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Kategorie: Heimspiel

FRANKFURT LIEST EIN BUCH: Eckhard Henscheids VOLLIDIOTEN, Teil 8

 

Claudia Schubert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wer außer Goethe hat das noch geschafft? In Korea als Lektüre in Schulen Verwendung zu finden? Und im Land als der bekannt zu sein, der Wichtiges aussagt. Vielleicht Nietzsche, vielleicht Heinrich Böll? Das wissen wir leider nicht genau; was wir wissen ist, daß auf jeden Fall Eckhard Henscheid mit seiner Ode an Bum Kun Cha in Südkorea Furore machte.

 

 

Ode an Bum Kun Cha

 

Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht,

Die den großen Gedanken vermochte, den

Knaben zu träumen, zu denken - und dann auch zu

Bilden mit den schnellen, beseelten, jauchzenden

Füßen des Jünglings: Flink, flitzend,

Flirrend und flackernd - nicht lange fackelnd,

Doch feuernd und feiernd; den fühlenden Herzen

Frankfurts zur Freude.

Bum Kun Cha! Freund aus dem Osten! Fremdling bist

Du nicht länger - nicht bitt'res Los ist Exil

Dir! Heimat, die zweite, du fandst sie.

 

 

Wunderbar ist die Gunst denn des Gottes des

Fußballs. Zwar niemand weiß, wann und von wannen

Er schenket nach Puskas und Pele und Kempes den

Neuen Erwählten - nie doch und nimmer vergißt

Er sein hoffendes Volk. Über Indien hinaus

Und den Ganges spähet sein

Forschender Blick, ins ferneste Land, da

Seit Alters Männersmut blühet und hoher Sinn.

Tapf'res Korea! Du schenktest uns Cha!

 

 

Festlicher klinge mein Saitenspiel! Denn lang

Lieb ich dich, Cha, schon drei Monde -

Drei Monde schon fällt dein verjüngendes

Licht auf die scheinbar gealterte Eintracht. Wir

Sahen dich erstmals, Lieblicher, gegen Stuttgart,

- und das Herz war bezaubert, verwundert bald

Gar. Ach! Wie du da Förster, den Holzer,

Versetztest und Martin, den Rammler, so daß selbst

Sie dein Lob dann sangen - wie du dich

Schlängeltest durch die Abwehr - um endlich,

Endlich, kurz nach der Halbzeit, hoch in die

Lüfte dich reckend, die Flanke von Borchers

Nahmst mit der Stirn, der klugen, das

Leder versenktest du im rechtesten Toreck - es war

Wie ein Herzkrampf, ein schöner, in Freude und

Ahnendem Jubel in eins.

 

 

Am Abendhimmel blühte ein Frühling auf, und

Sein Name war Cha. Die Eintracht aber, jahrelang

Von Klippe

Zu Klippe

Geworfen, glühte mit dir, o mein Trauter, zu

Neuschönem Glanze. Aus dem Schlaf des

Dornröschens erwachte die alte, die beinah

Vergeß'ne Primadonna sehr rasch. Vergessen das Alter

Grabowskis, vergessen der Streit mit dem Trainer.

O neues, heilig' Herz der Mannschaft! Uns zur

Erhabenen Lust stürmst du, Schönster, so viel ich

Sah, seither, wie der Vogel des Waldes über die

Wipfel fliegt, schwingst du, Zierer, leichter und

Mühlos und sonder Gewalt dem Tore dich zu, dem

Beschützten - Östling unter Deutschen,

Und ihnen dennoch verwandt in der Seele,

Nah auch in Tordrang und Technik und

Teilung des Raumes in all seiner

Tiefe...

 

 

Kenntnisreicher Künstler am schwarzweißen Balle!

Der Mann aus Korea allein hat die Präzision deines

Abspiels. Trocken schlägst du die Pässe, den

Kurzpaß sowie auch den raumgreifensten Vetter, den

Steilpaß. Nicht fremd ist dir der

Fallrückzieher, wir sahens's. Du zeigtest, daß

Auch in Asia, dem fernen, bekannst ist der Trick

Mit dem kunstreichen Haken - doch mehr noch

Erstaunen den Gegner die nicht-orthodoxen, die

Tricks, die im Lande noch unbekannt. Freilich,

Nie ähneln sie jedoch der Tücke des Panthers,

nie schielet Verschlagenheit Asiens durch -

 

Fair Play ist Bum Kun Chas Religion!

 

 

Ach, abermals weiden die Augen auf dir! Hurtig

Treibst du das Leder nach links, kühner umkurvst

Du den grätschenden Stopper, zaubernden Fußes

Entläßt du den Lib'ro in Scham. Leichthin,

Euphorion erinnernd, vergleichbar auch durchaus

Der zarten Gazelle, dribbelst du torwärts und

Spannst doch den Fußballnerv alljetzt schon zur Bombe -

Denn kaum hinkt die Macht deines Schußes der

Pracht nach Bernd Nickels, genannt >Dr. Hammer<

Dem du, so liest man. längst Brücken der

Freundschaft gebaut hast, auch menschlich...

Herzschöner Mann! Flutlichtumschwärmt auf den

Flügeln der Flanke, jetzt plötzlich der rechten,

Füllhorn der Technik, Fülle des Seins!

Samtschwarzen Seraphkopfs sehr schönen Scheins!

Seht nur den Doppelßaß jetzt mit Nachtweih und

>Holz<! Tripelpaß ewiger Klarheit.

 

Genius des Ostens! Sel'ges Korea!

 

 

Ein Flankengott jener Abramczik? Da lachen die

Götter des alten Olymp! Sie lachen Schorsch

Volkerts und

Lächeln objenem, der, unrhythmisch seltsam,

Rummenigge sich nennt! Wer kennt Okudera? Cha

Aber - ob er nun >Cha Bum Kun< heißt, so wie die

>Frankfurter Rundschau< es will; oder doch

>Bum Kun Cha<, wie die FAZ ihn besingt; oder

>Tscha Bum<, wie >Bild< ihn begrüßte - dich,

Cha, kennt Deutschland, kennt Asien, die Welt so

und so - -

 

Ew'ges Korea!

 

 

Im Winde klirret die Fahne zum Eckstoß. Gefahr-

stufe

Eins. Anläuft Cha Bum, herrlich die Flank' in die

Fluten der Zeit! Schon steht Cha Bum wieder nah

Dem Elfmeter, lauert des Zuspiels, hilft

Hinten aus. Schneisen schlägt er in Spielfeldmitte,

Schleusen öffnet sein schneller Fuß: Sammelnd der

Gegenwart hohes Vergang'nes, einend die Künste

Grabowskis mit denen des Pfaff, Kressens gedenkend

Und eingedenk Sztanis. Fußball berückend - und

Rührend selbst Toni, den treuedlen Zeugwart, der

Dir, Cha, im Air-Bus von Braunschweig nach

Frankfurt die Wange gar küßte; so stand's in der

>Rundschau<...

Geh' unter HSV! Trunken dämmert die

Seele selbst dir (3:2)!

 

 

Ja, in den Ozean all deiner Tricks will ich mich

Stürzen, Bum, sturztrunken einfallen laut in die

Chöre des Jubels, Sohn einer fußballträumenden

Mutter. Anbeten will ich - gleich dir, der du

Betest vor Spielbeginn und auch während des

Kampfs ständig vertieft bist im Gebet<, wie

Wieder die Rundschau< weiß. Anbeten will ich,

Singen mein Lob all mein Lebtag und

Endlich, wenn's gut geht, warte nur balde,

Berückt in Verzückung unendlicher Schöne ver-

geh'n - - -

 

 

Nur, Bum, daß du, folgt man einem Bericht in

der FAZ, nach deiner Aktiven-Laufbahn Deutsche

Predigend zu Gott bekehren willst, das, Bum,

Muß ja wohl nicht sein.

 

 

Der Text der Ode stammt aus dem Band "Ein Scharmanter Bauer" von Eckhard Henscheid, Zweitausendeins Verlag, zweite Auflage, Mai 1980.