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Kategorie: Bücher
herrenhauserbuchAdeliges Leben im Baltikum. Herrenhäuser in Estland und Lettland, 27. Juni bis 4. Oktober, Deutsches Bernsteinmuseum Ribnitz-Damgarten, Teil 4/4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Herrenhäuser sagen wir heute, was vom Umfang und der Bedeutung her zwischen Burg, Schloß und herrschaftlichem Besitz in Form vom Gutshof changiert , auf jeden Fall der Wohnort des Ländereinbesitzers war, der meist Gutsherr genannt wurde, weshalb das Herrenhaus den Gutshof voraussetzt, was im heutigen Estland und Lettland für das alte Livland bedeutete, daß rund 70 Prozent des Landbesitzes in der Hand des deutschbaltischen Adels mit einigen Hundert Familien lag.

Längst hatten die Deutschen auch schwedische sowie polnische Adlige und Mitglieder der russischen Aristokratie auf Rittergütern angesiedelt; neben den adligen Rittergütern gab es Domänen als Staatseigentum, Patrimonalgüter (Stadteigentum) oder „Pastorate(mit einer Pfarrstelle verbundener Besitz) – insgesamt 2 000 Güter.“

Die ersten Herrensitze waren mittelalterliche Burgen, die seit dem 16. Jahrhundert zu Wohnsitzen und Residenzen umgebaut wurden. Mit der Turmburg Wack/Vao ist ein steinernes Denkmal 1986 restauriert worden, das man heute besuchen kann. Die meisten Herrenhäuser jedoch wurden aus Holz gebaut, was leicht niederbrannte und über die Jahrhunderte vermoderte. Doch mindestens zehn Prozent der Bauten waren aus Stein und diese wurden von den wohlhabenderen Gutsherren gebaut. Ein Beispiel dafür ist das FESTE HAUS GROß-STENDEN, das einfach ein festes Steinhaus ist und im Auftrag von Philipp von der Brüggen (gest. 1556) errichtet wurde und fast 400 Jahre in Familienbesitz blieb. Sehr eigen auch die strohgedeckten, eigentlich einfachen ebenerdigen Gebäuden, die nach Sylt und Nord- und Ostsee aussehen, sie sind umrandet mit Bäumen, die Weite und herrliche Landschaft suggerieren.

Wußten Sie, daß zu Zeiten der Bebauung von Sankt Petersburg der Häuserbau mit Steinen anderswo verboten war? Doch das verursachte dem in russischen Diensten stehenden Johann Balthasar von Campenhausen (1689-1721) kein Problem: er ließ seinen herrschaftlichen und im Habsburger, bzw., Maria-Theresien-Gelb gestrichenen barocken Prunkbau aus Holz errichten. Das sind diese großzügigen zwei-, dreigeschossigen Prunkherrenhäuser, die an beiden Seiten Treppenaufgänge haben und in der Mitte oben den Giebel und unten das Entree, an der Fassade Pilaster neben den Fenstern, die den Bau gliedern. Herrliches Wohnen , wenn denn Putzpersonal vorhanden ist.

Wir können unmöglich alle aufgeführten Herrenhäuser vorstellen. Es geht ja auch mehr um den Überblick, was wir uns optisch unter den baltischen Herrenhäusern vorstellen können. Wie gesagt, auch Schlösser, denn der Bau von Schloß Mesothen, das von dem russischen Hofarchitekten Giacomo Quarenghi (1744-1817) – klingt nicht sehr russisch, italienische und französische Baumeister gab es zu Hauf – entworfen worden war, muß einfach Schloß genannt werden. Es gehörte Charlotte von Lieven (1743-1828), die es für ihre Verdienste als Erzieherin der Kinder der Zarin Katharina II sowie als ihre Hofdame und dann Oberhofmeisterin nebst anderen Gütern erhielt, nachdem sie in den Grafen- und später in den erblichen Fürstenstand erhoben worden war. Keine schlechte Karriere! Damals gab es also ausufernden Land- und Hausbesitz, was heute mit Aktien und Managergehältern belohnt wird.

Im Begleitzettel zur Ausstellung ist in einem Ausschnitt das Herrenhaus Kolk abgebildet. Auch hier würden wir von der Anlage her sofort Schloß sagen, das Gebäude gehört zu einem der ältesten, größten und reichsten Güter der Ostseeprovinz Estland, es wurde 1765 bis 68 für den schwedischen Karl Magnus Graf Stenbock errichtet und tatsächlich 1993 restituiert, also den Nachfahren dieser schwedischen Familie zurückgegeben.

Foto:
© Cover

Info:
Als Katalog zu nutzen, aber auch als eigenständiges Buch sinnvoll:
Agnese Bergholde-Wolf, ADLIGES LEBEN IM BALTIKUM, Herrenhäuser in Estland und Lettland
Potsdamer Bibliothek Östliches Europa, Kunst, Deutsches Kulturforum östliches Europa
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