speck wegAuf die Schnelle: Gute Informationsliteratur, gebraucht, Teil 84

Lona Berlin

Berlin (Weltexpresso) – Heute komme ich Ihnen mit beidem, Dem in der Fastenzeit angesagten Fasten, was ja nicht hungern heißt, aber auch dem „Kampf ums Idealgewicht im Wandel der Schönheitsideale“. Das ist ein Buch, das alle die aufbaut, die das Thema nicht mehr hören können. Aber anders als in diesem Buch, sind es heute eben keine ästhetischen Komponenten, die über das Abnehmen, das „Weg mit dem Speck!“entscheiden, sondern gesundheitliche.

MUSS DER SPECK WEG? Der Kampf ums Idealgewicht im Wandel der Schönheitsideale, von Angelika Grauer und Peter F. Schlottke

Das war sehr interessant, dieses Buch von 1987 zu lesen, weil der Anfang mit einem Sachstandsbericht einen erst wieder einmal darauf aufmerksam machte, was sich in den letzten Jahren denn doch geändert hat. Diese Hungerhaken, dieser Magerkeitswahn, krankhaft, selbstzerstörerisch und als Ideal für Mode lange einflußreich, ist in dem Ausmaß wie früher einfach nicht mehr da! Ist meine Einschätzung richtig? Auf jeden Fall kommt es mir so vor, wenn die Autoren erst einmal mit Recht das alles ablehnen.

Die Autoren behaupten sogar, gerade in diesen Jahren Ihrer Veröffentlichung sei eine Trendwende. Die gab es von heute her nicht. Sehr eindrucksvoll dann die Auseinandersetzung mit den Ernährungsberichten 1972 bis 1984. Die muß es heute doch auch geben. Ich kümmere mit drum! Übrigens brachte der Vergleich der Jahre zu Tage, daß man früher die Dicken für beliebt und ausgeglichen hielt und später die Dünneren. Das ist übrigens alles sehr solide, sehr gut aufgearbeitet.

Und dann kommen die Schönheitsvergleiche, die anhand der Gemälde der Jahrhunderte vorgenommen werden, weil die Verfasser sicher nicht zu Unrecht davon ausgehen, daß die Maler ihren Figuren die Schönheitsideale der Zeit auf den Leib malten. Damit konfrontieren die Autoren verschiedene Personen, die einen Fragebogen zu den Bildern ausfüllen, der dann ausgewertet wird. Sehr interessant alles.

Im zweiten Teil geht es dann ums Aussehen, quer durch die Geschichte und vor allem erst einmal, was es bewirkt. SCHÖNE FRAUEN – ERFOLGREICHE MÄNNER liest sich heute genauso wie 1987! Das muß einen Tag vor dem 8.März, dem Internationalen Frauentag doch deutlich gesagt werden. Schon einmal benutzte ich den Begriff „solide“, um dieses Buch zu charakterisieren. Das ist auch hier der Fall. Es besticht durch einen kulturwissenschaftlichen Hintergrund! Jetzt geht es um die Frauentypen: die allegorienhafte Frauenfigur ist diejenige, die heute außer Mode ist, man weiß sofort, was gemeint ist, aber die nächste: das ‚adrette‘ Hausmütterchen gibt‘s genauso wie die erotisch ‚Lockende‘.

Längst sind wir bei den Aktdarstellungen, also der Kunst. Und da sind die Fotografien besonders geeignet, die Schönheitsbilder zu erkennen. Denken Sie an diese molligen Frauen aus dem 19. Jahrhundert, auch der Jahrhundertwende. Das war ein Ideal, so sollte die Frau sein. Vorbilder sind natürlich in den Malern des Barock zu finden.

Mir brachte am meisten Erkenntnis der Überblick über ZEITGEIST UND KÖRPERIDEALE. Kaum je ist das so plötzlich und so grundlegend geschehen wie nach dem Ende des 1. Weltkriegs, dem Ende des Deutschen Kaiserreichs und den ‚goldenen zwanziger Jahren“. Das brauche ich gar nicht ausführen. Den Bubikopf sieht jeder vor sich und die Kleidung auch. Und dann brachte der Faschismus, der deutsche Nationalsozialismus das Gegenteil. Und nach 1945 wurde die im Krieg gebeutelte Frau, die erst mal Trümmerfrau war, wieder weiblich. Mit langem Rock.

Den Ritt durch die Kunst sparen wir jetzt aus. Der muß mit den weiblichen Idolen anfangen, mit der Venus von Willendorf, also all den – sagt man heute – Fruchtbarkeitsidolen vor über 25 000 Jahren! Die hatten gewaltige Brüste und noch gewaltigere Hintern und Hüften. Seit damals wurde die weibliche Form immer dünner!


Foto:
Cover

Info:
Angelika Grauer und Peter F. Schlolltke, Muß der Speck weg? Der Kampf ums Idealgewicht im Wandel der Schönheitsideale,dtv Sachbuch 1987,
ISBN 3 423 10808 8