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Kategorie: Bücher

Serie: Deutscher Buchpreis 2012 in der nächsten Runde mit den letzten sechs durch die Jury ausgewählten Romanen, Teil 2

 

Claudia Schulmerich



Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Spannend. Immer wieder spannend, wer von den zwanzig Autoren, die im August die Lange Liste erreichten, weiterkommt und die nächste Hürde überspringt. Da waren's nur noch Sechse. Aber eigentlich ist das kein Autorenpreis, sondern ein Buchpreis, weshalb wir zwar in der Überschrift die erwählten Schriftsteller angaben, aber uns jetzt mehr um die Bücher selbst kümmern wollen.

 



Zur Auswahl selbst, bei der sehr auffällig ist, was schon die Zwanzigerliste bestimmte: wenig, d.h. nur noch eine Frau und viele Männer, äußerst sich die Jury: „Manches ging recht schnell, um anderes hatte die Jury lang, hart und leidenschaftlich zu ringen. Wir hatten Spaß, gewannen Einsichten und alle mussten im freundschaftlichen Streit um die besten sechs Bücher der Saison auch ihre Verluste einstecken“. Das sagte Jurysprecher Andreas Isenschmid von der NZZ am Sonntag und führte fort: „Entstanden ist eine Shortlist, auf der drei Titel auf je andere, formal allemal aufregende Weise die deutsche Nachkriegsgesellschaft erkunden, und drei, ebenso unterschiedlich, existentielle Selbstprüfungen in poetisch kühnen Fiktionen unternehmen.“

 

Die nominierten Romane (in alphabetischer Reihenfolge):

 

·         Ernst Augustin: Robinsons blaues Haus (C.H.Beck, Januar 2012)

 

·         Wolfgang Herrndorf: Sand (Rowohlt.Berlin, November 2011)

 

·         Ursula Krechel: Landgericht (Jung und Jung, August 2012)

 

·         Clemens J. Setz: Indigo (Suhrkamp, September 2012)

 

·         Stephan Thome: Fliehkräfte (Suhrkamp, September 2012)

 

·         Ulf Erdmann Ziegler: Nichts Weißes (Suhrkamp, August 2012)

 

 

In den letzten fünf Monaten wurden von den sieben Jurymitgliedern 162 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2011 und dem 12. September 2012 erschienen sind und auf die wir bei Bekanntmachung der Zwanzigerliste im August näher eingegangen sind. Was bei der jetzigen Auswahl auffällt, ist das Fehlen von ALLER TAGE ABEND von Jenny Erpenbeck aus dem Verlag Knaus, der sogar Siegeschancen zugetraut worden waren. Mit Recht nicht weitergekommen sind in unseren Augen DIE LIEBE IN GROBEN ZÜGEN von Bodo Kirchhoff aus der Frankfurter Verlagsanstalt und ebenso das in gewollt altertümlichem Deutsch geschriebene SUNRISE von Patrick Roth. Unter den Tisch fiel auch so etwas Fremdelndes wie ICH NANNTE IHN KRAWATTE von Milena Michiko Flasar aus dem Wagenbach Verlag.

 

Wir werden die nicht ausgewählten dennoch extra würdigen und wollen die Ausführungen des Jury-Vorsitzenden fortführen. Dreimal also sei die deutsche Nachkriegsgeschichte Thema bei den Auserwählten. Das gilt in erster Linie für LANDGERICHT von Ursula Krechel. Da geht es um Richard Kornitzer, der 1947 aus dem Exil zurück nach Deutschland kehrt. Er war Richter, was unter den Nazis mit aufrechtem Gewissen nicht zu machen war. Sein Aufenthalt in Havanna läßt das kaputte Deutschland ihn exotischer erscheinen als die karibische Insel. Toll, daß so viele Jahre nach dem zweiten Weltkrieg wieder ein Buch erscheint, daß den Wiederbeginn und die Gründungsjahre dieser Republik beleuchten, die für uns bisher mit Wolfgang Koeppens Trilogie TAUBEN IM GRAS, DAS TREIBHAUS, TOD IN ROM literarisch verbunden blieben.

 

Dem Verleger Jung aus Salzburg ist wirklich zu gratulieren, daß ihm mit Ursula Krechel wiederum gelang, eine Autorin in die letzte Runde zu bringen, nachdem vor zwei Jahren seine Melinda Nadj Abonji mit TAUBEN FLIEGEN AUF sowohl den Deutschen wie auch den Schweizer Buchpreis gewann. Man freut sich auch mit Ernst Augustin, daß ein älterer Schriftsteller mitausgewählt wurde, denn es bleibt ein Problem des Deutschen Buchpreises, wie man mit bewährten und auch guten älteren oder sogar alten Dichtern und Denkern umgeht. Peinlich war es vor Jahren, als Martin Walser zwar auf die Zwanzigerliste, nicht aber unter die letzten Sechs geriet. Dabei war sein Roman so viel besser geschrieben und interessanter als die prämierte Auswahl. Augustin erzählt vom Untertauchen in harten Zeiten und medialen Abenteuern.

 

Es freut einen auch, daß jemand wie Ulf Erdmann Ziegler mit NICHTS WEISSES dabei ist, denn er ist niemand, der die Königsmacher so hinter sich hätte. Sein Roman, der um Marleen kreist, die die perfekte Schrift erfinden will, verschränkt die aufkommende Superwerbung der achtziger Jahre mit dem Designanspruch der Kunsthochschulen und ist auch ein Zeitgemälde. Wolfgang Herrndorf hat mit SAND aus dem Rowohlt. Berlin Verlag etwas möglich gemacht, worauf doch einige warten. Die Verschwisterung des Preises der Leipziger Buchmesse mit dem Deutschen Buchpreis. Absurde Personen bevölkern seinen realistischen Roman, der von dem Septembermord 1972 an Israelis auf dem Olympiagelände in München handelt, aber auch Nordafrika miteinbezieht.

 

Auch für Clemens J.Setz freut man sich. INDIGO heißt sein, nun im Suhrkamp Verlag erschienener Roman, der von der rätselhaften Störung, dem Indigo-Syndrom handelt. Setz spielt mit als Mathematiklehrer und will der Sache auf den Grund gehen, als immer mehr Kinder mit den gleichen Symptomen erkranken. Doch dann...mehr demnächst in der Einzelbesprechung der sechs ausgewählten Romane, zu denen auch FLIEHKRÄFTE von Stephan Thome gehört. Die beiden Letzteren waren schon einmal auf der Liste der letzten Sechs vertreten, beide im Jahr 2009, einmal mit DIE FREQUENZEN und GRENZGANG. Fortsetzung folgt.

 

Info:

 

Der Jury für den Deutschen Buchpreis 2012 gehören neben Andreas Isenschmid an: Silke Grundmann-Schleicher (Buchhandlung Schleichers, Berlin), Oliver Jungen (freier Kritiker), Dirk Knipphals (die tageszeitung), Stephan Lohr (Norddeutscher Rundfunk), Jutta Person (freie Kritikerin) und Christiane Schmidt (freie Lektorin).

 

Der Preisträger erhält ein Preisgeld von 25.000 Euro; die fünf Finalisten erhalten jeweils 2.500 Euro. Mit dem Deutschen Buchpreis 2012 zeichnet die Börsenverein des Deutschen Buchhandels Stiftung den besten deutschsprachigen Roman des Jahres aus. Die Preisverleihung findet am 8. Oktober 2012 zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse im Kaisersaal des Frankfurter Römers statt.

 

Partner des Deutschen Buchpreises sind Paschen & Companie, die Stiftung der Frankfurter Sparkasse, die Frankfurter Buchmesse und die Stadt Frankfurt am Main. Die Deutsche Welle unterstützt den Deutschen Buchpreis bei der Medienarbeit im In- und Ausland. Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur übertragen die Preisverleihung live im Rahmen von „Dokumente und Debatten“ auf den LW 153 und 177 kHz, der MW 990 kHz, als Livestream im Internet unter www.deutschlandradio.de sowie im Digitalradio DAB+. Zudem wird die Preisverleihung per Video-Livestream unter www.deutscher-buchpreis.de übertragen.

 

www.deutscher-buchpreis.de