f kedi0Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 10. August 2017, Teil 14

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das ist ein so schöner Film, daß man im Kinosessel sitzen bleiben möchte und immer weiter zusehen will, was den unternehmungslustigen Stadtkatzen Istanbuls noch alles einfällt, um einzelne Menschen zu guten Menschen zu machen.

Denn das ist nicht nur ein Film über die Vielfalt von Katzen, ihre Farben, ihre Charaktere, ihre Schönheit, ihre Eleganz, ihre Klugheit, ihre Verspieltheit, ihre Großzügigkeit und so vieler wunderbarer Eigenschaften, sondern wird unter der Hand auch zu einer Liebeserklärung an diejenigen Menschen, die durch das Umsorgen, das Füttern und medizinische Versorgen dieser Tausenden von Katzen einfach bessere Menschen werden.Und dann – nebenbei – ist es auch noch unter der Hand eine Stadtbesichtigung Istanbuls - mit einer einzigen verschleierten Frau übrigens. Dafür sieht man verschiedene Stadtviertel und ihre Katzenbewohner, wobei die Aussagen derer, die man die einfachen Leute nennt, besondere Einsichten kundtun.

Sind es wirklich nur sieben Katzen, denen wir dicht auf den Leib rücken – tolle Kamera, vor allem, wenn wir auf Augenhöhe der Katzen mit ihnen durch die Straßen trippeln: da muß die Kamera ja am Boden mitlaufen, denkt man sich und tatsächlich wurde sie auf ein ferngesteuertes Spielzeugauto montiert - oder doch gefühlte siebzig? Das Erstaunlichste ist vielleicht, wie Masse mit Individualität bei Katzen eine Einheit bildet, stärker als Menschen dies je könnten. Wenn wir den schwarz-weißen, den getigerten, den schwarzen, den grauen, den gefleckten Katzen zuschauen, so gleicht keine der anderen.

Unsere Begeisterung für die Katzen und die Kamera hat auch damit zu tun, daß man hier den Bewegungsradius von Katzen mitbekommt, den wir in Deutschland bei frei lebenden Katzen einfach nicht erleben können. Auch bei uns gibt es ‚wilde‘ Katzen, aber sie bevölkern nicht die Straßen, die Cafès, die Bars, die Plätze, die Märkte, sondern leben in den Gartenbereichen und meiden die Menschen, die sie nur suchen, wenn sie sonst nichts zu fressen finden. Das wissen wir von der Redaktion des Weltexpresso deshalb so genau, weil auch wir eine solche wilde Katze versorgen, die jeden Tag und jede Nacht die drei Redaktionskatzen tyrannisiert und geradezu unterjocht und von uns in einer Mischung aus höchstem Respekt und emotionaler Zuneigung ob ihrer Überlebensstrategie durch tägliche Freßnäpfe belohnt wird. Was gnädig mit Fauchen angenommen wird.

Die wilden Katzen von Frankfurt sind also eher scheu und nur aggressiv, wenn es ums Fressen geht. Aber die Katzen von Istanbul sind selbstsichere Stadtbewohner, da kann man nur staunen. Wie sie sich zielsicher durch ihr Viertel bewegen, ja sowohl Bäume, wie Dächer, wie Keller und vor allem jegliche Verschläge bewohnen, dort nicht nur schlafen, sondern Katzenglück erleben, die Schwangerschaft so nebenbei erledigen und anschließend ihren Wurf verstecken, aber fürsorglich unterwegs sind und die besten Bissen rasch nach Hause bringen und die Kleinen füttern, das erfüllt einen mit tiefen Respekt für diese Überlebenstiere, die zudem Energie und Lebenslust ausstrahlen und oft so possierlich sind, daß man sich gar nicht mehr einholt, ob ihrer phantasievollen Spiele.

Wie gut, daß in Istanbul - in diesem Viertel, das dicht am Hafen liegt, weshalb Fische und die Vorliebe von Katzen für Fisch immer wieder eine Rolle spielen besonders aussagekräftig, - genug Menschen da sind, die den neuen Wurf durch Sonderrationen für die Mutterkatze unterstützen. Überhaupt diese Menschen, übrigens auffällig viele ältere Männer. Man gewinnt sie einfach lieb, wenn man ihr Mitmenschentum für die Katzen erst sieht und dann ihren Erklärungen lauscht. Sie haben Recht. Sie alle empfinden, daß die Beschäftigung mit den Katzen und die Fürsorge für sie, ihnen einen seelischen Ausgleich, ja ein Glück beschert, das sie nicht nur genießen, sondern daß sie sich selbst - eigentlich erstaunlich psychoanalytisch - erklären können. Das Sorgen für diese schönen unabhängigen Tiere macht sie wirklich zu besseren Menschen und zu glücklichen dazu.

Wenn sie dann erzählen, wie sie im Taxi mit der kranken Katze – und diese sehen wir im Bild, ein klitzekleines Kätzchen, das wie tot aussieht, aber überlebt – zur Tierärztin fahren und dort schon Stammgast sind und ein anderer – viele sind Budenbesitzer, Restaurantinhaber, Köche etc. - erzählt, daß schon alle glaubten, er sei in die Tierärztin verliebt, weil er eine Katze, die ständig krank war, über Wochen dorthin brachte; dabei war es so eine Katze mit den berühmten sieben Leben, die ständig über die Stränge schlug, alles ausprobierte und dabei eben viel einstecken mußte.

Wenn man diese Männer mit ihren Plastiktüten loslaufen sieht und diese Frau, die täglich 10 Kilo Huhn für die Katzen kocht, auch, und auf der Leinwand erlebt, wie diese als Heilsbringer für die übrigens unglaublich gepflegt aussehenden Katzen ihre Gaben verteilen, dann fühlt man eine tiefe Dankbarkeit für solches Tun. Und, das ist das Wichtigste daran, diese Katzen gehören niemandem und dann gleichzeitig allen, die sich um sie kümmern.

Wir sind so sehr gewohnt, uns um unser Eigentum – ja, ja, stimmt, Katzen gehören niemandem, nur sich selbst – zu kümmern, wir sind zuständig für die eigenen Katzen, aber in Istanbul sind diese stolzen, frechen, scheuen, schönen Wesen so etwas wie Gemeineigentum, wenn es ums Fressen und Versorgen geht.

Was die Katzen zurückgeben, das ist die deutliche Aussage des Films, die jeder, der mit Katzen lebt, bestätigt, was die Katzen zurückgeben, ist das gewisse Gefühl in den Menschen, ein Gefühl von Dankbarkeit, daß sich die Katze hat streicheln lassen, daß sie einen wahrnahm und wohlwollend die eigene – also unsere - Existenz bestätigt.

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Info:

KEDI

Türkei/ USA 2016

Regie: Ceyda Torun und mindestens sieben Katzen, die noch vorgestellt werden