csm Pressefoto Jury dbp20 c vntr media 1 7c906c89fbDeutscher Buchpreis 2020, Teil 4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es ist auffällig, wie wenig dieses Jahr bisher über die Auswahl zum Deutschen Buchpreis, also die Zwanzigerliste geschrieben wurde, vergleicht man das mit früheren Jahren, wo moniert wurde, wenn bekannte Autoren, ja von Publikum und Kritik gefeierte Romane fehlten, auch der oft geringe Anteil von Frauen auf der Liste gerügt wurde, was ja bei zwanzig Namen sofort ins Auge fällt.

Angezeigt wurde auch, wie viele Romane aus welchen Haus kamen, 4-5 aus einem Verlag bedeutet gleichzeitig, Nichtberücksichtigung anderer Verlage, was auffällt, wenn es bekannte Verlage sind. Und im Jahr 2020? STILLE. An Corona kann das nicht liegen.

Das liegt meiner Meinung nach an der Aufnahme vieler Autoren und Autorinnen auf die Liste, die ansonsten wenig im Gespräch sind, wobei man eigentlich schreiben will, junge Autoren und Autorinnen, weil das ja naheliegt und auch hier nicht falsch ist, aber doch nur einige betrifft, während andere schon lange schreiben, aber auf solchen Buchpreislisten noch nicht standen. Wir reden jetzt von denen, die schon einmal gelistet waren oder sogar den Deutschen Buchpreis erhielten, wie – unvergessen – Frank Witzel im Jahr 2015 für „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“. Unvergessen deshalb, weil man seinen Romantitel auswendig lernen mußte, während sein jetziger „Inniger Schiffbruch“ zwar kurz ist, aber dennoch zum Nachdenken zwingt. Ein Schiffbruch, ja, erleiden auch, aber ein inniger Schiffbruch? Interessant. Demnächst mehr. Der Schiffbruch ist wie sein erfolgreicher Buchpreisroman, der seinen Einstand beim Verlag Matthes & Seitz bildete, dort erschienen. Frank Witzel hatte zuvor in der Edition Nautilus veröffentlicht.

Auffällig auch, wie viele Verlage diesmal dabei sind, also relativ wenig Mehrfachnennungen und auffällig auch, wie viel kleinere, ja kleine, auch kaum bekannte Verlage darunter sind. Aber eines bleibt eine Konstante: Jung und Jung aus Salzburg ist wieder dabei! Der Verlag, der zweimaligen Buchpreisträgerinnen - „Tauben fliegen auf“ von Melinda Nadj Abonji  im Jahr 2010, die dafür auch im gleichen Jahr den Schweizer Buchpreis erhielt, ein wirklich wunderbarer Roman, und zwei Jahre später Ursula Krechel  mit „Landgericht“, ein Roman, der seiner Zeit fast voraus war, bzw. diese einläutete, denn erst heute entfaltet sich tiefes und anhaltendes Interesse daran, wie die Nachkriegszeit schmählich mit Rückkehrern umging, die aus dem Exil, das sie der Nazis wegen suchen mußten, wieder in die Heimat kamen, besonders übel im Bereich der Justiz, die nicht nur besonders nazihörig war, sondern dies auch nach 1945 frohgemut und wenig behindert fortsetzte.

Diesmal führt Jung und Jung sogar die Liste an - dazwischen lagen übrigens noch wiederholt Nennungen von Jung und Jung auf der Zwanzigerliste und der Sechserliste - , weil ihre Autorin mit A beginnt. Wieder eine Frau! Helena Adler, „Die Infantin trägt den Scheitel links“, erschienen im Februar 2020. Das Höchste sind Doppelnennungen, kein Verlag kommt öfter vor. Die Verlage, aus deren Angebot zwei Nominierungen gesetzt wurden, sind Kiwi, also Kiepenheuer & Witsch, Suhrkamp, Matthes und Seitz und S. Fischer . Nicht berücksichtigt wurde jetzt das gemeinsame Haus von Hanser, wo der Paul Zsolnay Verlag im März 2020 „Ich an meiner Seite“ von Birgit Birnbacher brachte, Carl Hanser „Aus der Zuckerfabrik“ von Dorothee Elmiger im August 2020 und Hanser Berlin ebenfalls im August Robert Seethalers „Der letzte Satz“ vorlegte.

Die Doppelbenennung von Matthes & Seitz gilt neben Frank Witzel der Dichterin Anne Weber mit „Annette, ein Heldinnenepos“, das im Februar 2020 erschien und deshalb besondere Aufmerksamkeit erweckt, weil Anne Weber seit dem Abend des 28. August auch Stadtschreiberin von Bergen ist, was meist Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim, einem Vorort Frankfurts, genannt wird. Da in Frankfurt auch durch den Deutschen Börsenverein alles zusammenläuft, stößt das hierzulande auf besonderes Interesse, auch wenn auf die sonstige Abschlußfeier im Römer in gewohnter Form – diesmal wegen Corona – verzichtet werden muß. Und noch eine Gemeinsamkeit der beiden Matthes & Seitz Autoren: Offenbach am Main! Anne Weber ist dort geboren, lebt heute schon lange in Frankreich, hauptsächlich in Paris, und der standfeste Hesse Frank Witzel, geboren in Wiesbaden, lebt in Offenbach und er lebt dort sehr sehr gerne.

Fortsetzung folgt

Foto:
V.l.n.r.: Maria-Christina Piwowarski, Chris Möller, Denise Zumbrunnen, Katharina Borchardt, Felix Stephan, David Hugendick, Hanna Engelmeier.
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Info:
Bisherige Berichterstattung zum Deutschen Buchpreis 2020
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/18931-187-romane-eingereicht-120-verlage-beteiligt
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/18930-die-jury-steht-schon-laenger-fest