Bauten Bürger BembelDas Filmkollektiv Frankfurt e.V. hat eine Zusammenstellung dokumentarischer Filme über den Zeitraum 1909-1986 herausgebracht

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Filme rubrizieren zwar unter der medienspezifischen Vorgabe ‚Imagefilm‘, weisen aber in umwelt- und stadtpolitischer Hinsicht über diese Etikettierung hinaus. Was in Sachen Umwelt besonders erstaunlich ist. Die andere, tieftraurige Sache ist, dass sich das alles um eine zu siebzig Prozent zerstörte Stadt gruppiert. Die historische Innenstadt ist zu 90 Prozent in Schutt und Asche gefallen.


Wir Nachgeborenen verwunderten uns schon seit jeher, wie die Historizität der Altstadt ziemlich bald nach der Kriegsfurie zu nicht unwesentlichen Teilen rekonstruiert werden konnte. Hierzu waren Meißel-Arbeiten nötig, die nicht schnell von der Hand gingen. Klar wird auch, dass die Baufirmen und ihre Arbeiter mit einer ungeheuren Verve an den ‚Wiederaufbau‘ gegangen sind, während heutzutage Arbeiten nur noch lahm vonstattengehen. Damals wurde eben auch mit Begeisterung gearbeitet.


Acht Thematiken werden aufgemacht (Filme 1-8, 1-4 in stumm)

Diese lohnen durchaus die Investition von 25 Euro für die DVD, die jüngst herauskam. Es waren umfangreiche Vorarbeiten nötig, um das vorliegende Ergebnis zu bewerkstelligen. Platzhalber seien diese etwas verkürzt verzeichnet.

- der Unfall des Clouthschen Motorballons bei der ILA 1909
- der Rundgang durch die Internationale Luftschifffahrt-Ausstellung 1909
- Die Frankfurter Internationale Messe 1923
- Zerstörtes Frankfurt 1944/1945 (Archivtitel)
- Wiedergeburt einer Weltstadt
- Zerstörung und Wiederaufbau (Dokumentarfilm der FAAG)
- ‚Bauten, Bürger, Bembel‘ (hierin treten Otto Höpfner und Renauld. Nonsense auf)
- Erstaunlich: Ferien im Alltag; Gärten, Wiesen, Wälder in der Großstadt
In diesem Teil taucht der kleine Junge mit dem Schild ‚Kommt mit! auf, um zum Gang durch das wiedererstarkte Grün zu werben, was gelingt.


Die Große Form hatte Frankfurt dereinst unauffällig geprägt

Die ersten drei Filme machen melancholisch. Was damals so alles in Frankfurt schon präsentiert wurde. Eine Asphalt- und Straßenbelag-Auslege-Maschine. Die Wiener Werkstätten und das Haus Werkbund gaben ihren Beitrag. Diese festen, geschmackvollen Gebäude künden schon von außen gesehen von Sinn und Form. Das waren noch keine Ergüsse von Hochhausarchitekten oder Herstellern einfallsloser Funktionsarchitektur. Nach einem 2. Krieg ist es eben langfristig mit der ästhetischen Potenz vorbei. Die Bilder zeigen, dass der Industriefilm als Werbemittel schon Eingang in die Hallen - und selbst außerhalb derer - Eingang gefunden hat. Doch im Haus der Technik wurden später auch Bauplatten für das Bauprogramm des Neuen Frankfurt produziert.

Der Film ‚Zerstörtes Frankfurt‘ zeigt nur äußerst schwerlich zurück verfolgbare Bauten einer der schönsten Städte in Deutschland. Die Bilder sind einfach grauenerregend. Dass Frankfurt doch heute wieder nach was ausschaut, ist kaum zu begreifen. Es konnte damals nicht sklavisch rekonstruiert werden. Das war die Chance. Es gab eine Frankfurt-Lösung. Der Wiedergeburtsfilm der Filmgesellschaft ‚Welt im Film‘ - manchen vielleicht noch geläufig - kann die Schwierigkeiten, die finanziellen Bedenken und die Widerstände, die sich im entscheidenden Moment auftaten, nur ansatzweise vermitteln. Es gab jedenfalls auch den ‚Bürgereinsatz Trümmerbeseitigung‘. das erinnert entfernt an die Situation im heutigen Ahrtal.


Frankfurt bekam im Zentrum ein neues Gesicht

Es wurde erkennbar hart und schnell am neuen Frankfurt gearbeitet. Die Kommentierung ist von einem pathetischen Grundton getragen. Die Töngesgasse war praktisch weg. Die Achse Berliner Straße wird schnell deutlich. Hier sprach im Kreuzungsbereich am Börne-Platz 1963 John F. Kennedy zu den Frankfurtern. Im Bereich Fahrgasse reihte sich Neubau an Neubau. Alles wirkte hell und freundlich in Anbetracht auch eingeschlossener Grünanlagen und Spielplätze. Modern wurde damals zum Zauberwort. Die neuen Fassaden wurden gegliedert. Der Römer bekam wieder seine alte äußere Form, die stehen gebliebene Fassade bekam ihr Innen zurück. So auch den Kaisersaal. Das Goethe-Haus wurde rekonstruiert. Die Neuen Wohnungen bestechen im Bild. Der unter Schwierigkeiten entstandene Imagefilm durfte in 54 Kinos gesehen werden. Auch nicht ganz unwichtig: für Pflege-Rentner*innen wurden Einzelzimmer zu Norm.

Der ‚Bembelfilm‘ (‚Frankfurt zwischen Heute und Morgen‘) lässt das Gegensatzpaar Dr. Otto Höpfner (Optimist) und den unvergesslichen Renauld Nonsense (Pessimist, mit Riesenzigarre) verschiedentlich bei Handkäs und Äppelwoi ihre unverwechselbaren Sprüche und Kommentare anlässlich unwesentlicher Kontroversen und Zwiste von sich geben. Wir nachkriegs-Geborenen bekamen Nonsense dann erst im satirischen Theater Die Schmiere zu erleben. Der Auto-Verkehr wurde zu einem riesigen Problem in Frankfurt. Apropos zu viel Verkehr, mitten in der Debatte bekommt Nonsense einen Ball ins Genick geworfen und reagiert mit der Bemerkung: „Mer kann net emol in Ruh sei Schöppche trinke“.

Neue Schulen wurden gebaut, kurzerhand noch 25 weitere, ständig wurde eingeweiht. Insbesondere erstanden Turnhallen, 62 Horte, Offene-Tür-Häuser für die Jugend, vier große Spielplätze im Wald, 48 Schulsportanlagen, 18 Freibäder, das Rebstock-Bad sollte noch kommen. Das Stadtbad-Mitte wurde errichtet, viel später wurde es aufgegeben und an Privat verschachert. Altersheime wurden errichtet, nach der Devise jeder Person ihren eigenen Raum. Die Universitätsklinik geht auf die Wederanfangsjahre zurück. Es wurden moderne Schwesternhäuser hochgezogen.


Die Natur wurde unvermittelt zum Hauptthema der Filmreihe

Für uns Heutige erstaunlich. Diese Tendenz überrascht in Anbetracht der damaligen Zeit, die vom Technik-Fieber gepackt war. Das war wie eine neue Verheißung. Der Sprecher des Holle-Films analysiert kurz und bündig: Natur beraubt – technisches Zeitalter – Ruf der Städte – die Entwicklung von ihnen beherrscht – eilig auf der Autobahn.
Der abschließende Teil rechtfertigt die Natur im absoluten Sinn. Aber es ist nicht aufgesetzt, der Humor behält die Rolle. Bei aller Eindringlichkeit bleibt die Sprache leichtfüßig. Die Feldwege werden als alte Raubritterwege eingeordnet. Es geht an die Nidda, zu den Schwanheimer Dünen, nach Berkersheim. Der Esel mit dem Jungen auf ihm will sagen: Schau Dich doch um! - Zwei Jungen gehen ins ‚Nizza‘ mit seinen Palmen und den Feigen am Baum. Im Bethmann-Park ist freundliche Beratungsstunde. ‚Garten vor dem Tore‘ hieß er einmal. Friedrich Wilhelm II, Goethe und Kaiser Franz Josef gingen hier einst auf einen Spaziergang. Dem verschiedentlichen Jungen kommt die Rolle zu, zwei erwachsene Männer zur Visite ins Grün anzuregen, was auf die leichte Art erfolgt und auch gelingt

Weiter geht's zur Weinernte am Lohrberg, auf die Rollschuhbahn. Man möge sich doch mal bitte etwas locker machen. Am Nida-Ufer wächst hohes Gras und das Schilf reicht hoch. Touristen werden sorgfältig geschleust, zum Knipsen, der schicke Bus wartet im Hintergrund. Apropos schick. Damals glichen die neuen Busse noch gleich einem schmucken Spielstraßeninventar. Auch die Kabrioletts. Der Junge weist Touristen auf den Rest der Stadtmauer hin. Sogar aus Norwegen kommen sie hier her. ‚Beim kleinsten Sonnenblick sind die Menschen vor den Toren, Christen, Juden...‘. Dann tritt überraschend der Junge wie aus dem Nichts mit Schild auf, auf dem steht: Kommt mit! - Leute schließen sich an, Fenster gehen auf, alle Kinder werden herzu gerufen, eine Kapelle spielt auf (nicht aber im Marsch).

Schließlich ist der Wald Thema, wie ganz aktuell. Pfade führen durch ihn hindurch. Eine Gitarre wurde mitgenommen und erklingt auch Etliche der bekanntesten Vögel werden von der Kamera gezoomt und ihre Art erklärt. Im Auwald beim Maunzenweiher quaken die Frösche. Die Arbeit des Zapfenpflückens wird gezeigt. Und dann erst der Scherwald mit dem Mini-Golf! Das sind Ferien im Alltag. Zwei Kaufleute finden sich verzaubert. Und nach dem Einkauf an den Main gehen, in der Mittagspause unter Bäumen sitzen. So lautet das kaum ganz wiederzugebende Programm des Streifens. Auch wurde gepredigt: ‚Wir müssen auf der Hut sein! Die ständige Entwicklung von Industrie und Verkehr bedeutet eine Gefährdung der Landschaft. Und die Verschmutzung des Wassers!‘

Der ‚Holle-Film‘ schließt: ‚Hier kann eigentlich nur auf höherer Ebene Abhilfe geschaffen werden. Es liegt im Machtbereich der Stadt, eine vernünftige Grünpolitik zu betreiben‘. So wird auch gezeigt, wie die Stadt unaufhörlich wuchs und weiterwächst. Gezeigt in einer Animation. Mit Beginn: seit Ende der Zwanziger Jahre. Jetzt gibt es eine Bauleitplanung. Der Grüngürtel wurde 1991 unter Schutz gestellt, um die Landschaft in der Stadt und um die Stadt herum zu erhalten. Die Nordweststadt darf heute als gelungen gelten, das Niddatal bleibt. Die Kleingärten bilden eine Brücke, wie der Blick vom Funkturm nach unten erstaunlicherweise klar werden lässt. Der alte Film bestimmt auch, dass am Bornheimer Hang nichts verändert wird. Das ist nun gar nicht der Fall. Da ist jetzt jede Menge Autobahn und es wird noch viel mehr davon geben.

Jungs, die mit Klötzchen eine Stadt im Grünen bauen, machen die Schlusseinstellung. Der Sprecher spricht: ‚Sie werden auf den Mond fliegen, den Weltraum erobern, aber auch sie bleiben dabei: Neben jedem Haus steht der Baum!‘

Mit Operation Stadtbahn und Grünes Licht für Frankfurts U-Bahn – das Jahrhundertprojekt - schließt die Filmreihe ab. Hierbei sticht der gelungene Animationsfilm abspannend heraus.

Foto ©: hessenshop.com

Info: DVD, ´Bauten, Bürger und ein Bembel‘, Historische Frankfurter Imagefilme 1909-1968,152 Minuten, mit umfangreichem Booklet, Filmkollektiv Frankfurt, 25 Euro
Erhältlich in: Hessen Shop, Leipziger Straße 49, 60487 Frankfurt-Bockenheim