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Kategorie: Bücher
droemer„Die Wahrheit und nicht als die Wahrheit. Der Ex-FBI-Direktor über die Unterwanderung des amerikanischen Justizsystems“, James Comey bei Droemer, Teil 2/3

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Comey schreibt natürlich zur Amtsübergabe an Biden das Buch der Stunde. Aber, das war das Überraschende, daß gar nicht die Auseinandersetzungen mit Trump, bzw. die Durchsetzung seiner rechtswidrigen Befehle an die Justiz das Interessante am Buch sind, sondern orientiert am beruflichen Lebenslauf des Juristen Comey die Einblicke in das Leben eines Staatsanwalts in New York und in die seiner anderen beruflichen Stationen.

Aua, dachte ich am Anfang, als es losging mit dem 14. September 2016 und der Entführung einer Sechsjährigen durch einen überführten Sexualstraftäter, der nach der Verbüßung einer 16jährigen Haftstrafe erneut zuschlägt. Aber es geht schnell gut aus und das Weitere geht dann nicht erst mal so an die Nieren, wie es Verbrechen an Kindern immer tun. Und wer noch nie das Buch eines Amerikaners in einem öffentlichen Amt gelesen hat, sollte das, über das inhaltliche Interesse hinaus tun. Denn es tun sich einfach Welten auf zwischen der Darstellungen unseres Justizsystems und dem Amerikas, wenn die Unterwanderung der amerikanischen Justiz durch die Politik geschildert wird. Das ist nicht nur sachlich gemeint. Und fehlt einfach das Pathos, mit dem Amerikaner ihre Institutionen begleiten.

Der Verfasser setzt ein mit dem Gefeuertwerden der Justizministerin Sally Yates, Vorgesetzte des FBI, als Anfang des vernichtenden Angriffs von Trump gegen seine eigenen US-Nachrichtendienste der Intelligence Community, zu der das FBI gehört, dessen Direktor damals James Comey war. Der Klappentext stellt den 1960 geborenen Juristen vor, der verheiratet und mit fünf Kindern gesegnet, sehr schnell ab 2003 Stellvertretender Justizminister wurde und ab 2013 Direktor des FBI wurde, bis ihn Trump 2017 feuerte.

Äußerlicher Anlaß war , daß er der Weisung Trumps, die Ermittlung gegen die republikanischen Mitarbeiter Trumps in den Rußland-Ermittlungen einzustellen, nicht nachkam – heute weiß man daß Rußland nachweislich durch Ausspionieren der Emails von Hillary Clinton und deren Veröffentlichungen im Wahlkampf durch die Republikaner die Wahlen zugunsten von Trump beeinflußt und die erste weibliche Präsidentin verhindert hat. Ich verstehe bis heute nicht, daß die Demokraten die lächerliche Behauptung Trumps, ihm die Wahlen gestohlen zu haben, nicht damit erwidern, daß er ihnen die Wahlen auf jeden Fall mit Hilfe Rußlands gestohlen hat. Denn so war es, abgesehen davon, daß Clinton fast über 3 Millionen mehr Stimmen hatte als Wahlsieger Trump. Ein Wahlsystem, das so etwas möglich macht, ist für Deutsche sowieso schwer zu verstehen.

Wie sehr also die amerikanischen Amtsträger der Justiz von diesem angesprochenen Pathos geprägt sind, zeigt sich in er Auswahl der einführenden Fälle, die Comey erst als Rechtsreferendar und dann als Staatsanwalt von Manhattan unter dem Stichwort GERECHTIGKEIT LERNEN und DIE GUTEN TAGE aufführt. Inhaltlich hat er mit drei Schwerpunkten zu tun. Rauschgift, Raub und Prostitution und zusätzlich mit der Mafia. Wobei letztere mit den ersten Drei viel zu tun hat, was unter der Ägide des Bundesanwalts im Bezirksgericht New York, Rudy Giuliani - genau dem, der nach der Biden-Wahl so durchdrehte - derart radikal polizeilich und juristisch aufgearbeitet wurde, daß dieser anschließend zum Bürgermeister von New York gewählt wurde. Die einzelnen Fälle muß man nicht aufführen, aber sie sind auf jeden Fall interessant. Für uns sind es auch Aussagen wie diese, nachdem Anwälte ja nur ihren Mandanten verpflichtet sind: „Hingegen hatte ich als Bundesanwalt eine über jeden Einzelfall oder Zeugen oder Kollegen hinausweisende Verantwortung um so mehr, als mein Mandant nicht im Gerichtssaal anwesend war. Mein Mandant war ein Ideal, und zwar ein für unseren demokratischen Rechtsstaat zentrales: Gerechtigkeit.“

Das war ungewollt wieder ein Beispiel für Pathos, aber Comey kann auch komisch, bzw. Komisches berichten, wie z.B. die Flucht eines gefangenen und verurteilten Verbrechers aus dem siebten Stock des Bundesgefängnisses in Manhattan mithilfe von Zahnseide. Echt. Er hatte diese nach und nach in langen Strängen entwendet und zu einem Seil gebunden. Allerdings hatte er die Handschuhe, die er ebenfalls im Gefängnis entwendet hatte, auf dem Bett liegen lassen, weshalb er beim Runtergleiten ab irgendwann derart blutige Handflächen bekam, daß er los ließ und auf das Dach fiel. Das war übrigens ein Iraner, der zu Hause ein ganzes Waffenarsenal hatte und dessen Hände operiert werden mußten. Daß er von dort seine Bewacher überlistete und wieder türmte, erzählt Comey sicher nur deshalb so lustig, weil „ein SWAT-Team des FBI stürmte herein und nahm den Mann zu dritten (und letzten) Mal fest.“ Der geflohene Iraner war bei dieser dritten Festnahme völlig verdreckt und mehrfach verletzt und nahm seine Festnahme eher mit Erleichterung auf. Er war in ein berüchtigtes New Yorker Viertel geflohen. „Er war dort zweimal überfallen und beide Male verprügelt worden, weil für die Räuber bei ihm kein Geld zu holen war. Das New York des Jahres 1988 war kein guter Ort für barfüßige Flüchtlinge ohne einen Penny in der Tasche.“ Übrigens hatte die Flucht des Iraners Auswirkungen. „In unseren Bundesgefängnissen wurde Zahnseide von da na nur noch in vorgekürzten Stücken ausgegeben.“

Fortsetzung folgt

Foto:
©droemer-knaur.de

Info:
James Comey, Die Wahrheit und nicht als die Wahrheit. Der FBI-Direktor über die Unterwanderung des amerikanischen Justizsystems, Droemer, gebunden mit Schutzumschlag. Aus dem amerikanischen Englisch von Pieke Biermann, Elisabeth Liebl, Karl Heinz Siber, Karsten Singelmann, Dr. Hella Reese, Christiane Bernhardt, Gisela Fichtl, Stephan Kleiner, Monika Köpfer
ISBN: 978-3-426-27855-0