wolkenbrchSerie: Auf die Schnelle: Gute Unterhaltungsliteratur, gebraucht, Teil 37

Konrad Daniel

Berlin  (Weltexpresso) – Also schon wieder wurde die Vorstellung DIE GLÜCKSPARADE viel zu lang, um WOLKENBRUCH angemessen zu Wort kommen zu lassen. Jetzt können Sie aufatmen, es geht nicht um einen Jungen, sondern um einen 25jährigen, der allerdings von seiner Mutter wie ein zu erziehendes Kind behandelt wird. Ja, es geht satirisch zu in dem Zürcher orthodoxen Milieu, daß einen Widerspenstigen nach Israel importiert, um wieder fromm zu werden. Aber so geht das eben nicht.

Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse von Thomas Meyer

Der Roman hält, was der Titel verspricht. Man glaubt die ganze Zeit, in einem Film zu sitzen, in einem der alten Woody Allen Filme, weil alles, was wir lesen, einen gewissen Ton hat und gleichzeitig von der Handlung und den Handlungsschritten her solche süßsauren Geschichten zu den großen Erfolgen zählen. Solche Geschichten? Na ja, wenn einer schon Motti Wolkenbruch heißt, die Abkürzung von Mordechai, seine mame ihn aber Mottele nennt, während sein tate gar nichts mehr sagt und immer nur auf dem Sofa sitzt und „das Tachles, das jüdische Wochenmagazin“ liest. Wie toll, wir lesen in der Redaktion auch immer tachles -https://www.tachles.ch/ , weil es die große Welt mit der kleinen verbindet.

Doch, er macht es schon gut, der Mottele, der instinktiv weiß, daß die Heiratskandidatinnen seiner Mutter, jedesmal streng Orthodoxe, nicht die richtigen für ihn sind. Aber daß es gleich eine Schickse sein muß, die ihm zufällig über den Weg läuft. So ist das mit dem eine Grenze zu überschreiten. Es geht immer weiter. Für Motti heißt das, daß seine ganzen Lebensumstände, die mit ihm selber anfangen, in Frage stehen. Und das heißt erst einmal, daß er Stück für Stück aus seiner abgeschotteten orthodoxen Welt in eine andere Wirklichkeit tritt, den Bart abrasiert, die Löckchen auch, Jeans anzieht anstatt der schwarzen Universaltracht, er wird ein Normalbürger. Aber davon gibt es viele. Also ist er nichts Besonderes mehr und man kann wirklich nicht davon sprechen, daß er nun ein Frauenliebling würde.

Weil er nicht so aufs Erfolgskurs ist, läßt er sich vom Rabbi ins Land der Väter schicken, nach Israel zu den Verwandten, die in Tel Aviv leben. Die Absicht des Rabbi und die seiner Eltern ist klar. Motti soll dort erneut ins orthodoxe Leben eintauchen. Ach, wenn sie sich das nur besser überlegt hätten!! Jeder, der Tel Aviv kennt, weiß auch um das Motto der Stadt, das sie New York nachempfunden haben, eine Stadt zu sein, die 24 Stunden lang niemals schläft. Also im Ernst, Tel Aviv ist – im Gegensatz zur sehr großen orthodoxen Gemeinde in N.Y. - die am wenigsten orthodoxe Stadt, sondern extrem lebenslustig, eine Partystadt und eine Stadt der Liebesgeschichten. Auch die der sehr kurzfristigen.

Motti auf jeden Fall kommt auf seine Kosten. So wird das nichts mit der Rückkehr zur Orthodoxie. Aber so wird das was, mit dem Eintauchen in die Fleischeslust, die Motti endlich gelingt. Sehr humoristisch. Gut gefällt mir die Schreibung, die jüdische Worte, ob es immer Jiddische sind, weiß ich nicht, klein schreiben. So ist ruk-schpigl lautmalerisch doch wirklich nett.

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Info:
Thomas Meyer, Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse, Salis Verlag, Zürich 2012
ISBN 9783905801590

Thomas Meyer
wurde 1974 in Zürich geboren. Nach einem abgebrochenen Studium der Jurisprudenz arbeitete er als Texter in Werbeagenturen und als Reporter auf Redaktionen. Erste Beachtung als Autor erlangte er 1998 mit im Internet veröffentlichten Kolumnen. 2007 machte er sich selbstständig als Autor und Creative Director. Er lebt und arbeitet in Zürich.