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Kategorie: Bücher

Der neue Bildband bei TASCHEN paßt gut zum Film „Die Gärtnerin von Versailles“, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Prächtiger bildlicher Aufmacher von Versailles' Gärten ist just jener Brunnen, den wir gerade im Film als das Werk der Gärtnerin von Versailles gesehen hatten. Wir hatten verfolgt, wie sie ihn plant, beginnt und wie dann von der Frau des Gartenarchitekten André Le Notre durch Sabotage fast alles zerstört, durch helfende Hände aber wieder aufgebaut wird, wie hier im Bildband abgebildet.

 

Es ist das Bassin de Latone, denn die übereinander angeordneten und sich nach oben also verjüngenden Becken sind von einer Statue bekrönt. Es ist Leto mit ihren Kindern, heißt es da nun im Text. Weiß das noch jeder, welche Rolle diese in der griechischen Mythologie spielte? Zur Zeit der Hofhaltung von Ludwig XIV sicher, denn diejenigen, die überhaupt in dieses Refugium gelangten, waren zwar sicher meist nicht so gelehrt, wie der sehr kundige Ludwig XIV, aber die griechische Mythologie war doch Allgemeinwissen höherer Schichten, das in jedem zweiten Theaterstück ebenfalls verhandelt wurde.

 

Aus Mündungen in Form von Fröschen und Schildkröten aus Blei schießen kleine Wasserfontänen hervor“, heißt es noch im Text, was man im ganzseitigen Bild staunend verfolgt, denn ganz oben ist der Strahl, der aus den Mündern schießt, meterhoch, denn die Fontänen bündeln sich sogar über dem Kopf der Figurengruppe. Frösche und Schildkröten also, aus deren Mündern das Wasser mit großem Schwall nach oben schießt? Na gut, da müssen wir doch die Geschichte dazu erzählen, die heute nicht mehr in aller Munde ist. Aber damals war! Das muß man sich immer wieder sagen, denn ein intellektueller Überflieger war die Filmmadame Sabine De Barra als Gärtnerin von Versailles nun auch nicht. Und sie war es, die auch im Film die Frösche und Schildkröten als tätige Dekoration für den Latonabrunnen wählte und selbst schuf.

 

Der Latonabrunnen – weil die Römer die griechische Leto Latona nannten – fußt auf der Mythologie um Leto, die eine Tochter der Titanen war. Sie wurde, wie fast alle weiblichen Wesen im Götterhimmel, zur Geliebten des Zeus. Daß sie allerdings die Frucht der Vereinigung, die Zwillinge ARTEMIS und APOLL, die zu den wichtigsten klassischen griechischen Göttern zählen werden, tatsächlich zur Welt bringen konnte, grenzt an ein Wunder. Denn Zeus hatte eine Ehefrau, Hera, die aus guten Grunde auf alle anderen Frauen eifersüchtig war und als Enkelin der Erdmutter Gaia in dieser immer eine Verbündete hatte. Diese hatte nun vorhergesagt, was jede rechtmäßige Ehefrau zum Wahnsinn triebe, daß die mit Zeus gezeugten Kinder der Leto dereinst mächtiger würden als die eigenen ehelich geborenen.

 

Nun aber schnell, denn wir wollen im Buch ja weiterblättern. In Heras Auftrag soll Python, der widerliche Drache, Leto verschlingen, was ihr Geliebter, also Zeus verhindern konnte, nicht aber Heras Fluch, den sie mithilfe der Großmutter wahr werden lassen konnte, daß kein Zipfelchen griechischer, von der Sonne beschienener Erde die Gebärende aufnehmen dürfe. Wassergott Poseidon half, ließ die Insel Delos aus dem Wasser auftauchen. Jetzt lassen wir viel weg. Auf jeden Fall werden dort die Zwillinge geboren, aber noch immer verfolgt Hera sie und als Leto auf der Flucht von Bauern gehindert wird, Wasser zu trinken, verwandelt ihr Geliebter und Vater der Kinder, Zeus, diese Bauern in Frösche. So also ist die Herleitung, warum auf dem Brunnen die Frösche das Wasser spenden. Was aber die Schildkröten angeht, da verläßt uns unser Latein, das hier eh Griechisch ist.

 

Man könnte bruchlos so weitermachen, denn der kunstsinnige Sonnenkönig war fit in der Mythologie, so gibt es den Apollobrunnen und einen Neptunbrunnen – besonders majestätisch mit hohen Fontänen - versteht sich für den Wassergott von selbst, der ja als griechischer Poseidon schon eine hilfreiche Rolle spielte. Sie merken also, wie wichtig diese Geschichte für den Zusammenhang der Benennung der Brunnen ist, die die Gärten von Versailles gliedern.

 

Genauso wichtig ist die Gesamtanlage, die erst einmal durch sanft abfallendes Gelände gekennzeichnet ist. Die Gärten gehen in alle Himmelsrichtungen, aber die große Achse zeichnet den Lauf der Sonne nach. „Am 25. August, dem Fest des Heiligen Ludwig, geht die Sonne exakt über dem kreuzförmigen Grand Canal unter, der sich an die vom Parterre d'Eau, dem Parterre de Latone und dem Tapis Vert gebildeten Achse anschließt. Im Norden senkt sich der Park zum Bassin de Neptune, dem Neptunsbrunnen, nach Süden führt er zu Orangerie, Sinnbild für Wohlstand und Überfluß.“

 

Diese pracht- und kunstvolle Anlage gilt als der Inbegriff des französischen Barockparks. Sein System besteht einerseits aus strengem symmetrischen rationalen Denken und aus einem sichtbaren Hang zum Prunk andererseits. Die Arbeiten begannen 1661 und überlebten Ludwig XIV, der zwischen 1689 und 1705 zudem eine sehr gelehrte Abhandlung über die Gärten von Versailles schrieb, wirklich selber schrieb. Kommen Sie zu Zeiten dorthin, die die großen Wasserspiele heißen, denn dann erwachen alle Bassins, die Brunnen, die Kaskaden sprudeln, die Wasserbecken laufen über und die Kanäle kanalisieren alles.

 

Nein, auf diese Art können wir dieses prachtvolle, bunte, grüne, glitzernde, die Vielfalt der Natur wie menschlicher Baukunst so deutlich zeigende Wunder der französischen Gärten nicht weiterbeschreiben. Das Buch zeigt ja auch ganz einfache Gärten und gibt in vielen Beschreibungen der rund 40 Gärten, die hinreißend ins Bild gesetzt sind, ganz andere Orientierungen. Die müssen Sie nun selber anschauen. Anders: Sie dürfen es. Denn für nicht einmal 15 Euro ist dieser am 1. April 2015 auch zum Film rechtzeitig erschiene Bildband geradezu ein Schnäppchen.

 

 

P.S.: Natürlich ist der repräsentative Bildband auch als Muttertagsgeschenk richtig. Sie wissen nun ja, die Frauen sind für die Gärtnerin von Versailles eingenommen und natürlich auch für die Gärten.

 

 Foto:

Im Bild das Gegenteil von Versailles. Der romantische Garten des Malers Monet. Andere Zeiten, andere Sitten, andere Gärten.

 

INFO:

Gardens in France, Gärten in Frankreich, hrsg. von Angelika Taschen, Fotos von Deidi von Schaewen, Texte Marie-Francoise Valéry, 340 Seiten, Großband 2015, € 14,99