Geschke 8312Leseland Hessen" in Fulda (3). Linus Geschke „Das Loft“

Hanswerner Kruse

Fulda (Weltexpresso) - Die nächste Reise ins Leseland führt nach Hamburg. Erneut ist faszinierend, nicht nur ein Buch durch den Verfasser kennenzulernen, sondern ebenso, etwas über sein Schreiben zu erfahren. Linus Geschke berichtet während der Lesung von „Das Loft“ auch, wie er vom Journalisten zum Schriftsteller wurde, der zunächst erfolgreiche Serienkrimis verfasste.

Seine aktuelle Publikation ist zwar wieder ein Kriminalroman - jedoch eine komplexe, in sich abgeschlossene Erzählung, welche die Personen und Ereignisse aus diversen Perspektiven schildert. Man spürt die journalistische Kompetenz des Autors, ungleiche Wahrnehmungen darzustellen, sie zu hinterfragen und den Lesenden die Meinung über die Wahrheit zu überlassen.

Zum Beginn liest und erzählt er, wie sich die Protagonisten, ein Liebespaar, begegneten. Einmal aus Sarahs Sicht, später aus der von Marc: Die junge Frau aus dem Taunusdorf traf den Hamburger im Urlaub. Die beiden verliebten sich, ein Vierteljahr später zog Sarah zu ihm in die Hansestadt. Sie erwartete eine kleine, schnuckelige Altbauwohnung, landete aber in einem riesigen Loft, in das auch Henning, Marcs Freund, mit einzog.

Als nächstes berichtet der Autor von einem blutrünstigen Mord in dieser ehemaligen Fabrik aus Sicht der leitenden Kommissarin. Der Tote ist wahrscheinlich Mitbewohner Henning, die Liebenden geben sich wechselseitig ein Alibi, an das die Polizistin nicht glaubt. Sie verhaftet zunächst die beiden. Geschke deutet dann deren unterschiedliche Wahrnehmungen in der Untersuchungshaft an. Er liest und springt durch seinen Text, breitet die Grundzüge der Geschichte aus, lässt aber vieles offen: „Lesen können Sie ja selber“.

Er ist stolz, dass man nach 300 gelesenen Seiten immer noch nicht weiß, wer der Täter ist. Das stellt sich erst auf den letzten 50 Buchseiten heraus, solange existieren mindestens fünf Möglichkeiten: Der Tote ist nicht Henning. Marc könnte ihn getötet haben oder Sarah. Vielleicht beide gemeinsam. Oder existiert eine vierte Person? Angedeutete Motive aus der Vergangenheit gibt es reichlich. Der Verfasser liefert auch einen Leitfaden zum Lesen: Kurze Sätze seien bedeutsam, weil sie bei den Lesenden Aufmerksamkeit erzeugten und hängen blieben, lange Sätze eher nicht. Ein Trick der Verschleierung sei also, die Wahrheit in möglichst langen Sätzen zu verbergen.

„Das Loft“ ist zwar ein Thriller, leuchtet aber vor allem die Abgründe menschlicher Seelen und Beziehungen aus. Eine bedrohliche geheimnisvolle Spannung zieht sich durch das Buch, die oft durch kurze Sätze geschaffen wird: „Es lief gut mit uns, aber nicht für ewig.“ Des Autors wichtigste Stilmittel sind Zeitsprünge und Rückblenden, sowie die Wechsel der Perspektiven: Nichts ist so wie es zunächst scheint. Die Lesenden müssen immer wieder selbst entscheiden wem und was sie glauben wollen.

Zum Schluss lobte Linus Geschke  Organisatorin Jutta Sporer, solch eine gute Anmoderation habe er noch nie erlebt. Ansonsten wies sie - wie immer - darauf hin, dass durch die großzügigen Sponsoren das Leseland in der „sich entwickelten Kulturstadt Fulda“ keinen Eintritt koste.

Foto:
Hanswerner Kruse

Info:
Linus Geschke „Das Loft“, Piper-Verlag, englische Broschur, 350 Seiten, 16 Euro

Weltexpresso hatte bisher zwei Rezensionen von Kriminalromanen von Linus Geschke veröffentlicht:
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/24539-ein-primitives-machwerk_544
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/25123-das-loft_544