Cover Linker AntisemitismusGerhard Hanloser (Hrsg.): Linker Antisemitismus?, Wien, Mandelbaum Verlag, 304 Seiten, 22 Euro, Teil 2/2

Klaus Hagert

Berlin (Weltexpresso) - Ein Gespenst geht um in der Linken: der Antisemitismus. Zum stehenden Begriff ist er geworden, in bürgerlichen bis rechten Publikationen wird er breit getreten – doch was ist da dran? Der Frage geht der Sammelband „Linker Antisemitismus?“ nach, den Gerhard Hanloser gemeinsam mit sechs weiteren Autoren herausgegeben hat.

Zentrales Ergebnis des überwiegend sehr gründlich recherchierten Bandes: es gibt und gab immer wieder einzelne Linke, die zugleich auch Antisemiten waren. Zugleich gab und gibt es deutlich mehr Linke, die den Antisemitismus bekämpften und weiter bekämpfen. Nicht umsonst schlossen sich zu Zeiten der im 19. Jahrhundert noch revolutionär gesonnenen Sozialdemokratie viele selbst bürgerliche Juden der „Arbeiterpartei“ SPD an, einfach weil deren Gleichheitsgedanke der weit verbreiteten religiös kaschierten Diskriminierung entgegentrat.

So erfüllt der bevorzugt von konservativer Seite erhobene Vorwurf des „linken Antisemitismus“ heute dieselbe Funktion wie der einige Jahrzehnte früher erhobene Vorwurf, etwas sei „jüdisch“ oder „verjudet“: Nämlich die Diskreditierung des Gegners. „Schlagwörter ersetzen Argu­mente, Kritik weicht Diffamierung und Tabuisierung tritt an die Stelle begrifflicher Analyse, was besonders deutlich von Peter Menne für den Theaterskandal rund um Fassbinders Stück Der Müll, die Stadt und der Tod herausgearbeitet wird“, so Rezensentin Linda Lilith Obermayr in der „Volksstimme“.

Dass es der FAZ-Herausgeber Joachim Fest war, der die Chiffre „linker Antisemitismus“ geprägt hat, läßt sich leicht herausfinden. Warum der Historiker sich da so stark ins Zeug gelegt hat, genau das analysiert Peter Menne gründlich und in in jedem Schritt nachvollziehbar.

Am Beginn des Sammelbands stehen eine Bestandsaufnahme tatsächlicher antisemitischer Aktivitäten von Seiten Linker und ein Überblick über verschiedene Begriffsdefinitionen. Dann folgen Aufsätze zur Neuen Linken und zum Wandel in den Ansichten über bzw. Stellungnahmen zu Israel und dessen Gegnern im Nahost-Konflikt. Dass die Autoren fundiert und mit breiten Hintergrundwissen an das emotional aufgeladene Thema herangegangen sind, zeigen Gerhard Hanloser und Peter Menne auch im hpd-Interview, das wir hier zweitveröffentlichen dürfen.

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Info:
Gerhard Hanloser (Hrsg.): „Linker Antisemitismus?“, Wien: Mandelbaum Verlag, 304 S., 22,- €, ISBN: 978385476-691-9,
https://www.mandelbaum.at/buecher/gerhard-hanloser-hg/linker-antisemitismus
Linda Lilith Obermayr: „Buchtipp: Linker Antisemitismus?“ in: Volksstimme, 23. September 2020,
http://volksstimme.at/index.php/zwischenrufe-links/item/428-buchtipp-linker-antisemitismus.html

Nachdruck des folgenden Interviews mit freundlicher Genehmigung der Redaktion:
Interview zuerst veröffentlicht im Humanistischen Pressedienst (hpd):
Joscha Wölbert: „Gibt es Antisemitismus von links?“, hpd-Interview vom 18. Dezember 2020, https://hpd.de/artikel/gibt-es-antisemitismus-links-18814