... und was man – literarisch – dort lernen konnte


Klaus Jürgen Schmidt

Nienburg/Weser (Weltexpresso) - Kürzlich beklagte an dieser Stelle Klaus Peter Mertens, dass bei Lesern in Deutschland der Abenteuer- und Reiseschriftsteller Friedrich Gerstäcker vergessen wäre. Dabei sei doch der 10. Mai „Friedrich-Gerstäcker-Tag“, allerdings nicht in Deutschland, sondern im US-Bundesstaat Arkansas. So habe es 1986 der seinerzeitige Gouverneur und spätere Präsident Bill Clinton verfügt. Warum?

 

Bereits 1957 sei Gerstäcker posthum zum Ehrenbürger von Arkansas ernannt wurden. Hintergrund: Sogar in den U.S.A. werde Gerstäckers Buch „Die Regulatoren von Arkansas“ noch heute gerne gelesen.

Ich habe es als Junge auch gelesen – in der DDR! Und ich kann mir denken, weshalb das Buch Amerikanern bis heute so gut gefällt:

Die „Regulatoren von Arkansas“, das ist eine Gruppe von im wörtlichen Sinne „Recht schaffenden“ Farmern, die nicht einfach tatenlos zusehen wollen, wie Banditen ihnen das Vieh stehlen und immer wieder auch Morde begehen. Sie schließen sich zu einer Art Bürgerwehr zusammen, die im rechtsfreien Raum eine Art halbgesetzlicher Ordnung herstellen. Man bewegt sich jenseits herrschender Gesetze. Weil aber die Gesetze ohne effektive Strafverfolgung reine Theorie sind, muss man eben selbst ran ...

Das könnte in gewissen Kreisen auch in Deutschland wieder auf Interesse stoßen – oder?

Bei Mertens blieb ein Teil Deutschlands ausgeblendet: die DDR! Und damit auch ein anderes „Vergessen“, jene Zeit, in der Gerstäcker dort einen genialen Nachahmer fand. ...

Ich meine nicht Karl May, den Mertens als einen Schriftsteller „enttarnte“, der ganze Landschaftsbeschreibungen und sogar Figuren von Friedrich Gerstäcker „abkupferte“. In der DDR war der Karl May „persona non grata“ = eine unerwünschte Person, wie mir von dort 1960 schriftlich bestätigt wurde:



Als Schüler einer DDR-Schule namens „Karl Liebknecht“ hatte ich das Glück, mich im Dachgeschoss unseres Wohnhauses in der Bibliothek von Opa Haydn bedienen zu dürfen. Und dort standen nicht bloß nahezu alle Karl May-Bände, sondern auch das, was Buch-Verlage der DDR über die Welt jenseits ihrer Grenzen von durchaus weitgereisten Schriftstellern drucken durften. Das waren oft Übersetzungen tschechischer, polnischer, russischer Autoren. Das ganz oben abgebildete Buch, zum Beispiel, schenkte mir Opa Haydn 1958 zu meiner Konfirmation:


„Durch das Armenische Hochland“
J. Promptow / Leipzig, VEB F. A. Brockhaus Verlag / 1955


Aber zurück zu Friedrich Gerstäcker. Der war auch in der DDR erlaubt, zum Beispiel:

„Gold“ - Gerstäcker, Friedrich
Verlag Neues Leben, 1968

Was ich aber als Junge noch viel spannender fand: Gerstäckers literarische Amerika-Bilder fand ich auf einmal wieder in etwas, was ich bis Mitte der Fünfziger Jahre in der DDR nur aus heimlichen Beilagen in Westpaketen kannte: in Comics. Auf einmal waren sie überall zu bekommen:

Die „DIGEDAGS“


Im Westen hat sie sogar noch unsere Tochter mit Spannung durchgeblättert, aber erst im Westen erfuhr ich, wer der Vater dieser „DIGEDAGS“ war und auf welche Weise er die DDR-Literaturbehörden hatte überzeugen können. Hier kommt die Geschichte, wie sie WIKIPEDIA zusammengefasst hat:




> Die Digedags waren von 1955 bis 1975 die Haupthelden der in der DDR erschienenen Comiczeitschrift Mosaik. Die drei Kobolde Dig, Dag und Digedag erlebten in mehreren großen Serien Abenteuer in Raum und Zeit. Der Schöpfer dieser Comicreihe ist der Zeichner Hannes Hegen (1925–2014). Die Hefte wurden in einem vielköpfigen Künstlerkollektiv gestaltet, in dem seit 1957 der Texter Lothar Dräger eine wesentliche Rolle spielte. ...







... Die Hefte erschienen zunächst vierteljährlich, umfassten 32 Seiten und kosteten 95 Pfennige, ab 1957 erschienen die Hefte monatlich mit 24 Seiten zum Preis von 60 Pfennigen. Bis 1960 erschien die Zeitschrift im Verlag Neues Leben, danach wurde sie an den Verlag Junge Welt abgegeben. Hegen kündigte im November 1973 seinen Vertrag mit dem Verlag zum 1. Juli 1975, wobei einen neuen Vertrag unter der Bedingung anbot, dass er nur noch sechs Hefte pro Jahr mit 32 Seiten liefern müsste. Der Verlag ging auf dieses Angebot nicht ein, da er einerseits auf den vollen hohen Gewinn, den das Mosaik monatlich erwirtschaftete, zur Quersubventionierung der meisten anderen, sehr verlustreichen Kinder- und Jugendzeitschriften angewiesen war, und andererseits die mit der Mosaik-Produktion beschäftigten Angestellten auch entsprechend auslasten musste. Da die Urheberrechte an den Figuren der Digedags bei Hannes Hegen lagen, musste die Digedag-Serie mit dem Heft 223 eingestellt werden. ... <




Gedenktafel für Hannes Hegen, in Berlin-Karlshorst

Und noch'mal zu Friedrich Gerstäcker: >>> in Deutschland vergessen? 





Erscheinungstermin: 31.1.2021!

Friedrich Gerstäcker: „Kreuz und quer“ (Großdruck)

Henricus - Edition Deutsche Klassik GmbH
ISBN-13: 9783847850205
Umfang: 676 Seiten
ISBN-13: 9783847850205
Drei Bände in einem Buch