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Kategorie: Bücher
tschechowa

Drei bis vier biographische Erinnerungen von Schauspielern, Teil 2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es ist schon sehr interessant, diese beiden Lebenserinnerungen Désirée Nosbuschs und Vera Tschechowas gegenüberzustellen, aber es wäre grundfalsch. Denn beide schreiben aus ganz unterschiedlichen Motiven und beide haben sehr Unterschiedliches zu erzählen.

 

Was mir an ÜBERWIEGEND HEITER so gefiel, daß ich es ein zweites Mal lesen wollte, ist der Blick auf über 50 Jahre, lange Zeit westdeutscher Film- und Theatergeschichte mit all den berühmten Namen, Menschen, die Vera Tschechowa kennenlernen durfte und die auf der Umschlagseite benannt sind: Heinz Erhardt, Gert Fröbe, O.W. Fischer, Mario Adorf, Paula Wessely, Elisabeth Flickenschildt, Gustaf Gründgens, Therese Giese, Vittorio de Sica, Heinz Rühmann, Vadim Glowna, Will Quadflieg, Ullrich Haupt, Erni Mangold, Heinz Reincke, Senta Berger, Romy Schneider u.v.a.

Und wenn ich – bis auf Klaus Kinski - all die Berühmtheiten in Nosbuschs Autobiographie unterschlug, hier aber nenne, hat das mit der unterschiedlichen Ausrichtung beider Bücher zu tun. Nosbusch brauchte, auch für sich selbst, eine Abrechnung mit ihrem Leben, eine Aufarbeitung der verqueren Grundsituation, ein Sichtbarmachen ihrer eigenen Entwicklung für sich, für andere.  Und die von ihr erwähnten Personen haben in ihrem Leben immer auch eine Funktion. Das versteht man.

Das alles braucht Vera Tschechowa nicht, die mit einem anderen, durchaus feministischen Selbstverständnis in der Welt zu Hause ist, auch in der Film- und Theaterwelt. Das heißt nicht, daß sie mit dem Goldenen Löffel im Mund geboren und gelebt hat. Auch in eine Dynastie von Schauspielerinnen und weiblichen Schönheiten geboren zu werden, kann anstrengend und demotivierend sein. Aber sie hat die Grundsicherheit erhalten, die jeder Mensch braucht, unabhängig wohin es ihn treibt, was er mit seinen Möglichkeiten macht. Deshalb muß Vera Tschechowa ganz wenig von sich selber sprechen und kann sich ganz auf die Begegnungen in ihrem Leben konzentrieren, die sie weiterbrachten, die sie hinderten, ach was, sie braucht diese Begegnungen nicht qualifizieren, tut es auch nicht, sie kann einfach Erlebnisse wiedergeben und eröffnet dem Leser damit eine Rückerinnerung an diese Menschen, die auch meine Kindheit und mein jungen Jahre prägten. Übrigens ist Romy Schneider die einzige, die in beiden Büchern vorkommt, was einen nicht wundert und erst recht nicht, auf welche unterschiedliche Weise.

Für Nosbusch bleibt Romy Schneider lebenslang ein Vorbild als Schauspielerin, für Tschechowa ist sie die, mit der sie gemeinsam im Juni 1971 auf dem Titelbild des STERN prangte, für die Abschaffung des Paragraphen 218. Genug der Vergleiche, es geht einem das Herz auf, wenn man die in Kapiteln unterteilten Erzählungen liest. Mal geht Vera Tschechowa stärker auf ihre eigenes Leben ein, mal nutzt sie die Begegnungen mit den Erwähnten - und vielen anderen, die alle in einem Personenregister erfaßt sind: Danke! - zu köstlichen Schilderungen, entwirft in wenigen Worten eine Charakterisierung der Person und läßt uns an ihrer Einschätzung dieser durchaus teilnehmen, wobei man ihre Gefühle spürt, sie ihre Meinung zu Sachverhalten, zu Personen auch klar sagt, aber gleichzeitig nie abwertend ein ihr nicht genehmes Verhalten negativ qualifiziert, sondern eher humorvoll voll Staunen davon spricht – und sie auslacht, die, die sie für kleinkariert, engherzig und unaufgeklärt hält.

So entsteht insgesamt auch ein Bild über sie selber, das von einem lehr- und ereignisreichen vollen Leben berichtet.

Geboren wurde sie 1940 in Berlin, wo sie auch aufwuchs, dann in Bayern, in München mit ihrer Mutter Ada, die 1966 durch einen Flugzeugabsturz starb, und der geliebten Großmutter Olga, die jedem Deutschen bekannt war. Mir war Vera als Urgroßnichte von Anton Tschechow seit jeher ein Begriff, die meisten ihrer Nachkriegsfilme, wo sie junge aufgeweckte Frauen spielte und einfach sehr hübsch war, hatte ich nicht gesehen, war dann aber entsetzt, daß sie 1967 Vadim Glowna heiratete, diesen häßlichen Kerl. Ich kann mich gut erinnern, wie ich Ende Januar 2012 im Zug nach Berlin unter Tränen einen Artikel über seinen Tod am 24.1.12 verfaßte, denn schon seit langem war ich eine tiefe Verehrerin von Vadim Glownas Schauspielkunst und fand ihn insgesamt in Deutschland nicht genügend gewürdigt. Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich auch Vera Tschechowas ÜBERWIEGEND HEITER hauptsächlich seinetwegen lesen wollen, weil ich nie verstand, warum diese Ehe 1991 auseinanderging. Sie schreibt darüber wenig und außerordentlich abgeklärt über die folgende Freundschaft mit ihrem Ex-Mann, dann wieder so enthusiastisch von ihrer zweiten Ehe mit Peter Paschek, Produzent, in Berlin, daß ich mit den Schultern zuckte und mir sage: Es ist ihr Leben!

Auf jeden Fall läßt dieses schmale Buch erahnen, warum Vadim versessen war, Vera zu heiraten, eine besonders hübsche, eine sinnliche dunkle Schönheit war sie sowieso, aber in diesen Erinnerungen zeigt sie sich als aufgeklärte, politisch wache Persönlichkeit, die ein weites Herz hat und Menschen sie selbst sein läßt. Was mir imponiert, ist, daß sie niemals stehen geblieben ist, sondern sich sowohl künstlerisch wie in ihren Begegnungen weiterentwickelt hat. Daß sie seit 30 Jahren hauptsächlich nicht vor, sondern hinter der Kamera steht, war mir bekannt, aber wie umfangreich ihre Regiearbeiten sind und welch interessanten und internationalen Personen sie in ihren Dokumentarfilmen vorstellt, möchte ich gerne in einer Fernsehreihe verfolgen können.

Bei zwei Namen merkte ich zusätzlich auf, die beide mit Frankfurt zu tun haben, bzw. hatten und denen ich besonders positiv gegenüberstehe. Anja Silja kommt auf Seite 20f vor, sie ist Veras gleichaltrige Kinderfreundin und Freundin bis heute. Für mich war sie die Lichtgestalt der Frankfurter Oper, als sie ganz jung hier noch unter Solti sang. Und dann, wie, was, da steht doch wirklich der Name Heribert Bruchhagen auf Seite 118. Eigentlich kein Kulturträger! Nein, es hat nicht mit Eintracht Frankfurt zu tun, wo er lange Vorstandsvorsitzender und ein Gentleman war, wenn es um die Beteiligung von weiblichen Journalisten geht in einer Welt, wo sich hauptsächlich Männer mit Ellenbogen tummeln. Daß er die neue Frau des Schalkefans Paschek erst abnickte, als er zufriedenstellende Infos über Vera Tschechowa erhielt, zeigt ja doch nur seine fürsorgliche Art.

Sicher lese ich irgendwann das Buch ein drittes Mal. Es stecken so viele Geschichten drinnen, so viele interessante Menschen, von denen man gerne wiederliest.


Foto:
Umschlagabbildung

Info:
Vera Tschechowa, Überwiegend heiter. Mein ziemlich bewegtes Leben, Europa Verlag 2022
ISNB 978 3 95890 514 6