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Kategorie: Bücher

Serie: Schweizer Buchpreis und BuchBasel 2013, Teil 5/8

 

Claudia Schulmerich

 

Basel (Weltexpresso) – Die nächsten drei Kandidaten müssen wir kürzer abhandeln. Das heißt überhaupt nicht, daß sie weniger Chancen haben, ist doch mit Jens Steiners CARAMBOLE aus dem Dörlemann Verlag wieder ein Roman dabei, der auch auf der Zwanzigerliste des deutschen Buchpreises stand.

 

 

CARAMBOLE

 

Jens Steiner ist im Literaturbetrieb kein Unbekannter. Sein erster Roman HASENLEBEN kam im Erscheinungsjahr 2011 ebenfalls direkt auf die Zwanzigerliste des Deutschen Buchpreises und der ehemalige Literaturstudent ist längst als Lektor im Gewerbe tätig. Seinen Roman nennt er einen in zwölf Runden. Wo gibt es zwölf Runden? Beim Boxen, allerdings nur bei den Kämpfern über 25 Jahre. Die anderen dürfen nur zehn Runden Boxen. In CARAMBOLE wird auch geboxt, allerdings unter Jugendlichen und nicht nach Regeln. Die zwölf Runden also? Zwölf Kapitel, deren erstes ANFANG lautet und das letzte heißt dann: AUS.

 

Carambole, das ist ein Spiel, ein Brettspiel, wo man bunte Spielsteine – jeder hat neun in einer Farbe - mit Hilfe eines speziellen Steins über eine Holzspielfläche in die Ecklöcher des Spielbretts versenken soll. Es geht also nicht um den direkten Kontakt mit dem gewinnenden Gegenstand, wie beim Kopfball oder Fußball, sondern um das, was passiert, wenn ich mit Hilfe von etwas anderem etwas in Gang setze. Und schon sind wir mitten im Leben, wo, wie die alten Männer, die uns im Buch die Regeln erklären, man manchmal den falschen Stein schubst. Aber: „Manchmal ist der falsche Stein der richtige.“

 

Denkt man ans richtige Leben, ist man bei all dem Herumgeschubse dann schnell bei den Karambolagen, die natürlich weiblichen Geschlechts sind und umgangssprachlich mit einem Zusammenstoß assoziiert werden, auch heftige Auseinandersetzungen bezeichnen und im Billard den Anstoß des roten Spielballs an die anderen Bälle meint. Also schon wieder das richtige Leben und das Spiel auch. Solch ein spielerischer Dorfroman, der bitterernst ist, ist CARAMBOLE auf jeden Fall.

 

Das sind keine sprachlichen Spitzfindigkeiten, sondern die Zusammenfassung dessen, was uns Jens Steiner als seine Dorfgeschichte erzählt. Schon im ersten Absatz tauchen Fred, Manu und Igor auf, die Troika, die das Geschehen bestimmt, auf Seite 7 folgt der alte Schorsch, der immer dann auftaucht, wenn man ihn nicht erwartet. Auf Seite 19 spricht Renates Mutter, das bekommen wir heraus, bzw. erklären es uns so, aber auf Seite 43 „Ich habe immer nur ein Bier genommen.“ ,ist sie es längst nicht mehr. Wer ist der auktoriale Erzähler? Natürlich immer ein anderer, denn in so einem Dorf sind die Sozialgeflechte ja auch durchdrungen von unterschiedlichen Bedeutungen, die die Personen für andere haben. Wer spricht, hat Recht. Wer spricht, entäußert sich aber auch, wo doch für das Zusammenleben im Dorf gilt, besser zu schweigen.

 

Wir sind also im Rätselhaften, was einen konkreten Kern erhält, als der Tennisstar verschwindet, was Wellen schlägt und auf diese Weise die Karambolagen in Gang setzt. Da wird verschwunden, was es das Zeug hält und kaum einer hält das, was er verspricht. Was auch umgekehrt gilt. Ein Klein Gesehener kann sich als Großer entpuppen. In diesem Dorf steckt alles drin. Eine gewisse Symmetrie stellt der Autor her mit der Dreierbande. Sind es einmal die drei Jungen, sind es ein andermal die Carambole spielenden alten Männer. Unglaublich einfach ist die Geschichte in der Geschichte von den verfeindeten Brüdern. Nicht mal über den Grund, die Erbschaftsstreitigkeit haben sie sich ausgetauscht, sondern das Schweigen begonnen.

 

Steiner zeigt durch die ländlichen Beispiele auf, wie sich alles rasant verändern kann, auch dort gibt es Bebauungspläne, auch dort wird aufgegeben und neu angefangen, aber die Menschen ziehen fast unbeeinflußt ihre Bahn, die manchmal auf eine andere trifft, in der Regel nicht. Chaos im Kosmos. Aber Ruhe im Dorf.

 

Jens Steiner, Carambole. Ein Roman in zwölf Runden, Dörlemann Verlag

 

 

INFO:

 

Die ganze Vielfalt der Basler Literatur- und Verlagsszene können Sie am Freitag an der dritten Basler Buchnacht erleben. Bis 22 Uhr sind die Läden geöffnet, und an 15 Orten erwartet Sie ein abwechslungsreiches Programm:

BuchBasel – vom 24. Oktober bis 27. Oktober 2013!

 

LiteraturBasel betreibt das Literaturhaus Basel, das internationale Buch- und Literaturfestival BuchBasel und richtet in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband SBVV den Schweizer Buchpreis aus. Informationen über die einzelnen Aktivitäten finden Sie unter

 

www.literaturhaus-basel.ch

www.schweizerbuchpreis.ch

www.buchbasel.ch

www.sbvv.ch