seelenhausAuf die Schnelle: Gute Unterhaltungsliteratur, gebraucht, Teil 53

Lena Lustig

Köln (Weltexpresso) – Diesmal geht es um zwei Frauen, denen es an die Existenz geht. Die eine wird 1829 in Island zum Tode verurteilt, die andere, eine deutsche, heute erfolgreiche Autorin, wäre an ihrer lebensbedrohlichen Krankheit fast gestorben – aber auch an den Verhältnissen, die wir ändern mußte, was sie alles beschreibt.

DAS SEELENHAUS von Hannah Kent

Es geht um die verurteilte Mörderin Agnes Magnusdottir, die 1828 auf ihren Tod wartet. Natürlich will man gleich wissen, warum Hannah Kent, eine Australierin darüber schreibt. Das wird gleich auf der Umschlagrückseite erklärt. Sie war nämlich als Austauschschülerin nach Island gekommen und hatte damals diese wirkliche Geschichte gehört, die sie aufgriff, untersuchte und daraus einen Roman machte, ihren ersten, der gleich ein Sensationserfolg in der englischen Welt wurde.

Mit Briefen werden wir in die Geschichte eingeführt und der Tatsache, daß Pfarrvikar Thorvardur Jonsson geistlicher Beistand der zum Tode verurteilten Agnes Magnusdottir werden soll. Und dann soll die Mörderin, denn sie muß ja eine Mörderin sein, wenn sie dazu verurteilt wurde, die Zeit bis zur Hinrichtung bei der Familie des Kornsáhofs verbringen. Damit man das versteht, muß man wissen, daß es keine Gefängnisse gab.

Doch Hausherrin Margrét kann sich nicht nur nicht widersetzen, sondern sie können auf dem Hof jede Arbeitskraft gut gebrauchen. Doch es kommt ein verschmutztes, abgemagertes Wesen an, daß Margret mit ihrem Sinn für das Maß erst einmal wie eine naße Katze empfindet, die man aufpäppeln muß. Während noch die Nachbarbauern sich die schlimmsten Geschichten erzählen und vor einer Mörderin Angst haben, kann Margrét in ein Gespräch mit der verachteten Frau kommen.

Und dann erfährt sie Dinge, die ihr klar machen, daß die Geschichte nicht so gewesen sein kann und auch die Verurteilte, die einen der Toten aus ganzem Herzen liebte, nicht die Mörderin sein kann, für die sie verurteilt wurde. Oder?

Das 19. Jahrhundert in Island ist ein eigenes Thema.



wir von der anderen seiteWIR VON DER ANDEREN SEITE von Anika Decker

Tja,was soll ich sagen. Da fing ich ein Buch an zu lesen, daß von einer Frau handelt, die sich in einer guten Situation wähnte, deshalb wähnte, weil ihre Welt zusammenbrach und das gleich auf mehreren Fundamenten. Das Entscheidende ist, daß sie jäh und so schwer krank wurde, daß sie – daher der Titel – wie es an heißt, ‚dem Tod geweiht‘ war. Das ganze Buch ist also auch eine Hommage an das Schicksal, das sie davon kommen ließ.

Daß das auch viel mit ihrem Überlebensinstinkt und Überlebensdrang zu tun hat, wird deutlich, aber es gehört eben auch immer eine Portion Glück dazu und sie führt total uneitel das auch am ehesten an. Mit großer Anteilnahme las und las ich das Buch, das medizinisch und auch was Krankenhäuser angeht, von einer solchen Unfähigkeit und Niedertracht zeugt, natürlich gibt es auch das Gegenteil, das wunderbare und heilsame Personal und auch die Ärzte. Ich bewunderte die fehlende Wehleidigkeit der Autorin, die so wenig von sich Aufhebens macht. Daß einige Männer ihre Spitzen abkriegen, das ist sicher richtig, und daß es einer im Besonderen ist, das alles gehört dazu.

Und nun kommt‘s. Irgendwann in meiner Begeisterung über das Buch und die Autorin, die so wenig wehleidig die schlimmsten Sachen erleidet und aus allen Unglücken wiederersteht, irgendwann kippte das für mich. Und ich glaubte Anika Decker kein Wort mehr. Das ist nun übertrieben, aber ihre Rolle im Buch, ihre Selbstdarstellung wurde mir unglaubwürdig. Und, wie es mit dem Vertrauen und den Gefühlen so ist, die lassen sich nicht rational verändern. Machen Sie also selbst ihre Erfahrungen. Die meisten loben das Buch in den höchsten Tönen!

P.S. Wir haben das Hörbuch und das Buch parallel zu uns genommen, immer wie es gerade ging. Und der Stimme Katja Riemanns sind wir immer wieder verfallen und haben uns also eher  beim Lesen im hinteren Teil auf einmal distanziert vom Geschehen, d.h. der Interpretation der Auorin über sich selbst und ihre Urteile. 

Fotos:
Cover

Info:
Hannah Kent, Das Seelenhaus, Droemer Verlag 2014
ISBN 978 3 426 19978 7

Anika Decker, Wir von der anderen Seite, Ullstein Verlag 2019
ISBN 978 3 550 20037 3

Anika Decker, Wir von der anderen Seite,gelesen von Katja Riemann, ungekürzte Lesung, 2 mö3-CDs, Laufzeit 600 Minuten
ISBN 978 3 95713 186 7