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Kategorie: Bücher

Hans Beller und Udo Bayer zu Carl Laemmle im Deutschen Filmmuseum Frankfurt, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Sehr gut, wenn man die Biografie von Udo Bayer über CARL LAEMMLE vorher gelesen hat, denn dann versteht man sowohl bei der hinreißenden Filmvorführung DER TRAUMFABRIKANT von Hans Beller wie auch der anschließenden Diskussion einfach mehr. Außerdem sieht man danach jede Ankündigung von Filmen oder DVDs, die UNIVERSAL im Namen, tragen mit anderen Augen an.

 

So ist es tatsächlich. Der Gründer der UNIVERSAL – erst der amerikanischen, dann der deutschen - und langjährige Bestimmer von deren Filmpolitik blieb Carl Laemmle auch dann noch, als längst die Firmenteile anderen gehörten. Bis er endgültig ausgebootet wurde. Aber heute ist UNIVERSAL auf der ganzen Welt weiterhin bekannt.Den Namen und die Person Carl Laemmle kennt man leider eher in den USA, denn in Deutschland. Dabei ist er derjenige, der mit dem Umzug seiner Filmfirma von New York nach Kalifornien und dem Grundstückskauf dort den Ort HOLLYWOOD begründete. Das Buch von Udo Bayer räumt mit dem Unwissen über diesen legendären Filmmogul auf. Gleichzeitig gelingt dieser sauber recherchierten Biografie über die Person und das Persönliche hinaus gleichzeitig eine Kulturgeschichte des Kinos, wie auch eine Geschichte des amerikanischen Kinos mit allen finanziellen Verwicklungen, aber auch ihren filmischen und filmästhetischen Differenzierungen, wobei UNIVERSAL nicht mehr zu den Überlebenden der großen Fünf im Filmgeschäft gehört: „Es sind dies MGM, Paramount, Warner, RKO und Twentieth Century Fox“(S. 202), die alleine etwa Dreiviertel des heimischen Kinokarten-Verkaufs einnahmen.

 

Das ist aber nur das eine. Das andere ist die beispielhafte Geschichte eines am 28. Januar 1884 aus der Alten in die Neue Welt aufgebrochenen deutschen Juden, der einerseits besonders erfolgreich war, was ihm im immer antisemitischer werdenden Deutschland wenig Freunde brachte, stattdessen vernichtende Anwürfe, und was ihm im sich immer isolationistischer gebärdenden Amerika als Europafahrer verdächtig machte. Die Geschichte eines deutschen Juden, der sowohl seine deutschen Wurzeln wie auch sein Jüdischsein niemals verleugnete und doch gleichzeitig loyaler Amerikaner wurde. Wer könnte das in 20. Jahrhundert alles gleichzeitig sein?

 

Carl Laemmle, der als Karl Lämmle am 17. Januar 1867 in Laupheim/Württemberg geboren wurde und mit amerikanisiertem Namen am 24. September 1939 in Beverly Hills/USA starb, hatte genau dies zumindest versucht. Bewundernswert die Geduld, mit denen er germanophile Vorwürfe in den USA genauso überstand wie die unsäglichen Verdächtigungen als „fünfte Kolonne“ der USA oder der Juden in Deutschland, verschärft als Vertreter der sogenannten „jüdischen Weltverschwörer“, was ihm in der alten Heimat wie der neuen gleichermaßen zugemutet worden war. Carl Laemmle dagegen war ein deutschenfreundlicher amerikanischer Patriot, der in der bittersten Stunde der deutschen und europäischen Juden dann noch – das war uns alles völlig neu – über 300 Landsleute durch seine Bürgschaftserklärungen, sogenannte mit Geld auszustattende Affidavits, die Rettung vor dem KZ durch Übersiedelung in die USA möglich machte. Wenn Udo Bayer schreibt:“ Wir verlassen in diesem letzten Kapitel von Laemmles Biografie das Reich des Films. Doch das erhebliche Vermögen, das Laemmle nach dem Verkauf der Firma geblieben war, ist notwendige Voraussetzung für diese letzte große Leistung seines Lebens...nach seinen eigenen Worten hat er in seinem Leben noch nie so viel Mitgefühl für eine Sache empfunden, und er hat getan, was zu tun sein Herz ihm vorschrieb.“ (S. 216), dann hätten wir dies nicht nur gerne schon am Anfang gelesen, sondern fragen uns, warum der Filmindustrie – der amerikanischen wie der deutschen – bisher nie in den Sinn gekommen ist, daraus einen Film zu machen: „Carl Laemmles Liste“ beispielsweise, wo dann auch das Versagen der Staaten zur Sprache kommen könnte, die den Preis für die Einreise von Juden so hoch ansetzten und so kompliziert machten, daß nicht einmal - wie in den USA - die nach Ausländern festgelegte Quote erreicht wurde. Nur im Kriegsjahr 1939 war das für deutsche und österreichische Juden der Fall, 1938 nur zu 65 Prozent und 1941 sogar nur zu 47 Prozent. Es hätten mehr Juden vor den deutschen Nationalsozialisten gerettet werden können.

 

Aber es bleibt für eine Biografie genauso richtig, Laemmles Leben chronologisch zu erzählen, wie Udo Bayer dies mit sehr vielen Details tun kann, wobei der Mensch Carl Laemmle eher über seine Taten deutlich wird, denn über Selbstbeschreibungen und Selbstaussagen, obwohl es eine Biografie von ihm gibt. Fortsetzung folgt.

 

 

Info:

Udo Bayer, Carl Laemmle und die Universal. Eine transatlantische Biografie im Verlag Königshausen & Neumann