Annalena Baerbock als AutorinWo das Schlichte einen Stellenwert besitzt

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Annalena Baerbock hat ein Buch geschrieben über ihre politischen Ziele und die ihrer Partei.

Dabei ist sie allem Anschein nach mit allgemein verfügbaren und nicht geschützten Texten großzügig umgegangen. Konkret gesagt: Sie hat die Quellen ihrer Inspirationen nicht näher genannt. Das gilt in einer unkritisch gewordenen Gesellschaft nicht als unseriös. Und da solche, dem Zeitgeist zuzuordnenden Erörterungen nicht den strengen Regeln für wissenschaftliches Arbeiten unterliegen, dürfte es sich weder um Urheberrechtsverletzungen noch um verdeckte Aneignung fremden geistigen Eigentums handeln. Ein Wiener Medienwissenschaftler ist in diesem Punkt zwar anderer Ansicht, aber er erweckt den Anschein, dass er sich in den Beurteilungskriterien verlaufen hat. Deswegen kann sein Plagiatsverdacht übergangen werden.

Da ich mich ständig mit Themen beschäftige, die um Zustand und Zukunft der Gesellschaft kreisen und somit als potentieller Leser dieses Buches infrage käme, fühle ich mich dennoch nicht ernstgenommen. Denn ich will schon wissen, auf welche Quellen und Meinungen sich die Autorin bezieht. Hat sie vorfindbare Ansätze in kreativer Weise weiterentwickelt oder kolportiert sie lediglich Meinungen, die in ihr Weltbild passen?

Für das Kolportieren würde die Wahl des Verlags sprechen. Denn der Ullstein-Buchverlag, der zur Bonnier Media-Gruppe gehört, zählt nicht zu den besonders Innovativen in seiner Branche, nicht bei Belletristik, nicht bei Sachbüchern. Dass in seinem Lektorat der wiederholte, aber nicht kenntlich gemachte Rückgriff auf öffentliche Quellen nicht auffiel oder toleriert wurde, verwundert mich nicht.

Erst vor wenigen Wochen habe ich ein anderes politisches Buch aus dieser Produktion gelesen („Klasse und Kampf“, herausgegeben von Maria Barankow und Christian Baron, 2021 erschienen im Ullstein-Imprint Claassen). Auf dem Umschlag wurde ich nicht darauf hingewiesen, dass in dem Sammelband teilweise gegendert, also gegen die amtlichen Regeln für deutsche Grammatik und Rechtschreibung verstoßen wird. Da ich mich in Literaturinitiativen engagiere, wo anhand anerkannt literarischer und sprachwissenschaftlicher Maßstäbe geurteilt wird und auch pädagogische Tipps gegeben werden, vernachlässige ich gegenläufige Entwicklungen bewusst. Zum anderen sind in diesem Band die gegenderten Beiträge durch eklatante Fehlinformationen über das deutsche Sozialsystem gekennzeichnet, was den Verdacht von Verschwörungsideologien aufkommen lässt.
Es sind wahrhaftig arme Leserinnen und arme Leser, denen so etwas zum Fraß vorgeworfen wird und denen die hintergründige Absicht nicht auffällt.

Annalena Baerbock hingegen scheint die, welche es nicht so genau nehmen, als grüne Zielgruppe erkannt zu haben. Das ist eine eindeutige Positionierung.

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Annalena Baerbock als Autorin
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