f ausdemnichtsSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. November 2017, Teil 4

Kirsten Liese

Berlin  (Weltexpresso) - Manch einer bekäme es wohl mit der Angst zu tun, wenn ihm Nuri (Numan Acar), ein türkischer, etwas brutal aussehender, ehemaliger Drogendealer über den Weg liefe. Und doch ist klar, dass dieser Mann in diesem Drama keineswegs zu einem Kriminellen, sondern zu einem Opfer werden wird. Schließlich stand der Deutschtürke Fatih Akin hinter der Kamera, und den beschäftigen weniger integrationsunwillige oder kriminelle Migranten als vielmehr die Verbrechen deutscher Rechtsextremer.

Basierend auf den Taten der Terrorgruppe NSU erzählt „Aus dem Nichts“ von einem Bombenanschlag mit ausländerfeindlichem Hintergrund. Es ist ein hoch emotionaler Film, der unübersehbar getragen ist von großer Wut darüber, dass Polizei und Presse nicht von rassistischen Motiven ausgingen, sondern die Täter jahrelang im Umfeld der überwiegend türkischstämmigen Opfer suchten, wiewohl die rechtsextreme Terrorzelle NSU neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen hatte.

Diese Wut manifestiert sich vor allem an den Hinterbliebenen der Opfer, die im Fall der NSU-Verbrechen selbst zur Verdächtigen wurden. Nur etabliert Akin mit Nuris Frau Katja eine blonde Deutsche als Protagonistin.

Diane Kruger in ihrer ersten deutschsprachigen und wohl bisher anspruchsvollsten Rolle überhaupt, in Cannes zur besten Hauptdarstellerin gekürt, spielt diese Katja Sekerci, die außer ihrem Mann bei dem Mordanschlag auch noch ihren sechsjährigen Sohn Rocco verliert, mit großem Furor.

Bis zu dem Tag des Grauens, der für sie alles veränderte, führte sie eine glückliche Existenz.

Vor zehn Jahren hatte sie Nuri im Gefängnis kennengelernt. Nach ihrer Entlassung hatten sie geheiratet, eine Familie gegründet und sich mit einem Übersetzungs- und Steuerberatungsbüro in Hamburg eine beinahe bürgerliche Existenz aufgebaut.

Aber als Katja eines Tages von einem Ausflug aus einem Hamam zurückkehrt, und Mann und Sohn abholen will, ist die Straße abgesperrt, weil sich eine Explosion ereignet hat, bei der es zwei Todesopfer gab. Nach angstvollen Stunden des Wartens stellt sich heraus, dass es sich um Nuri und den kleinen Rocco handelt.

Bis die Ermittler, die zunächst mit unerschütterlicher Selbstverständlichkeit davon ausgehen, Nuri sei in dunkle Machenschaften verwickelt gewesen, die wirklichen Täter finden, muss Katja, unterstützt von dem Anwalt Danilo (Denis Moschitto), gegen ein Gestrüpp von Vorurteilen ankämpfen.

Auch der Prozess gestaltet sich zäh. Die Täter haben ein Alibi, und auch die Tatsache, dass im Haus der Opfer Drogen gefunden wurden, erweist sich als Problem. Wiewohl viele Fakten eindeutig die Schuld der Angeklagten belegen, erscheint der Kampf aussichtslos.

Kruger gelingt es, die Tragik ihrer Partie bewegend auszustellen. Die zunehmende Verzweiflung über den Tod ihrer Familie, die ungerechten Vorwürfe, die ihr von ihren Eltern und Schwiegereltern entgegenschlagen, und insbesondere das Versagen des Staates erklären schließlich auch, warum sie schließlich an Selbstjustiz denkt.

Dagegen lässt sich Akin da, wo es konkret um den Prozess geht, zu stark von seinem Hass auf die deutsche Justiz leiten. Jedenfalls entspricht das Gerichtsverfahren in der Absurdität, in der er es vorführt, nicht der Realität in deutschen Gerichtssälen. Es bleibt unübersehbar, dass er seine überzeichnete Anklage dazu nutzt, seinen finalen Racheakt zu legitimieren.

„Aus dem Nichts“ empfiehlt sich somit eher als eine bewegende weibliche Charakterstudie als ein souveränes Politdrama und bleibt hoffentlich nicht die einzige filmische Auseinandersetzung mit diesem Thema.