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Kategorie: Heimspiel

Im Rahmen der Bürger-Universität der Goethe-Universität Frankfurt am Main

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das geben wir gerne weiter, die Information über die öffentliche Führung am kommenden Freitag. Am 8.2. findet diese von 16.30 bis 18 Uhr über den Campus Westend der Uni Frankfurt statt, die im Rahmen der Bürger-Universität von Dr. Astrid Jacob angeboten wird.

 

Denn sicherlich gibt es keinen zweite Gebäudekomplez oder gleich umfangreiches Areal auf der ganzen Welt, das solche Wandlungen hinter sich brachte, bis die Universität hier einzog und mit Aplomb das gesamte Gelände immer noch ausbaut. Heute besitzt die Goethe-Universität, deren Stammhaus an der Bockenheimer Warte war und teilweise noch ist, vier größere Standorte. Der Campus Westend ist dabei Zentrum der Standortneubestimmung, wohin auch die Verwaltung nach und nach zog. Dieses Gelände, den älteren Frankfurtern immer noch als IG-Hochhaus oder auch IG-Farbengebäude im Sprachgebrauch, hat eine abenteuerliche Geschichte, die auf der Führung sicher hochspannend rüberkommt.

 

Wir fangen nicht im Mittelalter an, obwohl bei den Erweiterungsbauten der heutigen Universität von einem mittelalterlichen Turm die Rede war. Auf jeden Fall war dieses Gebiet, das die leichte Anhöhe von der alten Stadtgrenze am Eschenheimer Turm bis hin zur Bremerstraße in eine steilere Höhenlage bis zur Miquelallee fortsetzt, in späterer Zeit als Teil des Grüneburgsgeländes im Besitz der Frankfurter Größen: der Familien Bethmann-Metzler, Rothschild und Goethe. Der Frankfurter Irrenarzt und Vater des Struwwelpeter, Heinrich Hoffmann, hat hier – damals Affenstein genannt – ab 1859 seine in der Stadt IRRENSCHLOSS genannte Klinik erbaut, die wirklich wie ein Schloß aussah und leider wegen Wasser in den Mauern schon nach dem Jahrhundertwechsel nicht mehr genutzt und später abgerissen werden mußte.

 

Zuvor waren echte Kranke und die, die wegen abweichendem Verhalten in solche Irrenhäuser weggesperrt wurden, mitten in der gotischen Altstadt, ohne Licht und Platz eingepfercht gewesen, weshalb der Menschenfreund Hoffmann mit großer Unterstützung der reichen Bürger Frankfurts als Direktor die damals modernste IRRENKLINIK im weitläufigen Park erbauen konnte, an der auch andere fortschrittliche Ärzte arbeiteten, wie beispielsweise Alois Alzheimer, der an den hiesigen Patienten dann die Alzheimersche-Krankheit entdeckte und erforschte.

 

 

Das brachliegende Gelände war dann gerade richtig für den Zusammenschluß von 1925, mit dem die sieben größten chemischen Industrien Deutschlands und einige kleinere die I.G. Farbenindustrie gründeten, kurz IG Farben genannt, die dadurch das größte Chemieunternehmen weltweit wurden und dann im Dritten Reich eines der großen regimetragenden Unternehmen war. Frankfurt war u.a. schon zuvor Standort von Cassella in Fechenheim gewesen und der Farbwerke Höchst, die das Zyklon B herstellten, mit denen in den Konzentrationslagern Juden und andere vergast wurden.

 

Ab 1928 wurde der, vom Architekten Hans Poelzig geplante wundervolle Bau errichtet, der durch die ungewöhnliche leichte Rundung aus dem massiven und martialischen Querriegel ein Schmuckstück macht. Warum die IG Farben ausgerechnet auf den in Breslau, Berlin und Dresden wirkenden Poelzig kamen, dessen Bauten eher dem organischen Bauen (Gaudí) verpflichtet waren, kann einen wundern. Das Ergebnis nicht. Und dieser imperiale und dennoch ästhetisch gelungene Bau stach den Amerikanern noch vor ihrem Kriegseintritt so in die Augen, daß sie ihn als künftiges Headquater nach dem Sieg über Nazi-Deutschland bestimmten!

 

Das ist deshalb wichtig zu betonen, weil die gotische Innenstadt durch Kriegsbomben noch im März 1945 fast völlig zerstört wurde, während die Bomberpiloten die Order hatten, das IG Farben Gebäude zu schützen. So kam es auch. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nutzte der Oberbefehlshaber – und spätere US-Präsident - der amerikanischen Besatzungstruppen, General Eisenhower ,das IG Hochhaus als U.S. Hauptquartier und das darüber liegende Casino als Speisesaal für die höheren Offiziere; gleichzeitig war es die europäische militärische US-Zentrale, für die Dwight D. Eisenhower 1950 zum Oberkommandierenden der NATO-Streitkräfte wurde. Erst nach der Wende und dem Abbau des US-Militärs in Deutschland und Europa ging der Bau und das Gelände wieder in deutsche Hände über.

 

Es war eine Glanztat der damaligen SPD Regierung und des Parlaments in Hessen, daß dieser geschichtsträchtige und repräsentative Ort nicht an die verkauft wurde, die viel Geld boten: die deutsche Industrie, sondern als Universität firmieren sollte, was mit dem Einzug in die Poelzigbauten 2001 begann. Sukzessive wurden über die Stadt verstreute Fachbereiche hier angesiedelt und die freie Fläche - teilweise mit durch die Amerikaner leicht gebauten und dann abgerissenen Häusern – mit Universitätsgebäuden bebaut. Bis zum 100-jährigen Jubiläum im Jahr 2014 soll an diesem Standort die modernste Universität Europas entstehen. Schon jetzt gehen die alten und neuen Gebäude in der neoklassizistischen Parkanlage eine faszinierende Symbiose auf einem der schönsten Campus Europas ein.

 

Ein wichtiger, sehr negativer Aspekt muß noch erwähnt werden. Ursprünglich war das gesamte Gelände offen zugänglich, d. h. von Bremerstraße, Hansaallee, Miquelallee und Grüneburgpark aus. Die in der Nähe lebenden Kinder hatten dort ihre Spielmöglichkeiten und fuhren heimlich Paternoster im Hauptgebäude und lernten im Teich dahinter Schwimmen und kletterten auf dem bronzenen Hirschen herum, der links vom Casino stand. Die RAF machte dem freien Zugang für alle den Garaus. Denn nach einem scheußlichen Attentat auf den US-Militärsitz wurde die heutige Abriegelung nach allen Seiten errichtet, was wohl auch im Sinne der heutigen Universität ist, denn der alte Zustand wurde nie wieder herbeigeführt.

 

 INFO:

Seit dem Jahr 2004 ist Astrid Jacobs und ihre Agentur KULTUR-ERLEBNIS Kooperationspartner der Goethe-Universität und gestaltet die Gästeprogramme.

 

Freitag, 8. Februar 2013, 16.30 bis 18.30 Uhr: Von der Grüneburg über IG-Farben zur Universität

Kosten: 10 € (Universitätsangehörige/erm. 8 €)

Infos: 0176-51223163, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.kultur-erlebnis.de

Führung: Dr. Astrid Jacobs

Treffpunkt: Haupteingang IG-Farben-Gebäude, Grüneburgplatz 1/Fürstenbergerstraße, Frankfurt

ÖPNV: Bus 36, Haltstelle Campus Westend

KEINE ANMELDUNG erforderlich!



www.kultur-erlebnis.de