwester Korede ist neu auf dem achten Platz, wie wir schon oben erwähnten, denn die Doppelung mit Serienmörder fällt einfach auf.

Auch bei den nächsten beiden Nominierungen sind wir noch weitgehend uninformiert. Der neue Hillenbrand QUBE aus dem Verlag Kiepenheuer&Witsch soll mit Science-Fiction und Künstlicher Intelligenz zu tun haben und dem Aufbau von Hologramm-Scheinwelten, was interessant klingt. Neu auf Platz 9.

Richard Lorenz HINTER DEN GESICHTERN dagegen, erschienen bei Luzifer, hat seinen zehnten Platz gehalten. Auch hier geht es um eine Krankenschwester. Es scheint so, als ob Corona und sein helfendes Personal von bestimmten Kriminalautoren schon vorgespürt wurde. Und wir sind ganz sicher, daß diese Pandemie in künftigen Kriminalromanen noch vielleicht wenig fröhliche, aber Urstände feiern wird.

So weit die Übersicht. Und in der Folge die Einzelbesprechungen.


DIE KRIMIBESTENLISTE APRIL 2020

1(-) Young-HaKim
Aufzeichnungen eines Serienmörders
Aus dem Koreanischen von Inwon Park.
Cass,152 Seiten, 20 Euro

Südkorea. Vor 25 Jahren hat Byongsun Kim zuletzt gemordet. Jetzt zerfrisst Alzheimer den Verstand des Serienmörders.Gefahr! Ein Killer bedroht seine Tochter. Diesen Rivalen muss er noch töten, auch wenn ihm die Kontrolle entgleitet. Lakonisch, lebensweise, ein Meisterwerk des schwarzen Humors.


2(1) Jan Costin Wagner
Sommer bei Nacht
Galiani, 314Seiten, 20 Euro

Wiesbaden, Innsbruck.Der kleine Jannis ist weg, der kleine Dawit auch. Entführt von Marko, hinter dem noch einer steckt. Das wissen die Ermittler lange nicht, die haben eigene Probleme. Einsam ist der eine, pädophil der andere. Mit dabei: ein Teddybär, ein Campingplatz, viel Angst, viel Schuld.


3(–) Lisa Sandlin
Familiy Business
Aus dem Englischen von Andrea Stumpf.
Suhrkamp, 358 Seiten,10 Euro

Beaumont, Texas1973. Delpha, nach 14J ahren Gefängnis frei auf Bewährung, „entwickelt sich weiter“. Ein dorniger Weg, doch die Sekretärin von „Phelan Investigations“ ist tapfer, menschenfreundlich und schlau. In Notwehr tötet sie einen Serienmörder, dann klärt sie einen tödlichen Bruderzwist auf.


4(2) Attica Locke
Heaven,My Home
Aus dem Englischen von Susanna Mende.
Polar, 322Seiten, 22 Euro

„Hopetown“, Osttexas. Ein neunjähriger Bengel ist verschwunden, Blacks und Native Americans verteidigen ihre Heimat am Lake Caddo,T rump ist gewählt. Darren, schwarz, Texas Ranger,konstruiert Beweise gegen die „Arische Bruderschaft“ , will seinen Leuten helfen, seinenJob behalten, das Richtige tun.


5(-) Jérôme Leroy
Der Schutzengel
Aus dem Französischen von Cornelia Wend.
Edition Nautilus, 352 Seiten, 20 Euro

Frankreich. Seit 20 Jahren beschützt der Auftragsmörder Berthet Kardiatou Diop, eine schwarze Schönheit, aus dem Slum aufgestiegen zur Staatssekretärin. Diese Loyalität stört die Umsturzpläne seiner geheimen Auftraggeber, er soll sterben. Rasanter Politthriller, stylish, komplex, maskulinromantisch.


6(3) Davide Longo
Die jungen Bestien
Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner.
Rowohlt, 412 Seiten, 22 Euro

Turin 1974, 2008. Zehn Skelette werden an der Bahnstrecke Mailand–Turin gefunden, Opfer der „bleiernen Jahre“ des Terrors. Commissario Arcadipane, sein Mentor Bramard und Hackerin Isa bohren in altenWunden. Eine Generation später sind sie kaum vernarbt. Misstrauen, Trauer, Härte, schmale Auswege.


7(7) Xavier-Marie Bonnot
Der erste Mensch
Aus dem Französischen von Gerhard Meier.
Unionsverlag, 348 Seiten, 19 Euro

Marseille. Waren Urmenschen die wahren Menschen? Davon sind der schizophrene Mörder Thomas Autran und seine Schwester, eine Anthropologin, bis zum Wahn überzeugt. Prähistorie und Psychologie, Magie und Mord – Bonnots Rezept funktioniert auch im vierten Krimi um„Baron“Michel de Palma prima.


8(-) Oyinkan Braithwaite
Meine Schwester, die Serienmörderin
Aus dem Englischen von Yasemin Dinçer.
Blumenbar, 240 Seiten, 20 Euro

Lagos. Krankenschwester Korede will nicht mehr hinter Ayoola, ihrer Sexbombe von Schwester, herräumen, deren Lover meist eines unnatürlichen Todessterben. Erst recht nicht, als Ayoola den smarten Doktor umgarnt, den Korede schon für sich gewonnen glaubte. Schwesternhass und-liebe in Macho-Welt.


9(-) Tom Hillenbrand
Qube
Kiepenheuer & Witsch, 556 Seiten, 12 Euro

London, Sonnensystem 2091. DerJournalist wird erschossen,der einen Hinweis auf den Verbleib der( all-) mächtigen Künstlichen Intelligenz Æther besaß. Agent/in Fran Bittner reist bis in den Kuipergürtel, um zu erfahren, dass auch eine KI Moral kennt. Gelungene Kombination aus Science-Fiction und Thriller.


10(10) RichardLorenz
Hinter den Gesichtern
Luzifer, 294Seiten, 13,95 Euro

Nahe München. Als Kind hatte sie das zweite Gesicht, jetzt hätte es Krankenschwester Lisbeth dringend nötig – wie vor 30 Jahren ist ein Mörder in der Kleinstadt. Kehrt die mühselig verdrängte Vergangenheit schlimmer wieder? Angst wird Horror, Erinnerung Qual. „Wir haben nicht nur eine Geschichte. “Stark.


Die Krimibestenliste, wo kann man sie lesen, wer erstellt sie, wo wird sie veröffentlicht?

WO? außerhalb von WELTEXPRESSO
Die Krimibestenliste auf Deutschlandfunk Kultur
www.deutschlandfunkkultur.de

Die Krimibestenliste erscheint am ersten Sonntag des Monats: www.faz.net
Die zehn besten Kriminalromane des Monats März 2020 sind allerdings nur noch über online verfügbar. In der Vergangenheit veröffentlichte die FAS, die Sonntagszeitung der FAZ, an jedem ersten Sonntag im Monat die jeweilige Liste im Feuilletonteil. Leider gibt es die Liste seit 2020 nur noch im Internet. Ob die FAZ und FAS wissen, welche Einbuße sie damit bei Krimilesern erfahren?

An jedem ersten Sonntag des Monats geben 19 Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Die Krimibestenliste ist eine Kooperation der Frankfurter Allgemeinen mit Deutschlandfunk Kultur.

Die Jury:
Tobias Gohlis, Sprecher der Jury | Volker Albers, „Hamburger
Abendblatt“ | Andreas Ammer, „Druckfrisch“, BR | Gunter Blank,
„Rolling Stone“ | Thekla Dannenberg, „Perlentaucher“ | Hanspeter
Eggenberger, „Tages-Anzeiger“ | Fritz Göttler, „Süddeutsche Zeitung“ |
Jutta Günther, „Radio Bremen Zwei“ | Sonja Hartl, „Zeilenkino“,
„Culturmag“, „Deutschlandfunk Kultur“ | Hannes Hintermeier, „Frankfurter
Allgemeine Zeitung“ | Peter Körte, „Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung“ | Alf Mayer, „Culturmag“, „Strandgut“ | Kolja Mensing,
„Deutschlandfunk Kultur“ | Marcus Müntefering, „Der Spiegel“ | Ulrich
Noller, „Deutschlandfunk Kultur“, „Deutschlandfunk“, SWR, WDR | Frank
Rumpel, SWR | Ingeborg Sperl, „Der Standard“ | Sylvia Staude,
„Frankfurter Rundschau“ | Jochen Vogt, „NRZ“, „WAZ“

Foto:
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