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Kategorie: Bücher
adligesleben kulturforum.infoAdeliges Leben im Baltikum. Herrenhäuser in Estland und Lettland, 27. Juni bis 4. Oktober, Deutsches Bernsteinmuseum Ribnitz-Damgarten, Teil 3/4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Schon auf der Innenumschlagseite hätte wir Stunden verweilen können. Es zeigt die Karte der drei baltischen Staaten, die Republiken Estland (Estonia), Lettland (Latvia) und Litauen (Lithuania), dann aber auch Livland (Livonia), da gab‘s doch auch Kurland, ja hier ist es auch, liegt aber heute in Lettland, während das große Livland heute auf Estland und Lettland aufgeteilt ist.

Wir dürfen uns dort jetzt nicht verlieren, obwohl das naheliegt, wenn man an der östlichen Grenze des lettischen Livland MARIENBURG (ALÜKSNE) liest, früher nahe der Grenze zum Gouvernement Vitebsk – dort ist doch 1877 in Russischen Kaiserreich Marc Chagall geboren?! , heute Weißrußland - die Marienburg also heute Teil Lettlands, wenn wir das richtig lesen, denn durch verschiedene Farben werden die Grenzverläufe um 1900 sowie die heutigen angegeben. Gut so und auch, daß wir dann auch sofort die weißen Kringel entdecken, die jeweils den Standort der Herrenhäuser angibt, die in diesem Bildband eine Rolle spielen.

Wir sehen gleich, da gibt es Schwerpunkte oben östlich von Reval, also in Ostseenähe, dann gehäuft in der Mitte des ehemaligen Livland und wiederum gehäuft in dem Teil Kurlands, das sich zwischen der Rigaer Bucht und der offenen Ostsee erstreckt. Beide Teile gehören heute zu Lettland, wo also der Karte nach der überwiegende Teil der Herrenhäuser steht. Das hätten wir schneller haben können, denn im folgenden VORWORT wird genau dies ausgedrückt und wir lernen dazu, daß Baltikum sich früher auf ‚vormaligen Ostseeprovinzen des Russischen Reichs Estland, Livland und Kurland – also im Wesentlichen auf das Territorium der heutigen Staaten Estland und Lettland‘ bezogen. Nicht auf Litauen.

Erst hatten die Ordensritter aus Deutschland – vor allem aus Norddeutschland und Westfalen - ihre Gutsherren geholt, sie mit Landbesitz ausgestattet, also Großgrundbesitzer aus ihnen gemacht, die entweder schon dem Adel entstammten oder geadelt wurden, später hielt sich diese deutsche Oberschicht – die auch das gehobene Stadtbürgertum ausmachte - auch in den Zeiten polnisch-litauischer wie schwedischer, sodann russischer Herrschaft. Eine wilde Geschichte mit ständigem Hin und Her, in der die Deutschen ihre Privilegien erhalten, ja ausbauen konnten. Einen Bruch ergab erst die Bildung der Nationalstaaten Estland und Lettland, wobei das gesamte Gebiet nach Sprachgrenzen getrennt wurde, den endgültigen Bruch brachten die Nazis, die sich erst einmal diese Gebiete einverleibten. Davor allerdings hatte das geheimen Zusatzprotokoll des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes am 23. August 1939 – eine der schlimmen politischen Handlungen der Sowjetunion, vom Hitlerreich war man das ja gewohnt, Unrecht konstituiert das damalige Deutschland - das Baltikum erst einmal der UdSSR zugeschlagen und fast 50 000 Deutschbalten bis zum Dezember 1939 in einer sogenannten Repatriierung nach Deutschland umgesiedelt, was heute kam mehr einer weiß, schon deshalb nicht, weil diese Deutschbalten nach Posen und Westpreußen umgesiedelt wurden, was sie nach dem verlorenen Krieg dann verlassen mußten, also zwei Mal zu Flüchtlingen wurden; nur einige blieben dort und wurden zu Auslandsdeutschen, zu Esten, Letten, Russen oder Polen.

Im Juli 1941 besetzte also die deutsche Wehrmacht Estland, Lettland und Litauen, deren Soldaten und kriegstaugliche Männer dann zwangsrekrutiert gegen die Sowjetunion mitkämpften. Einheimische Kollaborateure halfen entscheidend beim monströsen Verbrechen Deutschlands, der Vernichtung des osteuropäischen Judentums; sie denunzierten heimische Juden, leiteten die Verschickung in die Konzentrationslager und Vergasungsstätten. Ein ganz schlimmes, ein anderes Thema, das wir ein andermal unbedingt aufgreifen müssen, zerstörte es doch bis auf die Wurzel das osteuropäische Judentum, das Schtetl und seine Sprache.

Und hat man das Vorwort gelesen, geht DAS BALTIKUM. KURZE GESCHICHTE DER REGION noch vertieft auf das ein, was wir als geschichtlichen Überblick voranschickten, denn vor dem Anschauen der Pracht der Fotografien, was immer wieder auch verblichene Pracht bedeutet und notwendige Sanierungen(!), muß einfach das geschichtliche Gerüst stabil sein.

FORTSETZUNG FOLGT

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Info:
Als Katalog zu nutzen, aber auch als eigenständiges Buch sinnvoll:
Agnese Bergholde-Wolf, ADLIGES LEBEN IM BALTIKUM, Herrenhäuser in Estland und Lettland
Potsdamer Bibliothek Östliches Europa, Kunst, Deutsches Kulturforum östliches Europa
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