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Kategorie: Bücher

Hugendubel bereitet in Frankfurt die Leser auf die Buchmesse vor: zwei völlig unterschiedliche Lesungen

 

Sibylla von Suden

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Natürlich sind wir zur Hauptwache, zu Hugendubel gefahren, weil uns die Bücher und auch der Autor und die Autorin interessierten, aber im Nachhinein dachten wir, es lohnt auch sonst schon, sich viele Lesungen anzuhören, allein deshalb, weil sie so verschiedenartig sein können. Dies waren auf jeden Fall die beiden vom 12. und 13. September.

 

Mutig, das dachten wir auch, mitten im Verkaufsbetrieb um 17.30 diese Lesungen im ersten Stock, der belletristischen Hauptabteilung, zu veranstalten, während sich die, die nur die Bücher anschauen und kaufen wollen an den Seiten, vorne und hinten um ihre Bücher kümmern. Aber in der Tat war das an beiden Tagen überhaupt kein Problem und zweimal erlebten wir, daß potentielle Bücherkäufer erst nur dastanden, dann zuhörten und später Platz nahmen. Auch dies war an diesen Tagen kein Problem, denn die Lesereihe „live zu Gast 2014“ ist für die Zuhörer kostenlos.

 

Am Donnerstag hatte dazu der Schöffling Verlag wegen seines 20-Jahr-Jubiläums eingeladen. Deshalb sagte der immer sehr präzise und äußerst knapp formulierende Verleger Klaus Schöffling zu Beginn der Lesung von Burkhard Spinnens ZACHARIAS KATZ, man habe als Dank an die Leser und die Buchhandlungen das Jubiläum in Form von Lesungen begangen, statt dicke Jubiläumsbände herauszugeben - und statt Häppchen und Sekt für die gehobenen Gäste zu servieren, dachte unsereiner dabei.

 

Burkhard Spinnen ist nun der beste Interpret seiner Bücher, das steht nach dieser Lesung fest. Mit nuancierter, niemals manirierter und immer deutlicher und prägnanter Stimme gab er den Passagen, die er auswählte, das Tempo, die Farbe, die Stimmung, die zum jeweiligen Text paßte. Wobei uns vor allem interessierte, wie ein Autor das macht, in einer Stunde sein Buch vorzustellen. Auch da war Spinnen sozusagen postmodern unterwegs, und machte diese Frage zu einer öffentlichen: „Es ist schwierig vorzulesen und die Atmosphäre einerseits und die Geschichte zu vermitteln.“

 

So, wie der Titelheld im Romananfang agiert: „Sind Sie bereit, Brady? Funktioniert Ihr Apparat? Entschuldigen Sie, wenn ich das sage: Der sieht wirklich abenteuerlich aus. He, Sie schreiben ja schon!“ (Seite 7), so fällt auch der Vorleser mit der Tür ins Haus, was zur Folge hat, daß man mittendrinnen ist, noch nicht alles genau versteht, was dann nach dem ersten Lesedurchgang der Autor als zusammenfassende Geschichte anbietet: Belgien, Kriegsreporter, schwerverwundet, Notizbuch, er diktiert Bradly, was vor 30 Jahren passiert ist. Das erzeugt Spannung und der Hinweis auf die deutschen Eltern, 1889 – im Text auf Seite 10 steht 1879 – aus Katzwinkel in die USA eingewandert, schafft Interesse für diesen Zach Katz. Der kommt im Jahr 1913 in New York erst einmal groß raus, will im Jahr drauf in Kuba Urlaub machen, kauft dort den obligaten weißen Leinenanzug, das besagte kleine Notizbuch – und erhält das Telegramm: „Lebensgefahr...Jetzt keine Fragen...“ der Erste Weltkrieg ist ausgebrochen, aber er ist doch gar kein Deutscher?

 

Auf jeden Fall schifft er sich ein auf der Präsident, Reederei Hapag.Hamburg. Dies deutsche Schiff ist in der Karibik unterwegs, erst als Passagierdampfer, sozusagen als Zubringer für kleinere Häfen und Katz schreibt in den internationalen Gewässern, die das Schiff, längst ein Flüchtlingsschiff, durchgleitet, die Geschichten der Passagiere auf. Eben waren wir noch auf Seite 31 und flugs sind wir beim dritten Lesetext im 19. Kapitel auf Seite 235, allerdings nicht vergessen, daß alles so geschildert wird, wie sich Katz in Bastogne, dem Militärlazarett am 13. Februar 1945 daran erinnert und es Brady diktiert, was für uns allemal die Wahrheit sein muß, denn wir kennen ja keine andere.

 

In der anschließenden Fragerunde geht es einmal um die Recherche des Autors. Das Schiff ist ja echt und die Weltgeschichte sowieso. Tatsächlich wurde die Präsident im Ersten Weltkrieg requiriert und hat dann 20 Jahre dem Truppentransport .gedient. Für Spinnen war dies sein erster historischer Roman, was Zeit und Raum angeht also eine Herausforderung an sein Quellenstudium, was so weit ging, daß er sich die Fahrpläne von damals besorgte, wo das Schiff anlegte und auch wann.

 

Zum Verhältnis zu seinem Lektor befragt, für einen Autor immer die wichtigste Person im Schreibprozeß, saß dieser in Person des Verlagsleiters Schöffling in der ersten Reihe. Die gemeinsame Arbeit fing schon minus 3 Jahre an, so Spinnen, denn drei Jahre vor den 20 Jahren der Verlagsgründung haben sie schon das erste Buch miteinander lektoriert. Es gäbe mindestens zwei Arten von Lektoren, so der Autor, das seien einmal die korinthenkackerischen – Ausdruck von uns - , die jedes dritte Wort und mindestens jeden dritten Satz in Frage stellen. So was sei nichts für ihn, denn er feile schon selbst unaufhörlich an seinen Worten und Sätzen.

 

Und dann gäbe es solche wie Schöffling, gewissermaßen das große strategische Lektorat, wo dann mit dezentem Hinweis auch der Autor auf einmal das gesamte erste Kapitel streichen möchte oder im Erzählband eine ganze Geschichte wegstreicht, einfach, weil der Verleger mit seinem Hinweis richtig lag. Und solch einen Lektor brauche er und hat ihn ja auch gefunden. Bei diesem Buch lagen die Schwierigkeiten beispielsweise in der Biographie des Helden Katz. Der ist Spinnen zuerst nachgekommen und hat schön ordentlich dessen Lebensgeschichte niedergeschrieben, dann aber auf Verlegerhinweis das alles weggestrichen und medias in res begonnen mit dem Dikitieren, siehe oben.

Fortsetzung folgt.

 

Anmerkung:

 

medias in res“ war die Ausdrucksweise von Autor Spinnen und sie ist ja eine allgemein geläufige, mal in dieser Reihung, mal „in medias res“. Diese Phrase aus dem Lateinischen in der Bedeutung von „mitten in die Dinge“ allerdings halten viele Juristen völlig zu unrecht für eine juristische in der Art von „ad rem“, also zur Sache.

Dabei ist „medias in Reis“ eine höchst poetische Ausdrucksweise, denn sie stammt aus der „Ars Poetica“ von Horaz im 148ten Vers, der damit ein Lob zu Homers Ilias abgab, derzufolge nämlich, daß der Dichter, eigentlich der Sänger, die Zuhörer ohne Drumherum direkt in die Handlung führe.

 

 

 

INFO:

Burkhard Spinnen, Zacharias Katz, Schöffling & Co

Donnerstag, 11. September 2014, 17.30 Uhr

Eintritt frei

Buchhandlung Hugendubel, Steinweg 12