f chavelaungSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 17. August 2017, Teil 2

Catherine Gund

Mexico Ciudad (Weltexpresso) - Ein paar magische Monate lang fand ich mich etwas südlich von Mexico City wieder, liebend und lebend im warmen Winter von 1992. Meine Freundinnen spielten mir Chavelas Lieder auf Plattenspielern vor und erzählten mir von ihren Frauengeschichten, ihrem unwiderstehlichen Reiz, ihrer tiefen Stimme, ihrer Verwegenheit.

Sie bewegte alle, die ihr begegneten. Ich musste sie treffen. Bevor mit Handys eine Kamera in jeder Tasche steckte, trug ich überall meine Videokamera in meinem Rucksack mit mir. Ich bat meine Freundinnen, mir ein persönliches Treffen mit Chavela zu ermöglichen. Ich wollte ihr in meinem schlechten Spanisch Fragen stellen, sie dazu bringen, ihr großartiges Lachen zu lachen, wollte ihre Anziehungskraft spüren und ihre rauhe Stimme hören. Ich fragte sie, ob ich unsere Unterhaltung auf Video aufnehmen dürfe. Sie war einverstanden, und sie enttäuschte nicht. Es ist kein Wunder, dass sie „Die rauhe Stimme der Zärtlichkeit“ genannt wird. Ich war förmlich von ihrer Fähigkeit besessen, Menschen einzusaugen. Ich war fasziniert von ihrer Leichtigkeit und Ruhe, ihrer Männlichkeit. Und von ihren Liedern. Doch als ich wieder nach Hause kam, legte ich die Mastertapes beiseite.

Ein Jahrzehnt später kreischte ich mit ihren anderen Fans, ich lächelte mit geschlossenen Augen und träumte, als sie in der Carnegie Hall auftrat. Später dann, inmitten der Freunde, die sie so geliebt hatten, trauerte ich, als sie vor drei Jahren im Alter von 93 Jahren starb. Und endlich, vor drei Jahren, entschied ich mich, meine Archivaufnahmen auszugraben und zu sehen, was ich all diese Jahre zuvor aufgenommen hatte. Und da war Chavela in all ihrer Pracht – entspannt, selbstbewusst und poetisch in ihrer rauhen Ehrlichkeit. Es war eine wahre Goldgrube. Für mich ist Chavelas Leben kein warnendes Beispiel, sondern eine reichhaltige, unterirdische Dimension unseres eigenen Lebens. Sie ist kein Vorbild, sondern eine Muse.

Meine Freundin Daresha und ich wollten schon immer einen Film zusammen machen, also zeigte ich ihr einen kleinen Ausschnitt. Sie war fasziniert. Bevor sie überhaupt wusste, wer Chavela war und was sie erreicht hatte, hatte sie sich ebenfalls in sie verliebt und wollte den Film mit mir produzieren und drehen. Es war ein nahtloser, leichter, sogar freudvoller Übergang. Wir wollen unsere Leidenschaft und unsere Entdeckung mit anderen teilen. Chavela entstand aus unserer gemeinsamen Offenbarung, Untersuchung und dem verzweifelten Versuch, uns an die vertraute und dennoch unnachahmliche Magie Chavelas zu halten.

Foto: Man macht sich keine Vorstellung, wenn man die  alt gewordene Sängerin sieht, wie schön sie in ihrer Jugend war. Aber es was, was auf den Bildern nicht so deutlich wird, stärker in den Filmaufnahmen, eine herbe Schönheit. Grundsätzlich maßte sie sich an, den den Männern vorbehaltenen musikalischen Vortrag auf der Bühne als Frau zu bringen© Verleih

Info: Abdruck aus dem Presseheft