adlerStadt startet Spendenkampagne gemeinsam mit bürgerschaftlichen Initiativen

Klaus Hagert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Ina Hartwig hat am Mittwoch, 15. Dezember, zusammen mit Kurator Thomas Altmeyer den aktuellen Stand der Arbeiten am „Geschichtsort Adlerwerke: Fabrik, Zwangsarbeit, Konzentrationslager“ präsentiert und Andreas von Schoeler als Schirmherr der geplanten Spendenkampagne vorgestellt. Seit Anfang des Jahres laufen die Planungen mit den beteiligten zivilgesellschaftlichen Initiativen, die Eröffnung ist für Frühjahr 2022 geplant.

Kulturdezernentin Hartwig sagte: „Seit Beginn meiner Amtszeit setze ich mich zusammen mit zivilgesellschaftlichen Initiativen für eine dauerhafte Erinnerungs- und Bildungsstätte zu Themen des Konzentrationsaußenlagers ‚Katzbach‘ und der Zwangsarbeit in Frankfurt ein. Die mittlerweile über dreißig Jahre alte Idee wird im Frühjahr 2022 Wirklichkeit und wir können den Geschichtsort eröffnen. Ich danke allen engagierten Bürgerinnen und Bürgern, Vereinen und Förderern, die daran beteiligt waren und sind. Mit dem Geschichtsort Adlerwerke erinnern wir mitten in Frankfurt an die Opfer des Konzentrationslagers und der Zwangsarbeit und bieten damit Möglichkeiten für eine kritische Aufarbeitung der Geschichte, für Vermittlungsarbeit und politische Bildung.“

Der von Kulturdezernentin Hartwig initiierte Stadtverordnetenbeschluss sichert die Anmietung geeigneter Räumlichkeiten auf dem historischen Fabrikgelände der Adlerwerke im Gallus, dem authentischen Ort der Verbrechen. Zudem hat das Kulturdezernat zusammen mit dem Förderverein und dem Studienkreis Deutscher Widerstand die Museographie beauftragt.

Seit Herbst ist die Stadt Frankfurt Mieterin der Fläche in der Kleyerstraße 17. Der Raum ist rund 160 Quadratmeter groß und mit einem separaten Zugang von der Straße versehen. Er befindet sich in direkter Blickachse zum östlichen Eckrisalit des Gebäudekomplexes, dem Turm, in dem sich das grausame Konzentrationsaußenlager unter dem Decknamen „Katzbach“ befunden hat.

Ein Kuratorenteam unter der Federführung von Thomas Altmeyer, wissenschaftlicher Leiter Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945, hat ein interaktives und auf Partizipation ausgerichtetes Konzept erstellt, das die Vermittlung der Geschichte in den Vordergrund stellt. Geplant ist eine aus vier thematischen Modulen bestehende Ausstellung. Die Geschichte der Fabrik und ihre Bezüge in das Stadtviertel, die Zwangsarbeit in Frankfurt, die Geschichte der Entstehung und der Existenz des Konzentrationsaußenlagers und schließlich der Umgang mit diesen Themen nach 1945 bis heute sind die Themen, die die Interessierten ab Frühjahr 2022 besichtigen können. Ein Medientisch, mehrere Hörstationen und weitere interaktive Angebote sollen das Interesse anregen und Informationen auf unterschiedlichen Ebenen vermitteln, und dabei den Besucherinnen und Besuchern den nötigen Freiraum zum Nachdenken lassen.

„Der Geschichtsort Adlerwerke möchte die Themen Fabrik, Zwangsarbeit und Konzentrationslager als integrierte, zusammenhängende Geschichte erzählen. Dabei sind diese Themen enger mit aktuellen Fragen politischer Bildung verknüpft, als man auf den ersten Blick meinen mag: Es geht um Handlungsspielräume und Zivilcourage, um Arbeit und Arbeitsbedingungen, um Macht und Ausbeutung und der Begegnung von Einheimischen und Fremden in der Fabrik und in der Stadt“, erläuterte Altmeyer das Konzept.

„Das Projekt wird jährlich mit 120.000 Euro vom Dezernat für Kultur und Wissenschaft gefördert. Darin enthalten ist ein Betriebskostenzuschuss inklusive Personalkosten sowie die Miet- und Nebenkosten für den Raum in der Kleyerstraße. Dieser bildet den Grundstock der dauerhaften Finanzierung und personeller Ausstattung des Geschichtsortes“, erklärte Kulturdezernentin Hartwig.

Weitere Gelder sind jedoch nötig, um das pädagogische Angebot des Geschichtsortes auszubauen und um weitere thematische Aspekte wissenschaftlich zu erarbeiten. Die Stadt Frankfurt startet daher gemeinsam mit dem Förderverein und dem Studienkreis Deutscher Widerstand eine Spendenkampagne unter der Schirmherrschaft des ehemaligen Oberbürgermeisters von Schoeler: „Viele Menschen in unserer Stadt wissen nicht, dass es mitten in Frankfurt ein Konzentrationslager gab und welchen Umfang die Zwangsarbeit hatte. Mit dem Geschichtsort Adlerwerke wird diese Lücke der Frankfurter Erinnerungskultur geschlossen. Dies verdient unser aller Unterstützung. Ich rufe alle Frankfurterinnen und Frankfurter auf, den Geschichtsort aktiv zu unterstützen. Jede Spende hilft, das pädagogische Angebot des Geschichtsortes und die Vermittlung der Geschichte an Kinder und Jugendliche auszubauen“, sagte der Schirmherr. Spenden können an den Geschichtsort Adlerwerke, IBAN DE53 5105 0015 0162 0790 40, BIC NASSDE55XXX (Nassauische Sparkasse) gerichtet werden.

Der Geschichtsort Adlerwerke entsteht aus einer Kooperation zwischen dem Dezernat für Kultur und Wissenschaft, dem Förderverein KZ-Katzbach/Adlerwerke und dem Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945.


Historischer Hintergrund

Im Sommer 1944 entstand im Gallusviertel unter dem Decknamen „Katzbach“ eines der grausamsten KZ-Außenlager im „Dritten Reich“. Die Häftlinge waren in der Rüstungsproduktion eingesetzt, die zu dieser Zeit trotz der sich abzeichnenden Niederlage des NS-Regimes forciert wurde.

Die insgesamt 1616 Gefangenen, die zum Großteil aus Polen stammten, wurden auf dem Gelände der Adlerwerke zwischen August 1944 und März 1945 unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten und zur Arbeit gezwungen. Die Todesrate war im Vergleich zu anderen Lagern in der Rüstungsproduktion enorm hoch. 527 Häftlinge starben in Frankfurt, weitere 165 kurz nach ihrem Abtransport in Krankenlager, in die sie wegen „Arbeitsunfähigkeit” gebracht wurden. Im März 1945 wurden im Zuge der Auflösung des Lagers rund 450 erschöpfte Häftlinge ins Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert. Nur elf Überlebende dieses Transports sind bekannt. Die übrigen 360 bis 370 Häftlinge wurden am 24. März 1945, kurz vor dem Einmarsch der Alliierten in Frankfurt, auf einen „Todesmarsch“ geschickt, den viele nicht überlebten.

Neben den KZ-Häftlingen beschäftigten die Adlerwerke zwischen 1941 und 1945 mehrere Tausende zivile Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Insgesamt waren in Frankfurt im Frühjahr 1944 zwischen 43.000 und 50.000 zivile Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beschäftigt. Auf der Frankfurter Gemarkung befanden sich etwa 145 Zwangsarbeitslager.

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