Drucken
Kategorie: Bücher

FALLS Philip Roth den Literatur-Nobelpreis in diesem Jahr erhält 

 

Helmut Marrat

 

Hamburg (Weltexpresso) Der US-amerikanische Schriftsteller gilt seit Jahren als Anwärter für die höchste Auszeichnung, die ein Autor erhalten kann.

 

Nun heißt es, zwei Präsidenten hätten ihm bereits gewissermaßen die sicher geglaubte Ehrung "vermasselt". Zunächst George W. Bush, der sein Land fast mühelos unbeliebt machte. Dann Barack Obama, der den Friedensnobelpreis erhielt, kaum dass er angetreten war, und da mochte das Komittee in Stockholm – lautet eine sinnige Erklärung - nicht wie Nachahmer der Kollegen in Oslo erscheinen.

 

Dieses Jahr nun könnte wiederum Obama ein Hindernis darstellen, der das Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba nicht geschlossen hat, obschon er das versprach, und jetzt Bomben im Irak abwerfen lässt, obwohl er das Gegenteil den Wählern zusicherte.

 

Mag also sein, dass Roth, der eher als Anhänger der Demokraten, also Obamas gilt, noch länger auf den tatsächlich verdienten Preis wird warten müssen. Aber in jedem Fall lohnt es sich, seine Romane zu lesen. Er ist ein großartiger Erzähler, und er soll sich jetzt entschlossen haben, nicht mehr zu schreiben. Hinter seinem Spiegel soll er einen Zettel angebracht haben, der ihn ständig daran erinnert.

 

Wie sollte man sich am ehesten seinem Werk nähern?

 

Entweder man wählt einen seiner großen Romane ("Portnoys Beschwerden", "Sabbaths Theater", "Amerikanisches Idyll", "Der menschliche Makel") oder man nähert sich, indem man eine kürzere Erzählung auswählt, in der aber bereits viel von dem zu finden ist, was ihn ausmacht. "Everyman" ist da zu nennen.

 

Diese Erzählung handelt von - nach Reich-Ranicki - den eigentlichen Themen der Literatur, nämlich: der Liebe, also der Vergänglichkeit, und dem Sterben, also, der Angst vor dem Tod. Die Verdrängung der Möglichkeit zu sterben, wird die Hauptfigur in früheren Jahren erleben, als sein jugendlicher Bettnachbar eines Tages in einer sonderbaren Notaktion aus dem gemeinsamen Krankenhauszimmer gebracht wird und nicht wiederkehrt.

 

Das fast Schlimmere aber für den Jungen ist die Tatsache, dass dessen Tod, den er ahnte und der sich später bestätigt, geleugnet wird. Denn, das führt dazu, dass der Mann sein Leben lang vor dieser Furcht davonrennen wird, ja, alles dazu tun wird, sich zu betäuben.

Er wird zwar Vater zweier Kinder, doch werden seine Ehen regelmäßig scheitern. Und noch als älterer Mann wird er sich obsessiv mit sexuellen Phantasien durchschlagen.

 

Sehr viel milder als etwa in seinem ersten großen Stoff, der ihn international bekannt machte, "Portnoys Beschwerden", erzählt uns Roth von den Eskapaden, die dieser Mann wagt. Auch hier wird der Autor manche Leser-Empfindlichkeiten stören.

 

Nun sind die Vereinigten Staaten ein eher heterogenes Land, was das Thema Sexualität betrifft. Einerseits eine Ansammlung von Puritanern, andererseits eine riesige Porno-Industrie. Ein zerissenes Land, auch hier.

 

Die Erzählung heißt "Jedermann", und es mag sein, dass Roth an jenes Mittelalterspiel gedacht hat, aus dem Hugo v. Hofmannsthal seinen "Jedermann" entwickelte. Denn immerhin tritt auch hier der Tod, wenn auch nicht als Figur, in Erscheinung, bringt sich regelmäßig in Erinnerung.

 

 

Der Text beginnt übrigens mit einer Friedhofszeremonie auf einem längst verfallenen Friedhof, auf dem sich das Familiengrab der Hauptfigur noch behauptet, bedrängt von einer nahen, lärmenden Autobahn. Und wen sie dort zu Grabe tragen, ist die Hauptfigur selbst, die bis zuletzt - wie ein richtiger "Jedermann"- namenlos bleibt. Eine der schönsten Szenen ist jene, in der der Held einem Friedhofsgärtner begenet, als er einen letzten Friedhofsbesuch unternimmt.

 

Es gibt eine große Erzähltradition in der amerikanischen Literatur, und Phillip Roth ist einer der bedeutensten Vertreter bis heute. Mag dennoch sein, dass der Autor auch dieses Jahr übergangen werden wird. Er wäre jedenfalls nicht der erste.

 

Zusatz: Noch immer halte ich "Mein Leben als Sohn" besonders lesenswert. Es ist das Portrait seines Vaters und stammt aus dem Jahr 1995.

 

 

Info:

 

Philip Roth wurde als Sohn jüdischer Einwanderer aus Galizien in Newark 1933 geboren. Seine Bücher erscheinen im Hanser-Verlag, die Taschenbücher bei Rowohlt.