Die Broschüre ‚Romantik in Hessen‘ des HMWK sorgt für Tourismus und Wiedererinnerung


Heinz Markert


Wiesbaden (Weltexpresso) – Die Periode der romantischen Kunst und Literatur bedarf zum Wieder ins Bewusstsein-Rufen und Neubegutachten ihrer Motivkreise und Hinterbliebenschaften einer entschleunigten Herangehensweise. Die Romantik liegt quer zum kalkulatorischen, dromokratischen Rationalismus (Paul Virilio) gegenwärtiger turbo-ökonomischer Zeitläufe und Lebensumstände.

Die Romantik liefert den Gegenentwurf zu einer stets noch kahleren Gegenwart

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Leider wurden die Reden, kurz vor Beginn des Wochenendes, anlässlich der Vorstellung der Broschüre ‚Neue „Romantik in Hessen“‘ - die als gelungen betrachtet werden darf – im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst allzu sehr abgespult, der ironische, hintersinnige Unterton des romantischen Erbes und seiner geheimen Wirkmacht hätte etwas mehr zum Zug kommen können.


Zwar ist die Romantik in der Kulturindustrie ökonomisiert worden – wozu sie sich von Anfang an eignete -, um Umsätze zu generieren, aber insgeheim birgt sie ein immerwährend widersetzliches Potential für eine neuartige gesellschaftliche Bereicherung und einen Weltwandel. Dieses hat besonders in Frankreich Geschichte gemacht, während die deutsche Romantik von der emanzipatorischen Progression zur Reaktion überlief; womit das Unheil seinen Lauf nahm. Die Romantik wurde in Deutschland missbraucht, unter anderem mit dem Begriff des Völkischen.


Die neue Broschüre dient nicht allein dem Standortmarketing zum Zweck der Förderung von Inlandtourismus, sondern regt mit Routenvorschlägen zu bildungsbürgerlichen oder freisinnigen Ausflügen an zwölf Orte der Romantik an.

 


Ein Band der Fotos zur Romantik


Die Romantik in Hessen wird fototechnisch in Aufnahmen der Orte publik gemacht. Der Fotograf Kilian Schönberger hatte Gelegenheit seine Vorgehensweise einsichtig zu machen. Sinnhaft verstehbar wird seine Methode durch die Aufnahme vom „Rittersaal“ im Osteinschen Park bei Rüdesheim. Sie gibt den abwärts gerichteten Blick frei über den sich schlängelnden Rhein und weiter gegen die hinter dem gegenüberliegenden Rheinhang aufgehende Sonne auf eine Art, dass das helle Aufscheinen des frühmorgendlichen Zentralgestirns unmittelbar das Auge zu blenden fähig ist. Das Foto ziert die Vorderklappe der Broschüre.


Der Rhein wurde den Romantikern zum mythischen Fluss der Sehnsucht, die sich an eine ungemein bestimmend, ja leitend gewordene Rheinromantik knüpft. Der Fotograf lotete die geeigneten Stimmungen der Tages- und Abendzeiten aus.


Die Rheinromantik verbindet sich in einem speziellen Sinn mit der Romantik-Route, einer Linie, auf der Rhein und Main zusammenstoßen. Das Brentano-Haus in Oestrich-Winkel wäre nach dem Osteinschen Park auf dem Niederwald die nächste Station, die sich für die zeitliche Länge eines Tages eignet. Zum Start der Restaurierung des Brentano-Hauses hatten wir 2015 zu dieser Stätte schon berichtet. Am eindrucksvollsten von diesem Tag in Erinnerung geblieben ist das kleine, ein wenig erhöhte Rondell, das von den ‚Brentano-Kastanien‘ umkränzt wird, die schon Goethe unter sich bargen als er an diesem Ort zu Besuch und zum gepflegten Austausch weilte. Unter diesen Kastanien kann sich jeder neugegründete offene Freundeskreis der Romantik vortrefflich niederlassen.
https://weltexpresso.de/index.php/lust-und-leben/5209-ein-begegnungsort-auf-der-achse-der-romantik


Die dritte Tagesstation wäre das in Frankfurt am Main neben dem Goethehaus in Bau befindliche Romantik-Museum, das alles bisher verstreut Gebliebene an einem historisch indizierten Ort zusammenfassen soll, ‚mit wertvollen Manuskripten, Gemälden, Graphiken und Alltagsgegenständen‘. Mit der Gründung des Romantik-Museum wurde auch der Tatsache entsprochen, dass die Romantik eine im Wesen unabgeschlossene Kunstperiode der Zukunft ist.

 


Die weiteren Romantik-Orte auf einen Blick


Die meisten, wenn auch nicht alle herausragenden Orte der Romantik in Hessen dürften dem öffentlichen Gedächtnis relativ gut vertraut sein. Von Süd nach Nord: Das Kloster Lorsch und das Klostergelände mit der karolingischen Königshalle, ganz im südlichen Hessen gelegen. Der Staatspark Fürstenlager, begonnen 1790, bei Bensheim Auerbach, mit Parkarchitekturen und Gedenkorten wie Eremitage, Freundschaftstempel, Grotte, Luisendenkmal und Teehäuschen. Das Schloss Auerbach mit Panoramablick über die Bergstraße. Die Burg Frankenstein, von der man nicht weiß, ob sie Mary Shelley zu ihrem tief im Unbewussten verankerten Roman ‚Frankenstein oder der moderne Prometheus‘ inspiriert hat.


Die Veste Otzberg, eine ‚Krone in der Landschaft‘, altbekannt von sonntäglichen Familien-Fahrten in den Odenwald, ein immer zur rechten auftauchender willkommener Blickfang mit Aha-Erlebnis. Der Staatspark Hanau-Wilhelmsbad mit der künstlichen Burgruine und dem historischen Karussell, dem ältesten noch erhaltenen festen - und erst neuerlich restaurierten. Das Schloss Bad Homburg mit dem ‚Weißen Turm‘, dem großzügig angelegten englischen Landschaftsgarten mit Teich und besonders der großen alten Libanonzeder, die allein eine Reise wert ist.


Das Schloss Steinau, das Malerbruder Ludwig Emil Grimm besuchte und zeichnete und das nahebei gelegene Brüder-Grimm-Haus und Museum mit Exponaten, die die bedeutendsten Erforscher der deutschen Sprache betreffen. Zuletzt eine neu eröffnete Grimmwelt in Kassel und die alte künstliche Ruine ‚Löwenburg‘ im Berg-Park Wilhelmshöhe, die einem Hang des Landgrafen Wilhelm IX. zum Mittelalter entsprang.

Foto: (c) Verfasser


Info:
Broschüre ‚Romantik in Hessen‘, Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst 2016, 65 Seiten; die Broschüre enthält einen QR-Code zur Anwendung der App „Impuls Romantik“. Broschüre und App können sich ergänzen.
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Für die Herausgabe der Broschüre zeichnen verantwortlich das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst, die Verwaltung der staatlichen Schlösser und Gärten Hessen, das Landesamt für Denkmalpflege Hessen und die Museumslandschaft Hessen Kassel (Grimmwelt und Löwenburg im Berg-Park Kassel)