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Kategorie: Film & Fernsehen

Lida Bach

„Und bitte lächeln! Als wär´s das letzte Mal...“ Den zweiten Satz sagt die Familie im Chor, die bald darauf keine Familie mehr ist, weil bedeutsame Worte wie diese im Film stets prophetischer Natur sind. Der Film, das ist Johannes Schmidts leise anrührendes Kinderdrama „Wintertochter“. Die „Wintertchter“, das ist Kattaka. Die vorigen Worte spricht nur sie, die eigenwillige Titelfigur (Nina Monka) der angenehm gereiften Geschichte für ein anspruchsvolles Kinderpublikum, obwohl ihr als erster die Freude vergeht.

 

Die Freude ist Vorfreude und Abschiedsfreude zugleich; auf den gerade. anstehenden Heilig Abend und das Weihnachtsfest, an dem die Zwölfjährige zum letzten mal ihre Eltern ganz für sich hat. Kattakas junge Mutter Margarete (Katharina Marie Schubert) ist hochschwanger von Daniel (Maxim Mehmet). „Papa“ hat Kattatka ihn von jeher genannt und so fest an die Wahrheit des Wortes geglaubt, dass es ihr wie ein Betrug vorkommt, als es sich als Lüge herausstellt. „Immer wenn ich Ppa zu Papa gesagt habe, hat das gar nicht gestimmt.“, erklärt sie Knäcke (Leon Seidl), der zwar einen Kopf kleiner, aber trotzdem ihr bester Freund ist.

 

Die beste Freundin, die Kattaka auf der Reise nach Stettin zu ihrem leiblichen Vater Alexej (merab Ninidze) und immer weiter nach Polen und tiefer in die Vergangenheit  ist ihr äußerlich auf den ersten Blick noch verschiedener. Ruppig, dickköpfig und resolut ist die alte Nachbarin Lene Graumann (Ursula Werner), genau wie Schmids burschikose Heldin, in deren Haut die schauspielerische Entdeckung Nina Monka beweist, wie viel Starrsinn und Hartnäckigkeit es braucht, um anzukommen gegen die Lebenslügen der Erwachsenen. Letzte bilden den ernsthaften Kern des bedachtsamen Road Movies über Schmerz und Verlust, sei er unmittelbar oder begraben unter dem Schnee der Jahrzehnte. Dort liegen die Toten, die Lene wieder vor Augen sieht mit der Erinnerung an die Flucht vor den Russen, die sie als kleines Mädchen miterlebte.

 

„Wer liegenbleibt, erfriert.“, murmelt die verschlossene alte Frau, die erst durch das junge Mädchen sich der eigenen Vergangenheit zu stellen lernt. Das kummervolle Mantra ist zugleich der energische Grundsatz der unsentimentalen Weihnachtsgeschichte, deren karger Realismus eine Schönheit birgt, die ebenso herb und frostig ist wie Schmids „Wintertochter“: die trotzige Filmfigur und der kühle Film.

 

 

Oneline: Kindliche Winterreise zu sich selbst.

 

Titel: Wintertochter

Land/ Jahr: Deutschland 2010

Regie: Johannes Schmid

Drehbuch: Thomas Schmid, Michaela Hinnenthal

Kamera: Michael Bertl

Schnitt: Thomas Kohler

Musik: Michael Heilrath, Katrin Mickiewicz

Darsteller: Nina Monka, Ursula Werner, Leon Seidl, Dominik Nowak, Merab Ninidze, Katharina Marie Schubert, Maxim Mehmet, Daniel Olbrychski, Julia Kaminska, Aleksandra Gorska

Verleih: Zorro Film

Kinostart: 20. Oktober 2011