Serie: Friedrich-Glauser-Preis 2012 für RÜTLISSCHWUR von Michael Theurillat aus dem Ullstein Verlag, Teil 2
Elisabeth Römer
Hamburg (Weltexpresso) - Vorneweg, dieser Kommissar Eschenbach paßt auch ins Krimi-Vokabular des Glauser, denn ihm ist seine Karriere wurscht. Er ist so einer, der der Gerechtigkeit dient, aber nicht durch übertriebenes Forschen, eigentlich läßt er die Fälle durch das Zusammenwirken verschiedener Umstände wie von alleine lösen.´
Denn Eschenbach selbst ist mit so vielen anderen Problemen gleichzeitig beschäftigt, zu denen sein Privatleben und das Weiterleben mit seiner Frau schon deshalb gehören, weil er in der Regel kein Privatleben hat. Endlich hat er sich 8 Wochen Auszeit genehmigen lassen, als nach 6 Wochen Kanada, wo die Tochter studiert, zwei Ereignisse eintreten. Er wird zurückbeordert und ein alter Schulfreund, der eher sein Schulfeind war, Jakob Banz, meldet sich mit einem sensationellen Angebot: für eine halbe Million Sicherheitschef seiner Schweizer Privatbank zu werden.
Eigentlich will er nicht, denn Geld ist ihm – genau- wurscht, aber dann zeigt er sich doch gekränkt, daß sein zukünftiger Chef auf ihn keinen Wert legt und er ausgemustert werden soll. Das aber – man hatte sich schon die schlimmsten Gedanken über schweizerische Bürokratie gemacht – stellt sich gegen Schluß als Absicht der Behörde heraus. Man hatte nämlich diesen bösen Banker schon im Visier und wußte, daß man anders als als Trotzgeste diesen störrischen Eschenbach dort nicht hinbekommen hätte.
Dieser kann es mit den Frauen. Denn seine Assistentin Rosa ist auf wunderliche Weise dort in der Bank auch untergekommen und das Ganze beginnt damit, daß ihn die junge Frau Judith von einem Autounfall aufliest und rettet und ins Kloster Einsiedeln bringt, als er auf einmal in Verdacht geriet, am plötzlichen Tod des Bankerchefs schuldig zu sein. Plötzlicher Tod? Richtig: Mord.
Eschenbach kann es auch mit den Männern. Mit bestimmten. Sein junger Kollege Claudio ist ein Informationsfels im Niemandsland und sein alter Freund Lenz für alles gut. Und dann ist dort noch das Klosterpersonal und dann das ferne Schlangenhaupt in Irland. Aber das erhebt erst ganz am Schluß sein Haupt und stellt die Moral wieder her!
Das muß man gar nicht alles im einzelnen erzählen, sondern kann zusammenfassen, daß die Hauptperson diese junge Frau Judith ist, die elternlos im Kloster Einsiedeln aufwächst, eminent wahrheitssüchtig und interneterfahren ist, unschuldig als mordverdächtig gilt und auf einmal noch vor der Klärung des Falls als tot erklärt wird. Eigentlich will man gar nicht weiterlesen, denn der gesamte Krimi ist eine Hommage an junge kritische Frauen. Aber das lohnt sich dann am Schluß, das Weiterlesen. Denn es bewahrheitet sich wieder einmal: Totgesagte leben länger und das wäre auch gegen jede innere Moral eines Krimiautors, erst die Personen so sympathisch zu machen und sie dann umzulegen, bzw. sich selbst aus dem Weg räumen zu lassen.
Das Eigentliche sind bei Theurillat nicht einmal die Menschen, die sind kauzisch und individuell geschildert und die Frauen eindeutig die Guten – wie im richtigen Leben. Das Eigentliche ist im Roman das System, hier die Banken und ihre Brüder. Wie es da zugeht, heute, das kann der Autor in wenigen Sätzen und mit den bekannten Begriffen weitertragen. Daß aber das heutige Bankensystem und Interna in der Schweiz Vorläufer in der geschichtlich zugespitzten Situation vor dem 2. Weltkrieg haben, das ist neu, wenigstens für uns, die wir nicht im Hauptfach Schweizer Geschichte studierten. Aber was auch wir wußten, ist die, über das Militär zustandegekommene besondere Männerbündelei in der Schweiz. Die tut auch hier nicht gut, wo an die Vorkriegszeit angeknüpft wird.
Das Helvetische bleibt aber in diesem Krimi nicht abgesondert, sondern ist auch in Italien und vor allem Irland zu Hause. Etwas Weltoffenes durchzieht von daher diesen in der Schweiz, ach nein, man sollte schon sagen, in der deutschsprachigen Schweiz spielenden Roman, der sogar so ganz eigentlich ein Zürcher Krimi ist. Man erkennt Örtlichkeiten wieder und das Romanpersonal ist ja sowieso in der ganzen Welt zu Hause. Wie jeder echte Zürcher. Der Roman lohnt also und die Jury ist zu loben.
Die hatte zur Preisverleihung, die mit 5 000 Euro bestückt ist, über den Preisträger und den Roman nach dessen inhaltlichen Wiedergabe verlauten lassen: „ Michael Theurillat zeichnet ein von Insiderwissen und nüchternem Realismus geprägtes Bild einer Welt, die durch gewissenlose Profitgier bestimmt ist. Mit der Figur seiner Judith, ihrem bewegenden Schicksal und Schauplätzen, an denen menschliche Werte im Vordergrund stehen, kontrapunktiert er die Kälte der Finanzwelt. Mehr und mehr wird der Finanzthriller zur Geschichte einer jungen Frau, die durch ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten und die Liebe zur Wahrheit die Sympathie der Leserinnen und Leser gewinnt. Theurillats 'Rütlischwur' ist spannend erzählt und überrascht durch seine Wendungen. Er gibt Einblicke in eine Welt, die den Augen der Öffentlichkeit normalerweise verborgen bleibt.“ Stimmt.
Michael Theurillat, Rütlischwur, Ullstein Verlag 2011